Polatuzumab vedotin

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Polatuzumab Vedotin besteht aus dem Mitosehemmstoff Monomethyl-Auristatin-E (MMAE) und ist das erste Chemoimmuntherapeutikum, das für die Behandlung des rezidivierenden oder refraktären diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) zugelassen wurde.

Anwendung

Polatuzumab Vedotin wird in Kombination mit dem Zytostatikum Bendamustin und mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab angewendet zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidivierendem oder refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL), die nicht für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation in Frage kommen. Das DLBC gehört zu den Non-Hodgkin-Lymphomen und ist mit annähernd 40% der häufigste, sehr aggressive Lymphom-Subtyp, der unbehandelt meist innerhalb von Wochen bis Monaten zum Tod führt.

Anwendungsart

Polatuzumab Vedotin wird als intravenöse Infusion appliziert.

Wirkmechanismus

Polatuzumab Vedotin ist ein Antikörper-Wirkstoffkonjugat (ADC), das auf CD79b maligner B-Zellen abzielt. Der Namenszusatz Vedotin steht für MMAE plus Linker.

CD79b ist ein Protein auf der Oberfläche des B-Zell-Rezeptors, das beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) bei > 95% der Patienten exprimiert wird. Die Bindung an CD79b führt zur Internalisierung von Polatuzumab Vedotin. Der Linker wird durch lysosomale Proteasen abgespalten, wodurch die intrazelluläre Freisetzung des Mitose-Hemmstoffs Monomethylauristatin E (MMAE) ermöglicht wird. MMAE bindet dann intrazellulär an Mikrotubuli und tötet so sich teilende Zellen durch Mitosehemmung und Induktion der Apoptose.

Pharmakokinetik

Resorption

Polatuzumab Vedotin wird als intravenöse Infusion verabreicht. Es wurden keine Studien mit anderen Darreichungsformen durchgeführt.

Verteilung

Der Populationsschätzer des zentralen Verteilungsvolumens von antikörperkonjugiertem MMAE (acMMAE) betrug 3,15 l, was annähernd dem Plasmavolumen entsprach. In vitro bindet MMAE mäßig an menschliche Plasmaproteine (71 – 77 %). In-vitro-Daten zeigen, dass MMAE ein P-gp-Substrat ist, aber in klinisch relevanten Konzentrationen kein Inhibitor von P-gp ist.

Biotransformation

Man nimmt an, dass Polatuzumab Vedotin bei Patienten einen Katabolismus durchläuft, der zur Produktion kleiner Peptide, Aminosäuren, unkonjugiertem MMAE und zugehörigen Kataboliten von unkonjugiertem MMAE führt. Die Spiegel der MMAE-Metabolite wurden in menschlichem Plasma nicht gemessen.

In-vitro-Studien zu Folge ist MMAE ein Substrat für CYP3A4/5, induziert aber keine wichtigen CYP-Enzyme. MMAE ist weiterhin ein schwacher, zeitabhängiger Inhibitor von CYP3A4/5, der aber in klinisch relevanten Konzentrationen CYP3A4/5 nicht kompetitiv inhibiert.

MMAE ist kein Inhibitor von CYP1A2CYP2B6CYP2C8CYP2C9, CYP2C19 oder CYP2D6.

Elimination

Basierend auf einer PK-Populationsanalyse wird das Konjugat acMMAE primär durch nicht-spezifische lineare Clearance mit einem Wert von 0,9 l/Tag eliminiert. In-vivo-Studien mit Ratten, die Polatuzumab Vedotin erhielten (mit radioaktiv markiertem MMAE), zeigten, dass der Großteil der Radioaktivität über den Faeces ausgeschieden wird und ein kleinerer Teil der Radioaktivität renal.

Dosierung

Die empfohlene Dosis von Polatuzumab Vedotin beträgt 1,8 mg/kg. Die Initialdosis ist als 90-minütige intravenöse Infusion zu verabreichen. Während der Infusion und für mindestens 90 Minuten nach Beendigung der Initialdosis sind Patienten auf IRR/Überempfindlichkeitsreaktionen zu überwachen. Die intravenöse Infusion soll alle 21 Tage in Kombination mit Bendamustin und Rituximab über 6 Zyklen verabreicht werden. Die Reihenfolge der Anwendung von Polivy, Bendamustin und Rituximab an Tag 1 eines jeden Zyklus kann beliebig erfolgen.
Die empfohlene Dosis von Bendamustin beträgt 90 mg/m2/Tag an Tag 1 und Tag 2 eines jeden Zyklus und die empfohlene Dosis von Rituximab 375 mg/m2 an Tag 1 eines jeden Zyklus.
Aufgrund unzureichender klinischer Erfahrungen bei Patienten, die mit 1,8 mg/kg Polivy bei einer Gesamtdosis von > 240 mg behandelt werden, wird empfohlen, die Dosis von 240 mg/Zyklus nicht zu überschreiten

Bei folgenden Gegebenheiten sind Dosisanpassungen vorzunehmen:

  • Infusionsbedingte Reaktionen
  • Peripherer Neuropathie
  • Myelosuppression

Nebenwirkungen

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen bei mit Polatuzumab Vedotin in Kombination mit BR behandelten Patienten waren:

  • Anämie (46,7%)
  • Thrombozytopenie (46,7%)
  • Neutropenie (46,7%)
  • Fatigue (40,0%)
  • Diarrhö (37,8%)
  • Übelkeit (33,3%)
  • Fieber (33,3%)

Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bei 27% Patienten berichtet, darunter febrile Neutropenie (6,7%), Fieber (4,4%) und Pneumonie (4,4%). Bei > 5 % der Patienten führten Nebenwirkungen wie Thrombozytopenie (8,9%) und Neutropenie (6,7%) zu einem Abbruch der Therapie.

Wechselwirkungen

Unter der Anwendung von Polatuzumab Vedotin kann es zu Wechselwirkungen mit gleichzeitig angewendeten CYP3A4-Inhibitoren, -Substraten oder -Induktoren und mit gleichzeitig angewendeten P-gp-Inhibitoren kommen.

Kontraindikation

Polatuzumab Vedotin darf nicht angewendet werden bei:
•    Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile
•    Aktiven schweren Infektionen


 

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Es gibt bisher keine Daten zu Schwangeren, die Polatuzumab Vedotin in der Schwangerschaft angewendet haben. Tierexperimentelle Studien zeigen eine Reproduktionstoxizität des Wirkstoffes. Basierend auf dem Wirkmechanismus und präklinischen Studien kann Polatuzumab Vedotin den Fötus schädigen, wenn es innerhalb der Schwangerschaft angewendet wird. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist vor der Behandlung ein Schwangerschaftstest durchzuführen. Eine Anwendung von Polatuzumab Vedotin während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Verhütungsmethode anwenden, wird nicht empfohlen, es sei denn der potenzielle Nutzen für die Mutter überwiegt das potenzielle Risiko für den Fötus.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Polatuzumab Vedotin oder dessen Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Da ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden kann, sollten Frauen während einer Behandlung mit Polatuzumab Vedotin nicht stillen.
 

Verkehrstüchtigkeit

Polatuzumab Vedotin hat geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Es können Nebenwirkungen wie Infusionsbedingte Reaktionen, periphere Neutropathie oder Fatigue und Schwindel auftreten, die die Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen beeinträchtigen.

Alternativen

Die bisherige Standardtherapie aus Rituximab plus Chemotherapie führt nur bei rund 70% der DLBCL Patienten zu einer Heilung. Für Patienten mit refraktärer oder rezidivierter Erkrankung, die aufgrund von Alter oder Begleit­erkrankungen für eine Stammzelltransplantation nicht infrage kommen, sind wegen ihrer schlechten Prognose Alternativen gefragt. Die Ergebnisse klinischer Studien weisen darauf hin, dass Polatuzumab Vedotin eine vielversprechende Therapieoption für diese DLBCL-Patienten zu sein scheint.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.
 

Quelle:

NUB Antrag 2019/2020 Polatuzumab-Vedotin

Fachinformation Polivy® 140 mg

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden
2 Präparate mit Polatuzumab vedotin