Pethidin
Pethidin ist ein stark wirksames opioides Schmerzmittel zur Behandlung von starken bis sehr starken Schmerzen. Es ist das erste Opioid, das vollständig synthetisiert wurde.
Pethidin: Übersicht

Anwendung
Pethidinhaltige Arzneimittel sind zugelassen zur Behandlung von starken bis sehr starken Schmerzen und werden in der Regel in Form von Injektionslösungen, als Zäpfchen oder oral in Form von Tropfen angewendet. Es wird eingesetzt, wenn nicht-opioide Schmerzmittel oder schwach wirksame Opioide keine oder nur ungenügende Wirkung zeigen. Mögliche Einsatzgebiete sind Tumorschmerzen oder Schmerzzustände nach Unfällen und Operationen. Es ist auch wirksam bei postoperativem Zittern und Kältezittern z. B. bei Infusionszwischenfällen.
Pethidin sollte nicht zur Behandlung chronischer Schmerzen, sondern zur Behandlung akuter Episoden von schweren Schmerzen verwendet werden.
Wirkmechanismus
Pethidin ist ein vollsynthetischer Opioid-Agonist und wirkt auf das Zentralnervensystem und periphere Organe ähnlich wie Morphin. Schmerzwahrnehmung und –weiterleitung werden durch Pethidin unterdrückt. Pethidin besitzt eine ausgeprägte Affinität zu den µ-Opioid-Rezeptoren. Für δ- und κ-Rezeptoren ist die Affinität hingegen gering. Neben seinem stark analgetischen Effekt zeigt Pethidin auch eine sedierende und husten- sowie atemdepressive Wirkung. Bei Anwendung analgetisch äquieffektiver Dosen bewirkt Pethidin eine etwa gleich stark ausgeprägte Atemdepression wie Morphin. Es senkt zudem den Tonus der glatten Muskulatur der Blutgefäße und wirkt dadurch blutdrucksenkend. Pethidin erhöht zudem die Herzfrequenz.
Pharmakokinetik
Pethidin wird sehr gut aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert (Resorptionshalbwertzeit 11-60 Minuten) und kann deshalb oral verabreicht werden. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 1-2 Stunden erreicht. Aufgrund des ausgeprägten First-Pass-Effekts liegt die Bioverfügbarkeit bei dieser Applikationsweise jedoch nur bei 48-63%.
Nach intramuskulärer Anwendung werden maximale Plasmakonzentrationen innerhalb von 15 Minuten erreicht. Die erreichten Plasmakonzentrationen waren mit denen nach intravenöser Gabe vergleichbar. Die Resorptionshalbwertzeit nach intramuskulärer Gabe beträgt 7 bis 18 Minuten, die Bioverfügbarkeit liegt bei 93 bis 98%.
Pethidin liegt zu 37-73% an Plasmaeiweiß gebunden vor. Die Eliminationshalbwertszeit für Pethidin wurde mit 3,2-8 Stunden angegeben, für Norpethidin 8-12 Stunden.
Pethidin wird in der Leber relativ zügig durch Hydrolyse der Estergruppe inaktiviert. Der Wirkstoff selbst und seine Metaboliten werden überwiegend renal ausgeschieden. Bei Nierenfunktionsstörungen kann das pharmakologisch aktive Norpethidin kumulieren und schwere Nebenwirkungen (Krampfanfälle) verursachen. Pethidin passiert praktisch ungehindert die Plazentaschranke und tritt auch in die Muttermilch über. Die Plasmahalbwertzeit bei Neugeborenen ist zwei- bis siebenmal länger als bei Erwachsenen.
Dosierung
- Injektionslösungen (50 mg bzw. 100 mg Pethidinhydrochlorid pro ml):
Übliche Einzeldosen enthalten zwischen 25 und 150 mg (i.m. und s.c.) oder 50 mg (i.v.).
- Zäpfchen à 100 mg
- Tropfen zum Einnehmen (50 mg/ml):
Die Einzeldosis für Erwachsene liegt zwischen 25 bis 150 mg Pethidinhydrochlorid (10 und 60 Tropfen).
Die Tagesdosis für Erwachsene sollte 500 mg Pethidinhydrochlorid nicht überschreiten.
Für Kinder ab 1 Jahr sind lediglich die Tropfen zugelassen. Diese werden in Abhängigkeit vom Körpergewicht dosiert. Die Einzeldosis beträgt 0,6 bis 1,2 mg Pethidinhydrochlorid pro Kilogramm Körpergewicht (entspricht 1 bis 2 Tropfen pro 4 kg Körpergewicht).
Nebenwirkungen
Psychische Nebenwirkungen sind vielfältig und treten anhängig von der Medikationsdauer individuell unterschiedlich in Erscheinung. Verwirrtheit, Erregungszustände, Wahnvorstellungen, Halluzinationen usw. sind möglich.
Im Folgenden sind die Nebenwirkungen von Pethidin nach ihrer Häufigkeit aufgelistet:
Häufig:
- Verwirrung, Stimmungsveränderungen (meist Euphorie, gelegentlich Dysphorie)
- Veränderungen der kognitiven und sensorischen Leistungsfähigkeit (z. B. hinsichtlich Entscheidungsverhalten sowie Wahrnehmungsstörungen)
- Schwindel
- Sedierung
- Atemdepression.
Gelegentlich:
- Erhöhung der Amylase- und Lipasekonzentration
- Erhöhung der Lebertransaminasen
- Hauterscheinungen (z. B. Ausschlag, Urtikaria).
Sehr selten:
- Psychose.
Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit:
- Überempfindlichkeitsreaktionen (Exanthem, Anaphylaxie, unter Umständen bis zum lebensbedrohlichen Schock)
- Flush, Schwitzen und Pruritus infolge Histaminfreisetzung
- Tachykardie, Bradykardie
- hypotensive Kreislaufreaktionen
- Myokardinfarkt (im Rahmen eines Kounis-Syndroms)
- Tremor, unwillkürliche Muskelbewegungen, Krampfanfälle (insbesondere bei höherer Dosierung, eingeschränkter Nierenfunktion und erhöhter Krampfbereitschaft)
- Sehstörungen, Miosis (vor allem nach rascher intravenöser Applikation)
- Bronchospasmus, Singultus (jeweils vor allem nach rascher intravenöser Applikation)
- Übelkeit, Erbrechen (jeweils vor allem nach rascher intravenöser Applikation)
- trockener Mund, Appetitlosigkeit
- Kontraktion der Gallenwege und des Pankreasgangs
- Orientierungslosigkeit, Delirium
- Tachyphylaxie, Arzneimittelabhängigkeit, Entzugssyndrom
- Schlafstörungen.
Insbesondere bei längerer Anwendung kann es aufgrund einer Tonuserhöhung der glatten Muskulatur zu Obstipation bzw. zu Miktionsbeschwerden wie z. B. Harnretention kommen.
Wechselwirkungen
Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe von Pethidin mit folgenden Substanzen/Arzneimitteln:
- Ritonavir kann die Plasmakonzentration des Metaboliten Norpethidin erhöhen.
- Phenytoin kann den hepatischen Metabolismus von Pethidin verstärken. Bei gleichzeitiger Gabe sind eine verringerte Halbwertzeit und Bioverfügbarkeit von Pethidin sowie eine erhöhte Konzentration von Norpethidin die Folge.
- Cimetidin reduziert die Clearance und das Verteilungsvolumen von Pethidin sowie die Bildung von Norpethidin.
- Zentraldämpfende Arzneimittel
Die Anwendung von Benzodiazepinen in Kombination mit Opioiden kann durch gegenseitige Verstärkung der zentraldämpfenden Wirkung das Risiko von Sedierung, Atemdepression, Koma und Tod erhöhen. Dosen und Dauer einer gleichzeitigen Anwendung sind zu beschränken.
Gemeinsame Anwendung mit Barbituraten und anderen zentraldämpfenden Pharmaka kann aufgrund additiver ZNS-dämpfender Wirkung zu einem verminderten Bewusstseinszustand oder zu Atemdepression führen.
- Alkohol erhöht das Risiko von Sedierung, Atemdepression, Koma und Tod aufgrund der gegenseitigen Verstärkung der zentraldämpfenden Wirkung.
- Phenothiazine können das Risiko einer Hypotension erhöhen.
- Phenobarbital kann bei einer Dauertherapie die Verstoffwechselung von Pethidin erhöhen.
Ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko ist nicht auszuschließen.
- Partielle Opioid-Rezeptorantagonisten (Pentazocin, Nalbuphin und Buprenorphin) können den analgetischen Effekt von Pethidin reduzieren und zu Entzugssymptomen aufgrund des kompetitiven Rezeptorantagonismus führen.
- MAO-Hemmer: Lebensbedrohliche Wechselwirkungen auf Zentralnervensystem, Atmungs- und Kreislauffunktion sind nach Vormedikation mit MAO-Hemmstoffen innerhalb der letzten 14 Tage vor Opioid-Applikation beobachtet worden. Serotonin-Syndrom (Unruhe, Hyperthermie, Diarrhö, Tachykardie, Schwitzen, Tremor und Bewusstseinsstörungen) und ein Syndrom, ähnlich dem einer Opioid-Überdosierung (Koma, schwere Atemdepression und Hypotension) sind möglich.
- Serotonerge Arzneimittel (z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs) und Johanniskraut-Präparate) können ebenfalls zum Auftreten eines Serotonin-Syndroms führen.
- Andere stark wirksame Schmerz- und Arzneimitteln, die die Krampfschwelle senken.
Kontraindikation
Pethidin darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen Pethidin
- gleichzeitiger Behandlung mit MAO-Hemmern oder innerhalb von 14 Tagen nach der letzten Einnahme
- schwerer respiratorischer Insuffizienz und anderen pathologischen Zuständen, bei denen eine Dämpfung des Atemzentrums vermieden werden muss
- Neuralgien, Migräne (da andere Arzneimittel mit geringerem Suchtpotential indiziert sind)
- schwerer Leberfunktionsstörung, akuter hepatischer Porphyrie, Gallenkoliken, Post-Cholezystektomiesyndrom, Pankreatitis
- Schädeltrauma, erhöhter Hirndruck
- supraventrikulärer Arrhythmie
- Alkoholismus und Drogenabhängigkeit.
Schwangerschaft/Stillzeit
Schwangerschaft
Eine Anwendung von Pethidin während Schwangerschaft und Geburt wird nicht empfohlen. Es liegen derzeit nur unzureichende Erfahrungen vor. Anzeichen für ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko beim Menschen sind bisher nicht beobachtet worden. Eine chronische Anwendung von Pethidin kann jedoch beim Kind zur Gewöhnung und nach der Geburt zu Entzugserscheinungen führen. Eine Anwendung sollte daher während der gesamten Schwangerschaft vermieden werden. Falls erforderlich, sollte unter der Geburt nur die intramuskuläre Applikation in der niedrigstmöglichen Dosis erfolgen. Pethidin vermindert nicht die normale Kontraktion des Uterus.
Geburt
Folgende Reaktionen beim Neugeborenen sind nach Gabe von Pethidin unter der Geburt möglich:
- Atemdepression, niedrigere Herzfrequenz und abgeschwächte verhaltensneurologische Funktionen einschließlich Schwierigkeiten beim Füttern
- beeinträchtigtes Verhalten sowie EEG-Veränderungen des Neugeborenen bis zu sechs Tage nach der Geburt
- Herabsetzung der Überlebensfähigkeit bei Risikokindern.
Eine Überwachung des Neugeborenen muss so lange erfolgen bis keine wesentliche Beeinträchtigung der Atmung mehr zu erwarten ist (mindestens jedoch 6 Stunden). Eventuell muss die Gabe von Opiatantagonisten (z. B. Naloxon) in Betracht gezogen werden.
Stillzeit
Pethidin und sein Metabolit Norpethidin gehen in die Muttermilch über, weshalb bei einer Behandlung mit Pethidin nicht gestillt werden sollte. Schwerwiegende Nebenwirkungen beim gestillten Kind sind möglich. Diese können verzögert auftreten und anschließend mehrere Tage und Wochen anhalten. Nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung muss entschieden werden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Pethidin beendet wird.
Verkehrstüchtigkeit
Pethidin schränkt die Aufmerksamkeit ein und kann zu Verwirrtheit führen. Die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr und zur Bedienung von Maschinen ist bei Anwendung des Wirkstoffes nicht mehr gegeben. In verstärktem Maße gilt dies bei Kombination mit Alkohol sowie bei gleichzeitiger Einnahme von Beruhigungsmittel.
Weitere Details zu diesem Wirkstoff können Sie den jeweiligen Fachinformationen entnehmen.