Riociguat
Der Wirkstoff Riociguat stimuliert die lösliche Guanylatzyklase, welche als elementares Enzym des kardiopulmonalen Systems eine Vasodilatation induziert. Aufgrund dessen ist Riociguat zur Behandlung zweier Formen der pulmonalen Hypertonie indiziert.
Riociguat: Übersicht

Anwendung
Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH)
Riociguat wird angewendet zur Behandlung erwachsener Patienten der WHO-Funktionsklassen (FK) II bis III mit inoperabler CTEPH oder persistierender oder rezidivierender CTEPH nach chirurgischer Behandlung zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
Riociguat ist als Monotherapie oder in Kombination mit Endothelin-Rezeptorantagonisten indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) der WHO-Funktionsklassen (FK) II bis III zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Die Wirksamkeit wurde in einer PAH-Population einschließlich Ätiologien einer idiopathischen oder hereditären PAH oder einer mit einer Bindegewebserkrankung assoziierten PAH nachgewiesen.
Anwendungsart
Riociguat ist in Form von Filmtabletten in folgenden Dosierungen erhältlich:
- 0,5 mg
- 1 mg
- 1,5 mg
- 2 mg
- 2,5 mg
Die Behandlung mit Riociguat sollte nur durch einen Arzt eingeleitet und überwacht werden, der Erfahrung in der Behandlung der CTEPH oder PAH hat.
Die Filmtabletten können für Patienten, die nicht in der Lage sind, ganze Tabletten zu schlucken, unmittelbar vor der Anwendung zerstoßen und mit Wasser oder weichen Nahrungsmitteln wie Apfelmus gemischt und anschließend oral verabreicht werden.
Die Einnahme von Riociguat kann im Allgemeinen nahrungsunabhängig erfolgen. Für Patienten mit Neigung zu Hypotonie wird als Vorsichtsmaßnahme der Wechsel zwischen einer Einnahme zu den Mahlzeiten und unabhängig von den Mahlzeiten nicht empfohlen, da die Plasmaspitzenkonzentrationen von Riociguat nach Mahlzeiten-unabhängiger Einnahme im Vergleich zu einer Einnahme zu den Mahlzeiten erhöht sind.
Wirkmechanismus
Riociguat ist ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC), ein elementares Enzym des kardiopulmonalen Systems, das in der glatten Gefäßmuskulatur nach Stimulation die Umwandlung von GTP in cGMP katalysiert und infolgedessen eine Relaxation induziert. Die sGC ist darüber hinaus das Target von Stickstoffmonoxid (NO) und spielt eine pharmakologische Schlüsselrolle in der Therapie der Angina pectoris mit Nitraten oder Molsidomin.
Intrazelluläres cGMP spielt im Allgemeinen eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Prozessen, die Gefäßtonus, Proliferation, Fibrose und Entzündung beeinflussen.
Die Pathophysiologie der pulmonalen Hypertonie ist mit endothelialer Dysfunktion, eingeschränkter NO-Synthese und unzureichender Stimulation des NO-sGC-cGMP-Weges assoziiert.
Neben einer NO-unabhängigen Stimulation der sGC bewirkt Riociguat eine Stabilisierung der NO-sGC-Bindung und erhöht dadurch die Empfindlichkeit von sGC gegenüber endogenem NO (dualer Wirkmechanismus). Folglich erhöht sich die Konzentration an intrazellulärem cGMP, was eine Senkung des pulmonalen Blutdrucks bedingt und die körperliche Leistungsfähigkeit steigert.
Pharmakokinetik
Resorption
- Die absolute Bioverfügbarkeit von Riociguat beträgt etwa 94%.
- Riociguat wird nach oraler Einnahme schnell resorbiert (cmax wird nach 1-1,5 h erreicht).
- Die Einnahme mit Nahrungsmitteln verringert die AUC von Riociguat leicht und cmax um etwa 35%.
- Die Bioverfügbarkeit (AUC und cmax) von zerstoßenen Tabletten suspendiert in Apfelmus oder Wasser ist vergleichbar mit der Bioverfügbarkeit von unzerstoßenen Tabletten.
Verteilung
- Riociguat wird zu etwa 95% an Plasmaproteine gebunden, wobei Serumalbumin und saures Alpha-1-Glykoprotein die Hauptbindungspartner darstellen.
- Das Verteilungsvolumen im Steady State beträgt ungefähr 30 L.
Metabolismus
- Der hauptsächliche Metabolisierungsweg von Riociguat ist die N-Demethylierung durch CYP1A1, CYP3A4, CYP3A5 und CYP2J2 zum aktiven Hauptmetaboliten M-1 (pharmakologische Aktivität: 1/10 bis 1/3 von Riociguat), der weiter zum pharmakologisch inaktiven N-Glucuronid metabolisiert wird.
- CYP1A1 katalysiert die Bildung des Hauptmetaboliten M-1 in Leber und Lunge und ist durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die z.B. im Zigarettenrauch vorkommen, induzierbar.
Elimination
- Riociguat und seine Metabolite werden vollständig renal (33-45%) sowie biliär/fäkal (48-59%) eliminiert.
-
Dabei werden etwa 4-19% der verabreichten Dosis in Form
von unverändertem Riociguat über die Nieren und etwa 9-44% der verabreichten Dosis in Form von unverändertem Riociguat über die Fäzes ausgeschieden.
Patientenindividuelle Pharmakokinetik
- Alter: Ältere Patienten (65 Jahre oder älter) weisen höhere Plasmakonzentrationen als jüngere Patienten auf (die mittleren AUC-Werte sind bei älteren Patienten etwa 40% höher, was vermutlich auf die verringerte Gesamt- und renale Clearance zurückzuführen ist).
- Leberfunktionsstörungen: Bei zirrhotischen Patienten (Nichtraucher) mit mittelschwerer Leberfunktionsstörung (klassifiziert als Child-Pugh B) ist die mittlere AUC von Riociguat im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe um 51% erhöht (es liegen derzeit keine Daten zu Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung vor).
- Nierenfunktionsstörungen: Insgesamt sind die mittleren Expositionswerte für Riociguat, korrigiert nach Dosis und Gewicht, bei Probanden mit Nierenfunktionsstörung höher als bei Probanden mit normaler Nierenfunktion.
Raucher: Die Plasmakonzentrationen von Riociguat sind bei Rauchern niedriger als bei Nichtrauchern (eine Dosiserhöhung bis zur maximalen Tagesdosis von 2,5 mg 3x täglich bei Patienten, die rauchen oder während der Behandlung mit dem Rauchen beginnen bzw. eine Dosisreduktion bei Patienten, die mit dem Rauchen aufhören, kann erforderlich sein).
Dosierung
Dosistitration
- Empfohlene Anfangsdosis: 3x täglich (alle 6 bis 8 Stunden) 1 mg Riociguat für 2 Wochen
- Dosiserhöhung: Alle 2 Wochen um 0,5 mg 3x täglich bis zur Maximaldosis von 2,5 mg 3x täglich (7,5 mg), sofern der systolische Blutdruck ≥ 95 mmHg beträgt und der Patient keine Anzeichen oder Symptome einer Hypotonie aufweist.
- Erhaltungsdosis: Fällt der systolische Blutdruck unter 95 mmHg, sollte die individuelle Dosis beibehalten werden, sofern der Patient keine Anzeichen oder Symptome einer Hypotonie aufweist.
- Dosisreduktion: Wenn der systolische Blutdruck während der Titrationsphase unter 95 mmHg fällt und der Patient zudem Anzeichen oder Symptome einer Hypotonie aufweist, sollte die zu diesem Zeitpunkt gegebene Dosis um 0,5 mg 3x täglich verringert werden.
Absetzen der Behandlung
Falls die Behandlung mit Riociguat für ≥ 3 Tage unterbrochen werden muss, ist die Therapie erneut wie nach dem oben beschriebenen Dosistitrationsschema fortzusetzen (Beginn mit 1 mg 3x täglich für 2 Wochen).
Nebenwirkungen
Die meisten Nebenwirkungen unter der Therapie mit Riociguat lassen sich mit Hilfe des pharmakologischen Wirkmechanismus erklären und werden durch eine Relaxation der glatten Muskelzellen in den Gefäßen oder im Gastrointestinaltrakt verursacht.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen:
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Dyspepsie
- Periphere Ödeme
- Übelkeit und Erbrechen
- Diarrhö
- Hypotonie
Darüber hinaus kann es unter der Therapie mit Riociguat zu diesen schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen:
- Hämoptoe
- Lungenblutung
Wechselwirkungen
Eine pharmakodynamische Wechselwirkung mit folgenden Arzneimitteln ist aufgrund der potenzierenden antihypertensiven Effekte in jedem Fall zu berücksichtigen:
- Nitrate und NO-Donatoren
- PDE-5-Hemmer
Zusätzlich ist bei der Anwendung von Wirkstoffen Vorsicht geboten, die Einfluss auf Riociguat metabolisierende CYP-Enzyme haben (CYP1A1, CYP3A4, CYP3A5 und CYP2J2):
- CYP3A4: Inhibitoren wie Ketoconazol oder Induktoren wie Carbamazepin und Bosentan
- CYP1A1: Inhibitoren wie Erlotinib und Gefitinib
Den pH-Wert beeinflussende Arzneimittel (Antazida) können die Wirksamkeit von Riociguat ebenfalls beeinträchtigen, denn Riociguat zeigt bei neutralem pH eine verringerte Löslichkeit im Vergleich zu saurem Medium, wodurch die orale Bioverfügbarkeit reduziert wird (die gleichzeitige Anwendung des Antazidums Aluminiumhydroxid/Magnesiumhydroxid verringerte die mittlere AUC von Riociguat um 34% und die mittlere cmax um 56 %).
Raucher weisen üblicherweise eine um 50-60% verringerte Riociguat-Exposition auf und sollten daher mit dem Rauchen aufhören.
Riociguat und sein Hauptmetabolit sind in vitro starke CYP1A1-Inhibitoren, weshalb die gleichzeitige Einnahme von CYP1A1-Substraten wie Erlotinib oder Granisetron mit Vorsicht erfolgen sollte.
Kontraindikationen
Riociguat ist kontraindiziert bei:
- Gleichzeitiger Anwendung von PDE-5-Hemmern wie Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil
- Gleichzeitiger Anwendung von Nitraten oder NO-Donatoren in jeglicher Form einschließlich bestimmter Drogen, sog. „Poppers“
- Schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh C)
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
- Schwangerschaft
- Patienten mit einem systolischen Blutdruck < 95 mmHg bei Behandlungsbeginn
- Patienten mit pulmonaler Hypertonie verbunden mit idiopathischen interstitiellen Pneumonien (PH-IIP)
Schwangerschaft
Riociguat ist während der Schwangerschaft kontraindiziert, denn tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität und Plazentagängigkeit gezeigt. Es werden monatliche Schwangerschaftstests empfohlen.
Stillzeit
Tierexperimentelle Daten weisen darauf hin, dass Riociguat in die Muttermilch übergeht. Aufgrund des Potenzials schwerwiegender Nebenwirkungen bei Säuglingen soll Riociguat während der Stillzeit nicht angewendet werden, um ein Risiko für den Säugling auszuschließen. Das Stillen soll während der Behandlung mit Riociguat unterbrochen werden.
Verkehrstüchtigkeit
Riociguat kann durch Nebenwirkungen wie Schwindel Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen haben.
Anwendungshinweise
Pulmonale veno-okklusive Erkrankung
- Pulmonale Vasodilatatoren können möglicherweise den kardiovaskulären Zustand von Patienten mit pulmonaler veno-okklusiver Erkrankung (PVOD) signifikant verschlechtern (daher wird die Anwendung von Riociguat bei diesen Patienten nicht empfohlen).
- Sollten Anzeichen eines Lungenödems auftreten, ist die Möglichkeit einer assoziierten PVOD in Betracht zu ziehen und die Behandlung mit Riociguat abzusetzen.
Blutung der Atemwege
- Patienten mit pulmonaler Hypertonie haben ein erhöhtes Risiko für Blutungen im Bereich der Atemwege (insbesondere bei Patienten, die eine Therapie mit Antikoagulanzien erhalten).
- Das Risiko einer schwerwiegenden und tödlich verlaufenden Blutung der Atemwege kann durch die Behandlung mit Riociguat möglicherweise weiter erhöht werden, insbesondere bei bestehenden Risikofaktoren wie kürzlich aufgetretenen Episoden schwerwiegender Hämoptoe einschließlich solcher, die durch Bronchialarterienembolisation behandelt wurden.
- Im Falle einer Blutung im Bereich der Atemwege sollte der verschreibende Arzt regelmäßig eine Nutzen-Risiko-Analyse hinsichtlich der Fortsetzung der Behandlung durchführen.
Hypotonie
- Riociguat wirkt vasodilatierend und kann eine Hypotonie auslösen.
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Vor der Verschreibung von Riociguat sollte der behandelnde Arzt sorgfältig in Erwägung ziehen, ob Patienten mit bestimmten Grunderkrankungen durch die vasodilatierenden Wirkungen
nachteilig beeinflusst werden können (z.B. Patienten mit antihypertensiver Therapie oder mit Hypotonie in Ruhe, Hypovolämie, schwerer Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes oder
autonomer Dysfunktion). - Riociguat darf nicht bei Patienten mit einem systolischen Blutdruck unter 95 mmHg angewendet werden.
- Bei Patienten ≥ 65 Jahre besteht ein erhöhtes Hypotonierisiko, weshalb die Anwendung von Riociguat bei diesen Patienten mit Vorsicht erfolgen sollte.
Alternativen
Zur medikamentösen Therapie der pulmonalen (arteriellen) Hypertonie stehen diese Alternativen zur Verfügung:
- Calciumkanalblocker wie Amlodipin
- PDE-5-Inhibitoren wie Sildenafil und Tadalafil
- Endothelinrezeptor-Antagonisten wie Ambrisentan, Bosentan und Macitentan
- Prostazyklinanaloga wie Epoprostenol, Iloprost und Treprostinil
- Prostazyklin-(IP-)Rezeptor-Agonisten wie Selexipag
Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.
Wirkstoff-Informationen
- EMA: Adempas
- Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
- Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- AWMF: S2k-Leitlinie Pulmonale Hypertonie (2020)
- ESC: ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension (2015)
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