Ropeginterferon alfa-2b

Ropeginterferon alfa-2b ist das erste zugelassene Interferon zur Behandlung der seltenen Erkrankung Polycythaemia vera ohne symptomatische Splenomegalie.

Anwendung

Ropeginterferon alfa-2b wird als Monotherapie angewendet zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Polycythaemia vera (PV) ohne symptomatische Splenomegalie. Die PV ist eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz zwischen 0,4% und 2,8% pro 100 000 Einwohner pro Jahr in Europa. Das mediane Lebensalter bei Diagnosestellung liegt zwischen 60 und 65 Jahren. Die Erkrankung ist charakterisiert durch eine Neoplasie blutbildender Stammzellen im Knochenmark und führt zu einem chronischen Anstieg von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten. Bei fast allen Patienten (etwa 98%) liegt eine Mutation im JAK2-Tyrosinkinase-Gen vor, welche die Proliferationssteigerung bedingt. Häufigste Komplikationen der Erkrankung sind arterielle und venöse Thrombosen.

Anwendungsart

Ropeginterferon alfa-2b ist als Injektionslösung in einem Fertigpen für die subkutane Injektion zugelassen und kann vom Patienten selbst verabreicht werden.

Wirkmechanismus

Ropeginterferon alfa-2b ist ein langwirksames, mono-pegyliertes Prolin-Interferon und bindet an den Interferon-alfa-Rezeptor (IFNAR). Durch diese Bindung werden u.a. die Kinasen, Januskinase 1 (JAK1) Tyrosinkinase 2 (TYK2) und die Transkriptionsfaktoren (STAT-Proteine) aktiviert. Die STAT-Proteine sind über den JAK-STAT-Signalweg an der Regulation des Immunsystems, am Zellwachstum und der Proliferation beteiligt und kontrollieren durch nukleare Translokation verschiedene Genexpressionsprogramme. Interferon alfa wirkt inhibitorisch auf die Proliferation von hämatopoetischen Zellen und Fibroblasten-Vorläuferzellen im Knochenmark und antagonisiert die Wirkung von Wachstumsfaktoren und anderen Zytokinen. Diese spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer Myelofibrose. Die genannten Effekte tragen möglicherweise zur therapeutischen Wirkung von Interferon alfa bei Polycythaemia vera bei.

Pharmakokinetik

Resorption

Die Resorption von Ropeginterferon alfa-2b verläuft bei Patienten prolongiert und die Höchstkonzentrationen im Serum werden nach 3 bis 6 Tagen erreicht.

Verteilung

Ropeginterferon alfa-2b findet sich hauptsächlich im Blutstrom und in der extrazellulären Flüssigkeit und weist ein Verteilungsvolumen im Steady-State (Vd) von 6,6 bis 17 Litern bei Patienten nach subkutanter Verabreichung (Dosisbereich 50 – 450 µg) auf. Bei gesunden Probanden wurde eine interindividuelle Variabilität von AUC und Cmax von 25 – 35% beobachtet.

Biotransformation

Der Metabolismus von Ropeginterferon alfa-2b ist nicht vollständig geklärt. Die Bindung von Interferon alfa-2b an eine verzweigte Polyethylenglycol-Komponente mit hohem Molekulargewicht (40 kDa) wird als Hauptursache für die Unterschiede bei der Elimination im Vergleich mit unpegylierten Interferonen angesehen. Studien an der Ratte mit einem ähnlichen Arzneimittel, das Interferon alfa enthält (pegyliertes Interferon alfa-2a), zeigten eine primäre Elimination über den Leberstoffwechsel. Der gleiche Eliminationsweg wird für Ropeginterferon alfa-2b vermutet. Studien zur Erfassung der pharmakokinetischen Wechselwirkungen mit pegyliertem Interferon alfa-2a beim Menschen zeigten einen moderaten inhibitorischen Effekt auf Substrate, die über CYP1A2 und CYP2D6 metabolisiert werden.

Elimination

Die Elimination von Ropeginterferon alfa-2b ist nicht vollständig beschrieben. Studien mit pegyliertem Interferon alfa-2a, haben gezeigt, dass die renale Exkretion eine wichtige Rolle spielt und dass die systemische Clearance von pegyliertem Interferon alfa-2a beim Menschen ungefähr 100 Mal niedriger ist als die von unpegyliertem Interferon alfa-2a. Nach subkutaner Mehrfachgabe (Dosisbereich 50 – 450 µg) beträgt die terminale Halbwertszeit von Ropeginterferon alfa-2b in Patienten ungefähr 6 bis 10 Tage, und die Clearance von Ropeginterferon alfa-2b beträgt 0,023 bis 0,061 l/h. Die Beteiligung von Transportproteinen an der Resorption, Verteilung und Elimination von Ropeginterferon alfa-2b ist unbekannt.

Linearität/Nicht-Linearität

In einer pharmakokinetischen Studie mit gesunden Probanden stieg die Cmax von Ropeginterferon alfa-2b proportional mit der Dosis an. Der festgestellte Anstieg der Exposition war überproportional. Die interindividuelle Variabilität von Ropeginterferon alfa-2b betrug 35 % (Cmax) und 25% (AUC).

Dosierung

Die empfohlene Dosierung gliedert sich in eine Titrations- und eine Erhaltungsphase:

Titrationsphase

Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 100 µg (bzw. 50 µg bei Patienten unter einer anderen zytoreduktiven Therapie) und wird individuell gesteigert. Empfohlen wird eine Steigerung um 50 µg alle zwei Wochen (parallel sollte, soweit möglich, die schrittweise Reduktion der anderen zytoreduktiven Therapie erfolgen), bis eine Stabilisierung der hamatologischen Parameter erzielt wird (Hamatokrit < 45 %, Thrombozyten < 400 × 109/l und Leukozyten < 10 × 109/l).
Die maximale empfohlene Einzeldosis beträgt 500 µg alle zwei Wochen.

Erhaltungsphase

Für die Erhaltungsphase sollte die Dosis gewählt werden, mit der eine Stabilisierung der hämatologischen Parameter erzielt wurde. Diese sollte für mindestens 1,5 Jahre mit einem Anwendungsintervall von 2 Wochen beibehalten werden. Danach kann die Dosis angepasst und/oder das Intervall auf bis zu vier Wochen verlängert werden.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen, die in klinischen Studien mit 178 erwachsenen Patienten mit Polycythaemia vera erfasst wurden, sind:

  • Leukopenie
  • Thrombozytopenie
  • Arthralgie
  • Fatigue
  • erhöhte Gamma-Glutamyltransferase
  • grippeähnliche Erkrankung
  • Myalgie
  • Pyrexie
  • Pruritus
  • erhöhte Alaninaminotransferase
  • Anämie
  • Schmerzen in den Extremitäten
  • Alopezie
  • Neutropenie
  • erhöhte Aspartataminotransferase
  • Kopfschmerzen
  • Diarrhoe
  • Schüttelfrost
  • Schwindel
  • Reaktion an der Injektionsstelle

Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen sind Depression (1,1%), Vorhofflimmern (1,1%) und akute Stressstörung (0,6%).

Wechselwirkungen

Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen mit Ropeginterferon alfa-2b durchgeführt.

Man geht davon aus, dass Enzyme des Proteinkatabolismus in den Metabolismus von Ropeginterferon alfa-2b involviert sind. Inwieweit Transportproteine an der Resorption,Verteilung und Elimination von Ropeginterferon alfa-2b beteiligt sind, ist jedoch unbekannt. Es ist bekannt, dass Interferon alfa die Aktivitat der Cytochrom P450 Isoenzyme CYP1A2 und CYP2D6 beeinflusst.

Folgende Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Ropeginterferon alfa-2b zu beachten:

  • Telbivudin ► bei Patienten mit Hepatitis B erhöhte sich das Risiko des Auftretens von peripheren Neuropathien. Die gleichzeitige Anwendung ist deshalb kontraindiziert.
  • CYP1A2-Substrate ► Vorsicht geboten, insbesondere mit solchen, die eine enge therapeutische Breite aufweisen, wie Theophyllin oder Methadon.
  • CYP2D6-Substrate (z. B. Vortioxetin, Risperidon) ► Vorsicht ist geboten, da Ropeginterferon alfa-2b die Aktivität von CYP1A2 und CYP2D6 hemmen und daher die Konzentration dieser Arzneimittel im Blut erhöhen kann
  • myelosuppressive/chemotherapeutische Wirkstoffe ► Vorsicht ist geboten
  • Narkotika, Hypnotika oder Sedativa ► müssen bei begleitender Anwendung von Ropeginterferon alfa-2b mit Vorsicht angewendet werden

Kontraindikation

Ropeginterferon alfa-2b darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Vorbestehende Schilddrüsenerkrankung, sofern sie nicht mit konventioneller Behandlung kontrolliert werden kann
  • Bestehende oder in der Vorgeschichte aufgetretene schwere psychiatrische Störungen, insbesondere schwere Depression, Suizidgedanken oder Suizidversuch
  • Schwere vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung
  • Vorgeschichte oder Bestehen einer Autoimmunerkrankung
  • Immunsupprimierte Transplantatempfänger
  • Kombination mit Telbivudin
  • Dekompensierte Leberzirrhose (Child-Pugh B oder C)
  • Terminale Niereninsuffizienz (GFR < 15 ml/min)

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Es gibt keine Daten über die Anwendung von Interferon alfa in der Schwangerschaft. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt und bei Primaten, die andere Interferon-alfa-haltige Arzneimittel erhalten haben, wurde eine Aborte induzierende Wirkung berichtet. Da Ropeginterferon alfa-2b die gleiche Wirkung haben könnte, wird die Anwendung während der Schwangerschaft nicht empfohlen.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Ropeginterferon alfa-2b in die Muttermilch übergeht. Da ein Risiko für das Neugeborene/Kind nicht ausgeschlossen werden kann, muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob die Behandlung mit Ropeginterferon alfa-2b abgebrochen bzw. auf diese verzichtet werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

Verkehrstüchtigkeit

Die Behandlung mit Ropeginterferon alfa-2b hat geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Wenn Schwindel, Somnolenz oder Halluzinationen auftreten, dürfen Patienten nicht Auto fahren und keine Maschinen bedienen.

Quelle:
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