Relebactam

Relebactam ist ein Inhibitor bestimmter Betalactamase-Enzyme, die für Resistenzen gegen Antibiotika verantwortlich sind. Relebactam wird daher in Kombination mit Antibiotika angewendet, um deren Abbau zu verhindern und so das Wirkspektrum zu erweitern. Relebactam selbst hat keine antibakterielle Aktivität.

Relebactam

Anwendung

Relebactam ist in Deutschland in einer fixen Kombination mit dem Carbapenem-Antibiotikum Imipenem und dem Dehydropeptidase-Hemmer Cilastatin unter dem Handelsnamen Recarbrio zugelassen.

Die Wirkstoffkombination ist indiziert zur Behandlung der folgenden Infektionen.

  • Im Krankenhaus erworbenen Pneumonie (hospital-acquired pneumonia, HAP), einschließlich beatmungsassoziierter Pneumonie (ventilator-associated pneumonia, VAP) bei Erwachsenen
  • Bakteriämie, für die ein Zusammenhang mit HAP oder VAP bei Erwachsenen besteht oder vermutet wird
  • Behandlung von Infektionen mit aeroben gramnegativen Erregern bei Erwachsenen mit begrenzten Therapieoptionen

Anwendungsart

Die Wirkstoffkomination Imipenem/Cilastatin/Relebactam ist als Einzeldosis in Form eines Pulvers zur Herstellung einer Infusionslösung auf dem Markt erhältlich. Die Rekonstitution sollte unter aseptischen Bedingungen mit 0,9%iger Natriumchlorid- oder 5%-Glucose-Injektionslösung erfolgen.

Wirkmechanismus

Relebactam ist ein Betalactamase-Inhibitor ohne Betalactamstruktur (nicht-β-Lactam-Betalactamase-Inhibitor), der das Wirkspektrum von Imipenem durch Hemmung der abbauenden Enzyme erweitert. Der Wirkstoff selbst hat keine antibakterielle Aktivität. Relebactam ist wirksam gegen Ambler-Klasse A- und Klasse C-Betalactamasen, inklusive der Klasse A Klebsiella pneumoniae-Carbapenemase (KPC) und der Breitspektrum-Betalactamasen (extended-spectrum-beta-lactamases, ESBLs), sowie Klasse C (AmpC-Typ)-Betalactamasen, einschließlich von Pseudomonas induzierte Cephalosporinase (Pseudomonas derived Cephalosporinase, PDC). Relebactam hemmt nicht die Klasse B-Enzyme (Metallobetalaktamasen) oder die Klasse D-Carbapenemasen.

Pharmakokinetik

Resorption

Die pharmakokinetischen Parameter der Einzel- und der Mehrfachdosisanwendung von Relebactam sind aufgrund der geringen Kumulation vergleichbar.

Die Eliminationshalbwertzeiten (t½) von Imipenem, Cilastatin und Relebactam sind dosisunabhängig.

Verteilung (Distribution)

Relebactam wird konzentrationsunabhängig bis zu 22% an Plasmaproteine gebunden. Das Verteilungsvolumen liegt bei etwa 19,0 L.

Die Penetration in die pulmonale epitheliale Schleimhautflüssigkeit (epithelial lining fluid, ELF), die als Expositionsrate des gesamten ELF-zu-ungebundenen Plasma ausgedrückt wird, beträgt für Relebactam etwa 54%.

Metabolismus (Biotransformation) und Elimination

Relebactam wird hauptsächlich durch renale als unveränderte Muttersubstanz eliminiert (> 90% der Dosis) und minimal verstoffwechselt. Die mittlere renale Clearance von Relebactam beträgt 135 ml/min und liegt nahe an der Plasma-Clearance (148 ml/min), was darauf hindeutet, dass Relebactam nahezu vollständig renal eliminiert wird. Die ungebundene renale Clearance von Relebactam ist höher als die glomeruläre Filtrationsrate, daraus lässt sich schließen, dass neben der glomerulären Filtration auch die aktive tubuläre Sekretion an der renalen Elimination beteiligt ist und ca. 30% der Gesamt-Clearance ausmacht.

Dosierung

Eine Dosis der Wirkstoffkombination entspricht 500 mg Imipenem, 500 mg Cilastatin und 250 mg Relebctam. Es wird die Infusion einer Dosis alle 6 Stunden über 30 Minuten empfohlen. Bei nosokomialer Pneumonie, einschließlich damit in Zusammenhang stehender Bakteriämie sollte die Behandlungsdauer 7 bis 14 Tage betragen. Bei Infektionen mit aeroben gramnegativen Erregern bei Patienten mit begrenzten Therapieoptionen ist die Behandlungsdauer in Abhängigkeit vom Infektionsort zu wählen.

Verminderte Kreatinin-Clearance

Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <90 ml/min ist eine Dosisreduktion gemäß den Angaben der Fachinformation nötig.

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen können bei der Behandlung mit Imipenem/Cilastatin/Relebactam häufig (≥1/100 bis <1/10) auftreten.

  • Eosinophilie
  • Thrombophlebitis
  • Diarrhoe
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Erhöhte Leberenzyme (Alanin-Aminotransferase und Aspartat-Aminotransferase)
  • Hautausschlag
  • Erhöhung der alkalischen Phosphatase im Serum

Wechselwirkungen

Bei der Behandlung mit der dreifach Wirkstoffkombination sind die folgenden Wechselwirkungen zu beachten.

  • Ganciclovir: Risiko für generalisierte Krampfanfälle, gleichzeitige Anwendung nur nach positiver Nutzen-Risiko-Abwägung
  • Valproinsäure: verringerte Valproinsäure-Serumkonzentration und damit erhöhtes Risiko für Krampfanfälle möglich, daher gleichzeitige Anwendung nicht empfohlen
  • Orale Antikoagulanzien: Verstärkung der blutgerinnungshemmenden Wirkung von Warfarin möglich, Überwachung des INR (International Normalized Ratio) empfohlen

Probenecid beeinflusst die Plasmaspiegel und Halbwertszeit von Imipenem und Cilastatin. Die aktive tubuläre Sekretion trägt nur zu etwa 30% der Gesamt-Clearance von Relebactam bei. Folglich ist das Ausmaß der Arzneimittelwechselwirkung durch die Hemmung der tubulären Transporter für Relebactam von minimaler klinischer Bedeutung.

Kontraindikation

Relebactam darf bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff nicht angewendet werden. Die Wirkstoffkombination ist weiterhin bei Überempfindlichkeit gegen Carbapenem-Antibiotika sowie bei schwerer Überempfindlichkeit gegen jegliche andere Betalactam-Antibiotika kontraindiziert.

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Bisher liegen keine ausreichenden Daten aus kontrollierten Studien zur Anwendung von Imipenem, Cilastatin und Relebactam in der Schwangerschaft vor. Tierexperimentelle Studien zu Relebactam ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität. Allerdings wurde in Studien zu Imipenem/Cilastatin mit trächtigen Affen Reproduktionstoxizität beobachtet, das potenzielle Risiko für Menschen ist nicht bekannt. Die Wirkstoffkombination sollte daher nur in der Schwangerschaft angewendet werden, wenn der zu erwartende Nutzen das potenzielle Risiko für den Fötus übersteigt.

Stillzeit

Verfügbare Daten in Tierexperimenten haben gezeigt, dass Relebactam bei Ratten in die Milch ausgeschieden wird. Es ist nicht bekannt, ob Relebactam in die Muttermilch bei Menschen übergeht. Imipenem und Cilastatin gehen in geringen Mengen in die Muttermilch über, werden aber nach oraler Aufnahme kaum resorbiert. Ein Risiko für das gestillte Neugeborene/Kind kann aber nicht ausgeschlossen werden.

Soll eine Anwendung der Wirkstoffkombination in der Stillzeit erfolgen, ist daher zu entscheiden, ob der Nutzen des Stillens für das Kind oder der Nutzen der Therapie für die Frau überwiegt und dann die Therapie oder das Stillen zu unterbrechen.

Verkehrstüchtigkeit

Es ist nicht bekannt, ob Relebactam einen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit hat. Während der Behandlung mit Imipenem/Cilastatin können zentralnervöse Nebenwirkungen, wie z.B. Krämpfe, Verwirrtheitszustände und myoklonische Aktivität auftreten, daher ist unter der Therapie mit Imipenem/Cilastatin/Relebactam beim Fahren oder Bedienen von Maschinen Vorsicht geboten.

Anwendungshinweise

Die Anwendung zur Behandlung von Infektionen mit aeroben gramnegativen Organismen bei erwachsenen Patienten mit begrenzten Therapieoptionen sollte nur nach Beratung durch einen auf dem Gebiet der Infektiologie erfahrenen Facharzt erfolgen. Dabei sollten Faktoren wie der Schweregrad der Infektion, die Prävalenz von Resistenzen gegenüber anderen geeigneten Antibiotika sowie das Risiko Carbapenem-resistenter Erreger zu berücksichtigen.

Verminderte Kreatinin-Clearance & Hämodialyse

Bei Patienten mit schwankender Nierenfunktion sollte die Kreatinin-Clearance überwacht werden. Patienten mit einer Kreatinin-Clearance<15 ml/min sollten die Wirkstoffkombination nur erhalten, wenn innerhalb von 48 Stunden eine Hämodialyse durchgeführt wird.

Relebactam wird währen der Hämodialyse aus dem Kreislauf eliminiert. Daher sollten hämodialysepflichtige Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz das Arzneimittel im Anschluss an die Hämodialyse erhalten. Derzeit liegen keine ausreichenden Daten vor, um die Anwendung bei Peritonealdialyse zu empfehlen.

Blutuntersuchungen

Während der Behandlung mit Imipenem/Cilastatin/Relebactam kann der direkte oder indirekte Coombs-Test positiv ausfallen.

Alternativen

Betalactamase-Inhibitoren erweitern das Wirkungsspektrum nicht Betalactamase-stabiler Betalactam-Antibiotika. Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam sind Strukturanaloga der Penicillansäure, wirken schwach antimikrobiell und hemmen vor allem Penicillinasen, Cephalolsporinasen und ESBLD der Klasse A der Ambler-Klassifikation. Avibactam ist wie Relebactam ein Nicht-Betalactam-Betalactamase-Inhibitor, das zusätzlich gegen AmpC-Betalactamasen der Klasse C und einige Betalactamasen der Klasse D wirksam ist.

Clavulansäure ist oral verfügbar in fixer Kombination mit Amoxicillin im Handel. Parenteral werden Tazobactam mit Piperacillin, Sulbactam als Monopräparat oder in fixer Kombination mit Ampicillin sowie Avibactam mit Ceftazidim angewendet.

Der Wirkstoff Vaborbactam ist in der EU zugelassen, aber noch nicht im Handel. In Kombination mit Meropenem ist das Arzneimittel auch gegen Carbapenem-resistente Enterobakterien wirksam.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

 

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
348.38 g·mol-1
Kindstoff(e):
Autor:
Stand:
25.06.2021
Quelle:
  1. EMA: Fachinformation Recarbrio
  2. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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