Ravulizumab
Der Wirkstoff Ravulizumab wird angewendet zur Behandlung der seltenen Blutkrankheit paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH). Der Antikörper ist ein langwirksamer Komplementhemmer, der die Hämolyse verhindert.
Ravulizumab : Übersicht
Anwendung
Ravulizumab wird angewendet zur Behandlung einer paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) bei erwachsenen Patienten:
- mit Hämolyse zusammen mit einem oder mehreren klinischen Symptomen als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität,
- die klinisch stabil sind, nachdem sie mindestens während der vergangenen 6 Monate mit Eculizumab behandelt wurden
Die PNH ist eine sehr seltene, zum Teil schwer verlaufende Blutkrankheit, von der hauptsächlich jüngere Patienten betroffen sind. Der Name PNH beruht auf dem klinischen Erscheinungsbild, da bei einigen Patienten "anfallsartig" (paroxysmal) nächtlich oder früh morgens eine Rotfärbung des Urins auftritt (Hämoglobinurie).
Anwendungsart
Ravulizumab wird als intravenöse Infusion abhängig vom Körpergewicht über einen Mindestzeitraum von 1,7 bis 2,4 Stunden verabreicht. Die Tabelle hierzu kann der Fachinformation entnommen werden.
Wirkmechanismus
Ravulizumab ist ein monoklonaler IgG2/4K-Antikörper, der spezifisch an das Komplementprotein C5 bindet und dadurch dessen Spaltung in C5a (das proinflammatorische Anaphylatoxin) und C5b (die initiierende Untereinheit des terminalen Komplementkomplexes [C5b-9]) hemmt und die Bildung des C5b-9 verhindert. Ravulizumab erhält die frühen Komponenten der Komplementaktivierung, die von wesentlicher Bedeutung für die Opsonisierung von Mikroorganismen und die Elimination von Immunkomplexen sind.
Pharmakokinetik
Resorption
Ravulizumab ist als intravenöse Infusion 100 % bioverfügbar. Die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Konzentration (tmax) dauert bis zum Ende der Infusion oder bis kurz nach Ende der Infusion. Therapeutische Steady-State-Arzneimittelkonzentrationen werden bereits nach der ersten Dosis erreicht.
Verteilung
Das mittlere Verteilungsvolumen im Steady State betrug bei Patienten mit PNH, die nach dem untersuchten körpergewichtsbasierten Dosierungsschema behandelt wurden, 5,34 (0,92) l.
Biotransformation und Elimination
Die Metabolisierung von Ravulizumab verläuft voraussichtlich wie die endogener IgG (über Abbauwege in kleine Peptide und Aminosäuren zerlegt) und unterliegt einer ähnlichen Elimination. Ravulizumab enthält nur natürlich vorkommende Aminosäuren und hat keine bekannten aktiven Metaboliten. Die Mittelwerte (SD) für die terminale Eliminationshalbwertszeit bzw. die Clearance von Ravulizumab bei Patienten mit PNH betrugen 49,7 (8,9) Tage bzw. 0,003 (0,001) l/h.
Linearität/Nicht-Linearität
Ravulizumab wies über den untersuchten Dosierungsbereich hinweg eine dosisproportionale und zeitlich lineare Pharmakokinetik auf.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung von Ravulizumab richtet sich nach dem Körpergewicht des Patienten. Das Dosierungsschema besteht aus einer Initialdosis, an die nach 2 Wochen Erhaltungsdosen angeschlossen werden, die dann im Abstand von 8 Wochen verabreicht werden. Das Dosierungsschema darf, außer bei der ersten Erhaltungsdosis, in Einzelfällen um ± 7 Tage vom planmäßigen Infusionstag abweichen. Die darauf folgende Dosis sollte jedoch gemäß dem ursprünglichen Schema gegeben werden.
Körpergewichtsbasiertes Dosierungsschema
≥ 40 kg bis < 60 kg: Initialdosis: 2400 mg Erhaltungsdosis 3000 mg
≥ 60 kg bis < 100 kg: Initialdosis: 2700 mg Erhaltungsdosis 3300 mg
≥ 100 kg: Initialdosis: 3000 mg Erhaltungsdosis 3600 mg
Therapiedauer
Da es sich bei PNH um eine chronische Erkrankung handelt, wird empfohlen die Behandlung mit Ravulizumab über die gesamte Lebensdauer des Patienten fortzusetzen, sofern ein Absetzen aus klinischen Gründen nicht angezeigt ist.
Umstellung von Eculizumab auf Ravulizumab
Bei Umstellung von Eculizumab auf Ravulizumab, sollte die Initialdosis 2 Wochen nach der letzten Eculizumab-Infusion verabreicht werden. Danach wird alle 8 Wochen eine Erhaltungsdosis verabreicht, beginnend 2 Wochen nach Verabreichung der Initialdosis.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Anwendung von Ravulizumab sind:
- Infektion der oberen Atemwege
- Nasopharyngitis
- Kopfschmerzen
Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen bei Patienten in klinischen Studien sind Meningokokkeninfektion und Meningokokken-Sepsis.
Wechselwirkungen
Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt. Laut Fachinformation kann eine chronische Behandlung mit intravenösem humanem Immunglobulin (IVIg) den Recycling-Mechanismus des endosomalen neonatalen Fc-Rezeptors (FcRn) von monoklonalen Antikörpern, wie Ravulizumab, beeinträchtigen und dadurch die Ravulizumab-Konzentrationen im Serum verringern.
Kontraindikation
Ravulizumab darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Patienten mit nicht ausgeheilter Infektion mit Neisseria meningitidis bei Behandlungsbeginn
- Patienten ohne aktuellen Impfschutz gegen Neisseria meningitidis, es sei denn, sie erhalten eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zu zwei Wochen nach der Impfung
Schwangerschaft
Bisher gibt es keine Daten zur Anwendung von Ravulizumab in der Schwangerschaft. Humanes IgG passiert bekanntermaßen die Plazentaschranke. Dementsprechend kann auch Ravulizumab potentiell eine terminale Komplementinhibition im fetalen Kreislauf verursachen. Nach einer Nutzen-Risiko- Analyse kann eine Anwendung von Ravulizumab bei Schwangeren in Betracht gezogen werden.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Ravulizumab in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für das Kind kann nicht ausgeschlossen werden, da viele Arzneimittel und Immunglobuline in die menschliche Muttermilch ausgeschieden werden und bei gestillten Säuglingen das Potenzial für schwerwiegende unerwünschte Reaktionen besteht. Das Stillen sollte deshalb während und bis 8 Monate nach der Behandlung mit Ravulizumab unterbrochen werden.
Verkehrstüchtigkeit
Ravulizumab hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Alternativen
Bisher bestand die Standardtherapie von PNH in einer Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Eculizumab,der sich wie auch Ravulizumab gegen die Komplementkomponente C5 richtet, aber eine wesentlich kürzere Halbwertszeit aufweist.
Ravulizumab muss durch seine mittlere Eliminationshalbwertszeit (t1/2: 11,3 ± 3,4 Tage) nur alle acht Wochen angewendet werden. Im Gegensatz zu Eculizumab, der alle zwei Wochen appliziert werden muss.
Fachinformation Ultomiris