Risdiplam

Der Wirkstoff Risdiplam ist die erste orale Therapieoption zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA), einer seltenen neuromuskulären Erkrankung, die etwa eines von 10.000 Neugeborenen betrifft. Das Arzneimittel wirkt über eine Erhöhung und Aufrechterhaltung von funktionellen SMN-Protein-Spiegeln.

Risdiplam

Anwendung

Risdiplam (Evrysdi) ist indiziert zur Behandlung der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Patienten ab einem Alter von 2 Monaten, mit einer klinisch diagnostizierten Typ-1-, Typ-2- oder Typ-3-SMA oder mit einer bis vier Kopien des SMN2-Gens.

Über SMA

Die SMA ist die häufigste erbliche Erkrankung mit Todesfolge im Säuglingsalter und wird überwiegend bereits im frühen Kindesalter diagnostiziert. Bei SMA kommt es zu einer Schädigung von Motoneuronen, was zum fortschreitenden Verlust dieser Nervenzellen im Rückenmark führt. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Muskelschwäche, Muskelatrophie sowie Lähmungserscheinungen und auch die Funktion anderer Organe wie Herz und Verdauungstrakt können betroffen sein. Ursächlich ist eine Mutation oder Deletion im ubiquitär exprimierten SMN-1-Gen im Chromosom 5q.

Anwendungsart

Risdiplam muss vor der Abgabe von medizinischem Fachpersonal rekonstituiert werden (siehe Anleitung zur Rekonstitution).

Der Wirkstoff wird einmal täglich, etwa zur gleichen Uhrzeit, nach einer Mahlzeit unter Verwendung der mitgelieferten wiederverwendbaren Applikationsspritze eingenommen. Bei Säuglingen, die gestillt werden, sollte Risdiplam nach dem Stillen angewendet werden und sollte nicht mit Milch oder Formulamilch gemischt werden. Das Medikament sollte sofort nach dem Aufziehen in die Applikationsspritze eingenommen werden, da es nach 5 Minuten verworfen werden muss.

Nach der Einnahme sollte der Patient Wasser trinken oder die Sonde mit Wasser gespült werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel vollständig verabreicht wurde.

Wirkmechanismus

Risdiplam ist ein Spleiß-Modifikator der Survival of Motor Neuron 2 (SMN2-)Prä-mRNA und führt zu einem Einschluss von Exon 7 in das mRNA-Transkript, wodurch es zu einer erhöhten Produktion von funktionellem und stabilem SMN-Protein kommt.

Dosierung

Die empfohlene tägliche Dosis richtet sich nach Alter und Körpergewicht des Patienten:

  • 2 Monate bis < 2 Jahre: 0,20 mg/kg Risdiplam
  • ≥ 2 Jahre (< 20 kg): 0,25 mg/kg Risdiplam
  • ≥ 2 Jahre (≥ 20 kg): 5 mg Risdiplam

Wenn eine Dosis nicht vollständig geschluckt wurde oder wenn es nach der Einnahme einer Dosis Evrysdi zu Erbrechen kommt, darf keine weitere Dosis eingenommen werden, um die unvollständige Dosis auszugleichen. Die nächste Einnahme ist zum regulär geplanten Zeitpunkt vorzunehmen

Nebenwirkungen

Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen, die in klinischen Studien mit Risdiplam bei Patienten mit infantiler SMA beobachtet wurden, sind:

  • Pyrexie (48,4%)
  • Ausschlag (27,4%)
  • Diarrhö (16,1%)

Bei Patienten mit später einsetzender SMA sind die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen, die in klinischen Studien mit Evrysdi beobachtet wurden:

  • Pyrexie (21,7%)
  • Kopfschmerzen (20,0%)
  • Diarrhö (16,7%)
  • Ausschlag (16,7%)

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Evrysdi zu beachten:

  • Risdiplam wird hauptsächlich von den Leberenzymen Flavin-Monooxygenase1 und 3 (FMO1 und 3) sowie von CYP1A1, CYP12J2, CYP13A4 und CYP13A7 metabolisiert. Die gleichzeitige, zweimal tägliche Einnahme mit dem starken CYP3A-Inhibitor Itraconazol zeigte jedoch keine klinisch relevante Wirkung auf pharmakokinetische Parameter von Risdiplam, weshalb keine Dosisanpassung bei gleichzeitiger Anwendung mit einem mit einem CYP3A-Inhibitor erforderlich ist.
  • Basierend auf in-vitro-Daten kann Risdiplam die Plasmakonzentrationen von Arzneimitteln, die über MATE1 oder MATE2-K eliminiert werden, wie bspw. Metformin, erhöhen. Arzneimittelbezogene Toxizitäten sollten bei dieser Kombination deshalb überwacht und bei Bedarf eine Dosisreduktion des gleichzeitig angewendeten Arzneimittels in Betracht gezogen werden.
  • Da das Potenzial für synergistische Effekte bei gleichzeitiger Anwendung von Risdiplam mit retinotoxischen Arzneimitteln nicht untersucht wurde, ist bei der gleichzeitigen Anwendung solcher Arzneimittel Vorsicht geboten.

Kontraindikation

Risdiplam darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.

Schwangerschaft

Bisher liegen keine Erfahrungen mit der Anwendung von Risdiplam bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt, weshalb die Anwendung von Risdiplam während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen wird. Schwangere Frauen müssen eindeutig auf das mögliche Risiko für den Fötus hingewiesen werden.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Risdiplam in die menschliche Muttermilch übergeht. Studien an Ratten haben gezeigt, dass Risdiplam in die Milch eliminiert wird. Da über eine potenzielle gesundheitsschädigende Wirkung für den gestillten Säugling nichts bekannt ist, wird empfohlen, während der Behandlung nicht zu stillen.

Verkehrstüchtigkeit

Risdiplam hat keinen oder einen zu vernach-lässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Alternativen

Bisher gibt es zwei unterschiedliche Therapie-Ansätze. Beide haben zum Ziel, die Menge an funktionsfähigem SMN-Protein zu erhöhen:

  • über das SMN1-Gen: Das Gentherapeutikum Zolgensma (Abeparvovec) bringt ein fehlerfreies SMN1-Gen in menschliche Zellen ein.
  • über das SMN2-Gen: Das Medikament Spinraza (Nusinersen) verbessert die Übersetzung des SMN2-Gens in funktionsfähiges SMN-Protein (sogenannte „Splicing-Modifikation“).

Nach der Markteinführung wurden beide Präparate wegen ihrer hohen Preise massiv kritisiert. Spinraza kostet im ersten Behandlungsjahr etwa 620.000 Euro, im zweiten Jahr 310.000 Euro. Im Gegensatz zu Zolgensma muss Spinraza mehrfach und nicht nur einmalig angewendet werden. Zolgensma ist mit 2,26 Millionen Euro für eine einzige Infusion das bisher teuerste Medikament weltweit.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
401.46 g·mol-1
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2 Präparate mit Risdiplam