Propofol

Propofol ist ein Injektionsanästhetikum, das rasch und kurz wirksam ist. Die Anwendung erfolgt daher zur Narkoseeinleitung oder zur Aufrechterhaltung einer Kurzzeitnarkose sowie zur Sedierung.

Propofol

Anwendung

Propofol ist ein Injektionsanästhetikum, das im Vergleich zu Inhalationsnarkotika zwar das Bewusstsein, nicht aber das Schmerzempfinden ausschaltet. Aufgrund der hohen Lipophilie gelangt der Wirkstoff rasch ins ZNS und sorgt für einen schnellen Bewusstseinsverlust für etwa 4 bis 6 Minuten. Aus diesen Eigenschaften ergeben sich folgende Indikationen:

  • Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose bei Erwachsenen und Kindern ab einem Monat
  • Sedierung bei chirurgischen und diagnostischen Maßnahmen, allein oder in Kombination mit einer Lokal- oder Regionalanästhesie bei Erwachsenen oder Kindern ab einem Monat
  • Sedierung von beatmeten Patienten über 16 Jahren im Rahmen einer Intensivbehandlung

Anwendungsart

Propofol ist als 1%-ige oder 2%-ige Emulsion zur Injektion und Infusion in Ampullen, Durchstechflaschen oder Fertigspritzen im Handel. Zur Infusion kann die Emulsion mit 5%-iger Glucoselösung gemischt werden.

Wirkmechanismus

Wie bei den meisten Injektionsnarkotika ist auch der Wirkmechanismus von Propofol nicht vollständig bekannt. Wahrscheinlich ist eine Wirkung an GABAA-Rezeptoren. Diese sind die Bindestelle des physiologisch wichtigsten inhibitorischen Neutransmitters GABA (γ-Aminobuttersäure), der vor überschießender Spontanaktivität im ZNS schützen soll. Bei den Rezeptoren handelt es sich um ligandengesteuerte Chloridionenkanäle. Propofol erhöht vermutlich durch allosterische Bindung an der β-Untereinheit des Kanals die Effekte des natürlichen Liganden GABA am Rezeptor. Es kommt zum vermehrten Einstrom von Chloridionen in die Postsynapse und zur Hyperpolarisation, sodass schlussendlich die Erregbarkeit der Neuronen vermindert wird.

Pharmakokinetik

Resorption

Die Bioverfügbarkeit von Propofol liegt bei 100 %, da der Wirkstoff intravenös appliziert wird. Die Narkoseeinleitung ist in der Regel nach 30 bis 40 Sekunden beendet, die Wirkdauer beträgt aufgrund der raschen Metabolisierung und Ausscheidung etwa 4 bis 6 Minuten.

Verteilung

Propofol wird in Form einer sterilen Öl-in-Wasser-Emulsion verabreicht, da der Wirkstoff praktisch wasserunlöslich ist. Aufgrund der hohen Lipophilie wird Propofol zu 98% an Plasmaproteine gebunden und verteilt sich rasch im gesamten Körper. Das initiale Verteilungsvolumen liegt bei 22 bis 76 L, das gesamte Verteilungsvolumen beträgt 387 bis 1587 L.

Metabolismus

Propofol wird rasch in der Leber metabolisiert. In Abhängigkeit vom Blutfluss kommt es zur Oxidation und Konjugation (Sulfate und Glucuronide) von Propofol sowie dem korrespondierenden Hydrochinon. Dabei sind alle Metaboliten biologisch inaktiv.  

Elimination

Propofol wird zu 88% in Form inaktiver Metabolite renal sowie zu 0,3% unverändert mit den Fäzes ausgeschieden.

Die Elimination des Wirkstoffs erfolgt in verschiedenen Phasen. Der initiale Blutspiegelverlauf ist aufgrund der raschen Verteilung im Organismus durch einen starken Abfall der Konzentration gekennzeichnet. Die Halbwertszeit dieser sogenannten Alpha-Phase liegt bei 1,8 bis 4,1 Minuten. In der darauffolgenden Eliminations- bzw. Beta-Phase fällt der Propofol-Blutspiegel langsamer ab, die Halbwertszeit dieser Phase beträgt etwa 34 bis 64 Minuten. Aus tiefem Kompartiment wird der Wirkstoff mit einer Halbwertszeit von etwa 184 bis 382 Minuten eliminiert (Gamma-Phase).

Die Gesamtclearance von Propofol liegt bei Erwachsenen in etwa zwischen 1,5 und 2 L/min. Die Clearance kann bei Kindern jedoch verringert sein.

Dosierung

Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose

Zur Einleitung einer Narkose bei Erwachsenen wird die Propofol-Emulsion mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 40 mg Propofol alle 10 Sekunden bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit injiziert. Die Gesamtdosis bei Erwachsenen unter 55 Jahren liegt in der Regel bei 1,5 bis 2,5 mg Propofol/kg KG. Bei älteren Patienten und den Klassen III und IV der ASA (American Society of Anesthesiologists)-Risikogruppen kann eine Dosisreduktion auf 1 mg Propofol/kg KG sowie eine verlangsamte Infusionsgeschwindigkeit auf 20 mg alle 10 Sekunden nötig sein.

Die Aufrechterhaltung der Narkose bei Erwachsenen erfolgt entweder durch Dauerinfusion oder wiederholte Bolusinjektion. Bei einer Dauerinfusion ist eine individuelle Anpassung der Dosierung und Infusionsgeschwindigkeit auf den Patienten nötig. In der Regel liegt die Dosis bei 4 bis 12 mg Propofol/kg KG/h. Bei älteren Patienten oder den ASA-Risikogruppen III und IV kann eine Dosisreduktion auf bis zu 4 mg Propofol/kg KG/h nötig sein. Bei wiederholter Bolusinjektion werden jeweils 25 bis 50 mg Propofol nachinjiziert.

Die Anwendung von Propofol bei Kindern ab einem Monat darf erst nach Anpassung der Dosis an Alter oder Körpergewicht erfolgen. Zur Narkoseeinleitung bei Kindern über 8 Jahren ist eine Dosis von etwa 2,5 mg Propofol/kg KG üblich. Bei jüngeren Kindern kann die benötigte Dosis höher sein und etwa 2,5 bis 4 mg Propofol/kg KG betragen. Zur Aufrechterhaltung der Narkose bei Kindern werden in der Regel Dosierungen im Bereich von 9 bis 15 mg/kg KG/h angewendet. Auch hier kann die benötigte Dosis bei jüngeren Kindern höher sein.

Sedierung von Patienten im Rahmen von diagnostischen und chirurgischen Maßnahmen

Die Dosierung und Dosisintervalle richten sich nach der gewünschten Tiefe der Sedierung sowie dem klinischen Ansprechen der Patienten.

Zur Einleitung der Sedierung werden bei Erwachsenen üblicherweise 0,5 bis 1,0 mg Propofol/kg KG über 1 bis 5 Minuten benötigt. Zur Aufrechterhaltung der Sedierung werden in der Regel zwischen 1,5 und 4,5 mg Propofol/kg KG/h verabreicht. Falls eine schnelle Vertiefung der Sedierung nötig ist, können 10 bis 20 mg Propofol als Bolus injiziert werden. Bei Patienten über 55 Jahren und den ASA-Risikogruppen III und IV kann eine Dosisreduktion nötig sein.

Bei Kindern ab einem Monat sind zur Einleitung der Sedierung meist 1 bis 2 mg Propofol/kg KG ausreichend. Die Sedierung wird durch Titration der Infusionsemulsion bis zur gewünschten Tiefe aufrechterhalten, üblicherweise durch Dosierungen von 1,5 bis 9 mg Propofol/kg KG/h. Ist eine schnelle Vertiefung der Sedierung notwendig, kann die Infusion durch eine Bolusgabe von bis zu 1 mg Propofol/kg KG ergänzt werden.

Sedierung von beatmeten Pateinten über 16 Jahren im Rahmen einer Intensivbehandlung

Die Dosis zur Sedierung von beatmeten Patienten über 16 Jahren im Rahmen einer Intensivbehandlung richtet sich nach der erforderlichen Tiefe der Sedierung. Die Propofol-Emulsion sollte hierbei als kontinuierliche Infusion verabreicht werden. In der Regel werden Dosierungen von 0,3 bis maximal 4,0 mg Propofol/kg KG/h angewendet.

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen können bei der Anwendung von Propofol sehr häufig (≥ 1/10) bis häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) auftreten:

  • Lokale Schmerzen bei der ersten Injektion
  • Spontanbewegungen und Muskelzuckungen während der Narkoseeinleitung
  • Bradykardie und Tachykardie während der Narkoseeinleitung
  • Hyperventilation, Husten, vorübergehende Apnoe während der Narkoseeinleitung
  • Schluckauf während der Narkoseeinleitung
  • Hitzewallungen während der Narkoseeinleitung
  • Kopfschmerzen während der Aufwachphase
  • Übelkeit und Erbrechen in der Aufwachphase
  • Hypotonie

Zudem wurde von Fällen des Missbrauchs und der Abhängigkeit von Propofol berichtet.

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Propofol sollten die folgenden Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln beachtet werden:

  • Benzodiazepine, Parasympatholytika, Inhalationsnarkotika: verlängerte Narkosedauer und langsamere Atemfrequenz möglich
  • Opiate wie Fentanyl: verstärkte und verlängerte Wirkung von Propofol, vermehrtes und zeitlich verlängertes Auftreten einer Apnoe möglich
  • Zentralnervös dämpfende Substanzen (Alkohol, Opiate, Benzodiazepine): Verstärkung der sedierenden Effekte
  • Suxamethonium, Neostigmin: Bradykardie, Herzstillstand möglich
  • Rifampicin: ausgeprägter Blutdruckabfall möglich
  • Valproat: ggf. Dosisreduktion von Propofol nötig
  • Ciclosporin: Leukoenzephalopathie möglich

Kontraindikation

In den folgenden Fällen ist die Anwendung von Propofol kontraindiziert:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Bei Patienten im Alter von 16 Jahren oder jünger zur Sedierung im Rahmen einer Intensivbehandlung

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Die Sicherheit der Anwendung von Propofol in der Schwangerschaft ist nicht belegt. Zudem konnten im Tierstudien reproduktionstoxische Effekte beobachtet werden. Da Propofol plazentagängig ist, ist beim Neugeborenen eine Depression der Vitalfunktionen möglich. Aus diesen Gründen sollte der Wirkstoff in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn dies eindeutig notwendig ist. Dabei sollten hohe Dosen von mehr als 2,5 mg/kg KG bei der Narkoseeinleitung sowie mehr als 6 mg/kg KG/h bei der Aufrechterhaltung vermieden werden.

Stillzeit

Propofol geht in geringem Maße in die Muttermilch über. Aus diesem Grund sollten stillende Frauen nach der Anwendung von Propofol eine Stillpause von mindestens 24 Stunden einlegen.

Verkehrstüchtigkeit

Die Verkehrstüchtigkeit sowie die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen kann nach der Applikation von Propofol eingeschränkt sein. Die Patienten sollten daher über einen angemessenen Zeitraum beobachtet werden, nicht allein nach Hause gehen und darauf hingewiesen werden, dass die Beeinträchtigung etwa 12 Stunden lang andauert.

Alternativen

Neben Propofol werden die folgenden Wirkstoffe als Injektionsanästhetika verwendet:

Hinweise

Propofol darf nur von entsprechend ausgebildeten Ärzten angewendet werden, dabei dürfen Narkose und chirurgischer bzw. diagnostischer Eingriff nicht von derselben Person vorgenommen werden. Das Vorbereiten sowie die Verabreichung der Propofol-Emulsion sollten unter aseptischen Bedingungen erfolgen. Die Propofol-Präparate sind zum einmaligen Gebrauch bei einem Patienten bestimmt. Während der Narkose sind die Herz-Kreislauf- und Atemfunktion kontinuierlich zu überwachen. Weiterhin muss die übliche Ausstattung für eventuelle Zwischenfälle bei der Narkose oder Sedierung wie beispielsweise zur Atemwegssicherung jederzeit einsatzbereit sein. In der Regel ist die zusätzliche Gabe von Analgetika erforderlich. Zur Reduktion des Injektionsschmerzes kann Propofol unmittelbar vor Verabreichung mit Lidocain gemischt werden.

Bei älteren Patienten wird aufgrund des Risikos für Kreislauf- und Atemdepression die Anwendung einer Bolusinjektion nicht empfohlen. Generell sollte Propofol nicht länger als sieben Tage bei einem Patienten angewendet werden.

Vor der Entlassung sollte die vollständige Erholung des Patienten sichergestellt werden. Weiterhin sollte der Patient nur in Begleitung nach Hause gehen und darauf hingewiesen werden, dass beispielsweise die Verkehrstüchtigkeit noch mindestens 12 Stunden beeinträchtigt sein kann.

Inkompatibilitäten

Die folgenden Inkompatibilitäten sollten bei der Anwendung von Propofol berücksichtigt werden:

  • Andere Injektions- und Infusionslösungen außer 5%-iger Glucoselösung
  • Die Muskelrelaxanzien Atracurium und Mivacurium

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
178.27 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 5.0 H
Q0-Wert:
1.0
Autor:
Stand:
17.02.2021
Quelle:
  1. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  2. Steinhilber, Schubert-Zsilavecz, Roth (2010) Medizinische Chemie, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart
  3. Aspen Germany GmbH (10/2020) Fachinformation: Disoprivan 1%, Emulsion zur Injektion/Infusion, 50 ml Fertigspritze
  4. Fresenius Kabi Deutschland GmbH (06/2020) Fachinformation: Propofol 2% (20mg/1 ml) MCT Fresenius Emulsion zur Injektion oder Infusion, 50 ml
  5. American Society of Anesthesiologists – ASA Physical Status Classification System (12/2020)
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