Pegcetacoplan
Pegcetacoplan ist der erste zielgerichtete C3-Komplementinhibitor zur Behandlung von paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH). PNH ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von bis zu 16 Fällen pro 1 Million Einwohner.
Pegcetacoplan: Übersicht
Anwendung
Pegcetacoplan ist ein pegyliertes Pentadecapeptid, das als C3-Komplementinhibitor sowohl die intravaskuläre als auch die extravaskuläre Hämolyse kontrolliert. Das Medikament ist indiziert für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH), die nach Behandlung mit einem C5-Inhibitor für mindestens drei Monate nach wie vor anämisch sind.
Anwendungsart
Pegcetacoplan darf nur durch subkutane Infusion mithilfe einer handelsüblichen Spritzeninfusionspumpe verabreicht werden. Dieses Arzneimittel kann von den Patienten selbst verabreicht werden.
Über PNH
Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene, chronische und lebensbedrohliche hämatologische Erkrankung, bei der eine unkontrollierte Komplementaktivierung zur Zerstörung der Erythrozyten durch intravasale und extravasale Hämolyse führt. PNH ist durch einen anhaltend niedrigen Hämoglobinwert gekennzeichnet und kann zu häufigen Transfusionen und Anämie-bedingten schwächenden Symptomen wie Fatique führen. Laut einer retrospektiven Studie und einer Querschnittstudie leiden unter Behandlung mit C5-Inhibitoren etwa 72 Prozent der PNH-Patienten nach wie vor unter Anämie.
Wirkmechanismus
Pegcetacoplan bindet mit hoher Affinität an das Komplementprotein C3 und sein Aktivierungsfragment C3b, wodurch die Spaltung von C3 und die Bildung nachgeschalteter Effektoren der Komplementaktivierung reguliert werden. Bei PNH wird die extravasale Hämolyse (EVH) durch C3b-Opsonisierung ausgelöst, während die intravasale Hämolyse (IVH) durch den nachgeschalteten Membranangriffskomplex (MAC) vermittelt wird. Die Ursache liegt darin, dass bei PNH vielen Blutzellen Glycosylphosphatidylinositol (GPI) fehlt. GPI dient als Anker, der CD55 und CD59, die die Attacke des Komplementsystems verhindern, auf der Zelloberfläche festhält. Fehlt dieses Protein kann auch nicht CD55 und CD59 auf der Zelloberfläche verankert werden und die Zellen sind den Angriffen des Komplementsystems ausgesetzt. Erythrozyten sind dabei am anfälligsten für die Zerstörung, weil diese keinen Zellkern besitzen.
Pegcetacoplan übt eine breite Regulation der Komplementkaskade aus, indem es proximal sowohl auf die C3b als auch auf MAC wirkt und dadurch die Mechanismen kontrolliert, die zur EVH und IVH führen.
Im Gegensatz zu den Komplementinhibitoren Eculizumab und Ravulizumab, die das C5-Protein hemmen, greift Pegcetacoplan vorher in die Kaskade ein und schützt so PNH-Blutzellen vor Angriffen des Komplementsystems.

Dosierung
Pegcetacoplan wird zweimal wöchentlich als subkutane Infusion von 1.080 mg mit einer handelsüblichen Spritzeninfusionspumpe, die Dosen von bis zu 20 ml abgeben kann, verabreicht. Die zweimal wöchentliche Dosis muss an Tag 1 und Tag 4 jeder Behandlungswoche verabreicht werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen von Pegcetacoplan sind Reaktionen an der Injektionsstelle, Infektionen, Durchfall, Bauchschmerzen, Atemwegsinfektionen, Virusinfektionen und Müdigkeit.
Wechselwirkungen
Da Pegcetacoplan ein geringes Potenzial für klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen aufweist, wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt.
Kontraindikationen
Pegcetacoplan darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels
- nicht ausgeheilter Infektion mit bekapselten Bakterien wie Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae
- Patienten ohne aktuellen Impfschutz gegen Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae, es sei denn, sie erhalten eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zwei Wochen nach der Impfung
Schwangerschaft
Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Pegcetacoplan bei Schwangeren vor. Da tierexperimentelle Studien eine Reproduktionstoxizität gezeigt haben,
soll Pegcetacoplan während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht angewendet werden.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Pegcetacoplan in die Muttermilch übergeht. Ob die Möglichkeit besteht, dass gestillte Kinder den Wirkstoff aufnehmen und zu Schaden kommen, ist nicht bekannt. Tierdaten
deuten auf eine geringfügige Ausscheidung (weniger als 1%, pharmakologisch unbedeutend) von Pegcetacoplan in die Muttermilch bei Affen hin. Es ist unwahrscheinlich, dass es bei einem gestillten Kind zu einer klinisch relevanten Exposition kommt. Trotz allem wird empfohlen, das Stillen während der Behandlung mit Pegcetacoplan einzustellen.
Verkehrstüchtigkeit
Pegcetacoplan hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
- Hillmen, Peter, et al. "Pegcetacoplan versus eculizumab in paroxysmal nocturnal hemoglobinuria." New England Journal of Medicine 384.11 (2021): 1028-1037.
- EMA: Fachinformation Aspaveli
- SOBI: Aspaveli® (Pegcetacoplan) erhält EU-Zulassung als Orphan Drug zur Behandlung von PNH; 15. Dezember 2021
Abbildung
Adapted from „Complement Pathways”, by BioRender.com