Propylthiouracil
Propylthiouracil ist ein Thioharnstoff-Derivat aus der Wirkstoffgruppe der Thyreostatika. Der Wirkstoff wird angewendet bei Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) bei Morbus Basedow und bei Schilddrüsenautonomie. Aufgrund seines höheren Risikos für akutes Leberversagen sollte Propylthiouracil nicht routinemäßig angewendet werden.
Propylthiouracil: Übersicht

Anwendung
Das Thyreostatikum Propylthiouracil ist indiziert:
- bei Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) bei Morbus Basedow und bei Schilddrüsenautonomie
- als Vorbereitung zur Operation oder Radiojod-Therapie bei einer hyperthyreoten Schilddrüse
Wirkmechanismus
Propylthiouracil wirkt thyreostatisch indem es an die Schilddrüsenperoxidase bindet und so die Umwandlung von Jodid zu Jod unterbindet. Die Schilddrüsenperoxidase wandelt normalerweise Iodid in Iod um (über Wasserstoffperoxid als Cofaktor) und katalysiert den Einbau des resultierenden Iodidmoleküls sowohl in die 3- als auch in die 5-Position der Phenolringe von Tyrosinen, die in Thyreoglobulin vorkommen. Thyreoglobulin wird schließlich zu Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) abgebaut, die die wichtigsten Hormone der Schilddrüse sind.
Pharmakokinetik
- Propylthiouracil wird schnell und nahezu vollständig aus dem Darm resorbiert.
- Nach einer oralen Einzeldosis wird die maximale Serumkonzentration innerhalb von ein bis zwei Stunden erreicht, wobei biologisch relevante Spiegel bereits nach 20 bis 30 Minuten gemessen werden.
- Die Bioverfügbarkeit von Propylthiouracil beträgt 53 bis 88%.
- Im Gegensatz zu Thiamazol ist Propylthiouracil stark an Plasmaproteine gebunden (80–85%).
- Die Halbwertszeit liegt bei etwa einer Stunde.
- Ähnlich wie Thiamazol wird Propylthiouracil sowohl renal als auch mit der Galle eliminiert.
- Die Exkretion mit Fäzes ist gering, was auf einen enterohepatischen Kreislauf hindeutet.
- Sowohl Propylthiouracil als auch Thiamazol sind in der Lage, die menschliche Plazenta zu passieren.
- Im Gegensatz zu früheren Berichten, die nahelegten, dass Propylthiouracil eine geringere Plazentagängigkeit aufgrund einer hohen Plasmaproteinbindung besitzen könnte, zeigen die neueren Untersuchungen, dass die beiden Wirkstoffe sich diesbezüglich nicht substanziell unterscheiden.
Dosierung
In der Regel wird Propylthiouracil alle 6 bis 8 Stunden verabreicht.
Erwachsene, Jugendliche und Kinder über 10 Jahre:
- Die Anfangsdosis beträgt bei geringer klinischer Aktivität der Hyperthyreose 100 bis 300 mg Propylthiouracil pro Tag entsprechend 2 bis 3 Einzeldosen zu je 50 bis 100 mg (1 bis 2 Tabletten).
- In schweren Fällen und nach Jodkontamination werden höhere Anfangsdosen von 300 mg bis 600 mg Propylthiouracil (6 bis 12 Tabletten) täglich empfohlen, verteilt auf 4 bis 6 Einzeldosen.
- Die Erhaltungsdosis beträgt 50 bis 150 mg Propylthiouracil (1 bis 3 Tabletten) pro Tag.
Kinder zwischen 6 und 10 Jahren:
- Die Anfangsdosis beträgt 50 – 150 mg Propylthiouracil (1 bis 3 Tabletten) täglich und als Erhaltungsdosis etwa 25 bis 50 mg Propylthiouracil (½ bis 1 Tablette) täglich.
Nebenwirkungen
Häufig (≥ 1/10) kann es unter der Anwendung von Propylthiouracil zu folgenden Nebenwirkungen kommen:
- Neutropenie ohne klinische Relevanz
- Überempfindlichkeitsreaktionen
- Allergische Hauterscheinungen (Pruritus, Exanthem, Urtikaria)
- Magenunverträglichkeit, Nausea, Erbrechen
Wechselwirkungen
- Cumarine (oral): Propylthiouracil hemmt die Vitamin-K-Aktivität und verstärkt damit die Wirkung von oralen Antikoagulanzien. Daher ist bei gleichzeitiger Anwendung eine PT/INR-Überwachung erforderlich.
- Betablocker, Digitalis und Theophyllin: Patienten mit Hyperthyreose zeigen eine erhöhte Clearance dieser Medikamente. Wenn der Patient euthyreot wird, ist eine Verringerung der Dosis von Betablockern und Theophyllin erforderlich.
Kontraindikationen
Propylthiouracil darf nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einer Arzneimittelkomponente. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder Myelosuppression und pädiatrischen Patienten ist Vorsicht geboten.
Anwendungshinweise
Akute Lebertoxizität
Die Anwendung von Propylthiouracil kann mit akutem Leberversagen und Tod assoziiert sein. Es gibt Berichte über Fälle bei Schwangeren, Erwachsenen und Kindern. Daher ist bei der Anwendung insbesondere in den ersten sechs Monaten nach Therapiebeginn Vorsicht geboten. Da der Beginn unvorhersehbar und variabel ist, wird eine regelmäßige Überwachung nicht empfohlen.
Patienten sollen über die möglichen Symptome aufgeklärt werden und bei Anorexie, Juckreiz, Schmerzen im rechten oberen Quadranten, Übelkeit, Erbrechen, hellem Stuhl und dunklem Urin einen Arzt aufsuchen. Beim ersten Auftreten dieser Symptome muss das Medikament abgesetzt werden und ein Blutbild erstellt werden.
Agranulozytose
Propylthiouracil kann in 0,2 bis 0,5% der Fälle zu Agranulozytose, einem potenziell lebensbedrohliches Ereignis, führen. Patienten sollten angewiesen werden, alle Symptome zu melden, die auf eine Panzytopenie hindeuten wie: Fieber, Halsschmerzen oder interstitielle Pneumonitis. Das Risiko ist in den ersten drei Behandlungsmonaten am höchsten.
Vaskulitis
Vaskulitis ist eine weitere schwere Nebenwirkung, die mit der Anwendung von Thyreostatika in Zusammenhang gebracht wird. Sie wurde öfter unter Propylthiouracil als unter Thiamazol berichtet.
Wirkstoff-Informationen
- Fachinformation Propycil
- DrugBank: Propylthiouracil, abgerufen am 16.01.2023
- Amisha, Fnu, and Anis Rehman. "Propylthiouracil (PTU)." (2019)
- PEI: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 4 | Dezember 2019