Rucaparib
Der Wirkstoff Rucaparib wird zur Therapie von Ovarialkarzinomen (Eierstockkrebs) nach einer platinbasierten Chemotherapie angewendet. Das orphan drug ist ein PARP-Inhibitor und verhindert die Reparatur von DNA-Schäden in Krebszellen.
Rucaparib: Übersicht

Anwendung
Rucaparib besitzt folgende Indikationen:
- Monotherapie für die Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen mit platinsensitivem, rezidiviertem, high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder primärem Peritonealkarzinom, die nach platinbasierter Chemotherapie in Remission sind (vollständig oder partiell).
- Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit platinsensitivem, rezidiviertem oder progressivem, high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder Peritonealkarzinom mit BRCA-Mutationen (Keimbahn und/oder somatisch), die mit zwei oder mehr vorherigen platinbasierten Chemotherapielinien behandelt wurden und keine weitere platinhaltige Chemotherapie tolerieren.
Anwendungsart
Der Wirkstoff Rucaparib ist in Form von Filmtabletten in den Stärken 200, 250 und 300 mg auf dem deutschen Markt verfügbar.
Wirkmechanismus
Der Wirkstoff Rucaparib hemmt das Enzym Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP-Inhibitor) einschließlich PARP-1, PARP-2 und PARP-3, wodurch die Reparatur von DNA-Schäden in Krebszellen verhindert wird, welche durch eine Chemotherapie ausgelöst wurden. Deshalb werden PARP-Inhibitoren als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie eingesetzt.
Neben den DNA-Reparaturmechanismen durch das PARP-Enzym bestehen in gesunden Zellen weitere, alternative Mechanismen zur Behebung von Schäden der DNA. Diese funktionieren in neoplastischen Zellen mit BRCA-Mutationen jedoch nicht ordnungsgemäß, so dass die Krebszellen die Schäden in der DNA, die durch die Chemotherapie verursacht wurden, nicht reparieren können und absterben.
Pharmakokinetik
Die Plasmaexpositionen von Rucaparib, gemessen mittels Cmax und AUC, waren ungefähr dosisproportional bei den beurteilten Dosen (40 bis 500 mg täglich, 240 bis 840 mg zweimal täglich). Der Steady-State wurde nach einer Woche Anwendungsdauer erreicht. Nach wiederholter zweimal täglicher Dosierung betrug die Akkumulation basierend auf dem AUC-Wert das 3,5- bis 6,2-Fache.
Resorption
Die mittlere absolute orale Bioverfügbarkeit nach einer oralen Einzeldosis von 12 bis 120 mg Rucaparib betrug 36 Prozent. Die Wirkung von Nahrungsmitteln auf die Pharmakokinetik wurde als klinisch nicht signifikant angesehen, weshalb Rucaparib unabhängig von den Mahlzeiten gegeben werden kann.
Verteilung
Die in-vitro-Proteinbindung von Rucaparib liegt im menschlichen Plasma bei therapeutischen Konzentrationen bei 70,2 Prozent. Rucaparib verteilte sich vorzugsweise auf rote Blutzellen mit einem Quotienten der Blut-zu-Plasma-Konzentration von 1,83. Bei Krebspatienten hatte Rucaparib nach einer intravenösen Einzeldosis von 12 mg bis 40 mg Rucaparib ein Steady-State-Verteilungsvolumen von 113 l bis 262 l.
Biotransformation
In vitro wird Rucaparib vorwiegend von CYP2D6 und in etwas geringerem Ausmaß von CYP1A2 und CYP3A4 metabolisiert. In einer populationsbezogenen PK-Analyse wurden keine klinisch relevanten PK-Unterschiede bei Patienten mit unterschiedlichen CYP2D6-Phänotypen oder bei Patienten mit unterschiedlichen CYP-1A2-Phänotypen beobachtet. Die Ergebnisse sollten allerdings aufgrund begrenzter Repräsentation einiger Untergruppen von Phänotypen mit Vorsicht interpretiert werden.
Nach Verabreichung einer oralen Einzeldosis [14C]-Rucaparib an Patienten mit soliden Tumoren machte unverändertes Rucaparib 64 Prozent der Radioaktivität im Plasma aus. Die Hauptstoffwechselwege von Rucaparib sind:
- Oxidierung
- N-Demethylierung
- N-Methylierung
- Glucuronidierung
- N-Formylierung
Der am häufigsten vorkommende Metabolit war M324, ein oxidatives Desaminierungsprodukt von Rucaparib, das 18,6 Prozent der Radioaktivät im Plasma ausmachte. In vitro zeigte M324 eine mindestens 30-fach geringere Potenz gegenüber PARP-1, PARP-2 und PARP-3 als Rucaparib. Andere untergeordnete Metaboliten waren für 13,8 Prozent der Radioaktivität im Plasma verantwortlich. Rucaparib machte 44,9 Prozent bzw. 94,9 Prozent der Radioaktivität im Urin bzw. in den Fäzes aus; demgegenüber machte M324 50,0 Prozent bzw. 5,1 Prozent der Radioaktivität im Urin bzw. in den Fäzes aus.
Elimination
Die Clearance nach einer intravenösen Einzeldosis von 12 mg bis 40 mg Rucaparib reichte von 13,9 bis 18,4 l/Stunde. Nach Verabreichung einer oralen Einzeldosis [ 14C]-Rucaparib 600 mg an Patienten betrug die mittlere Wiederfindungsrate der Radioaktivität insgesamt 89,3 Prozent, wobei 288 Stunden nach der Einnahme die mittlere Wiederfindung 71,9 Prozent in den Fäzes und 17,4 Prozent im Urin betrug. Neunzig Prozent der beobachteten Wiederfindung in den Fäzes fanden sich innerhalb von 168 Stunden nach der Einnahme. Die mittlere Halbwertszeit (t1/2) von Rucaparib betrug 25,9 Stunden.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt 600 mg Rucaparib zweimal täglich (mit einem Abstand von ungefähr 12 Stunden), was einer Gesamttagesdosis von 1.200 mg entspricht, bis zur Krankheitsprogression oder zu nicht akzeptabler Toxizität.
Die Erhaltungstherapie sollte nicht später als 8 Wochen nach Anwendung der letzten Dosis des platinhaltigen Therapieregimes begonnen werden.
Wenn eine Patientin nach der Einnahme von Rucaparib erbricht, sollte die Dosis nicht erneut eingenommen werden, sondern erst die nächste planmäßige Dosis abgewartet werden.
Nebenwirkungen
Sehr häufig (≥ 1/10) sind unter der Anwendung von Rucaparib folgende Nebenwirkungen aufgetreten:
- Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie
- Verminderter Appetit, erhöhtes Kreatinin im Blut
- Dysgeusie, Schwindel
- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Dyspepsie, Schmerzen des Abdomens
- Erhöhte Alanin-Aminotransferase, erhöhte Aspartat-Aminotransferase
- Lichtempfindlichkeitsreaktion, Hautausschlag
- Müdigkeit, Fieber
Wechselwirkungen
Wirkung anderer Arzneimittel auf Rucaparib
In-vitro-Daten zeigten, dass CYP2D6 und in etwas geringerem Ausmaß CYP1A2 und CYP3A4 Rucaparib metabolisieren können. Bei gleichzeitiger Verwendung von starken CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren ist Vorsicht geboten.
In vitro wurde gezeigt, dass Rucaparib ein Substrat von P-gp und BCRP ist. Eine Wirkung von P-gp- und BRCP-Inhibitoren auf die Rucaparib-PK kann nicht ausgeschlossen werden. Wenn Rucaparib gleichzeitig mit Arzneimitteln, die starke P-gp-Inhibitoren sind, gegeben wird, ist Vorsicht geboten.
Wirkungen von Rucaparib auf andere Arzneimittel
Rucaparib ist ein schwacher Inhibitor von:
Rucaparib ist ein moderater Inhibitor von:
- CYP1A2
- OCT1
Rucaparib ist ein potenter Inhibitor von:
- MATE1
- MATE2-K
Rucaparib hemmt zudem marginal P-gp im Darm und regulierte bei klinisch relevanten Expositionen CYP2B6 in menschlichen Hepatozyten herunter. Außerdem ist Rucaparib ein Inhibitor des BCRP. Die klinische Relevanz einer UGT1A1-Inhibition durch Rucaparib ist nicht geklärt.
Folgende Wechselwirkungen sind möglich:
-
CYP1A2-Substrate (z. B. Tizanidin, Theophyllin) ► basierend auf entsprechender klinischer Überwachung können Dosisanpassungen in Betracht gezogen werden.
-
CYP2C9-Substrate (z. B. Warfarin, Phenytoin) ► Dosisanpassungen können in Betracht gezogen werden. Bei gleichzeitiger Gabe von Warfarin muss eine zusätzliche Überwachung der International Normalised Ratio (INR) in Betracht gezogen werden. Bei Phenytoin ist eine Überwachung des therapeutischen Arzneimittelspiegels in Betracht zu ziehen.
-
CYP3A4-Substrate (z. B. Alfentanil, Astemizol, Cisaprid, Ciclosporin, Dihydroergotamin, Ergotamin, Fentanyl, Pimozid, Chinidin, Sirolimus, Tacrolimus, Terfenadin) ► Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln, die CYP3A-Substrate mit einem engen therapeutischen Index sind. Bei klinischer Indikation können je nach beobachteten Nebenwirkungen Dosisanpassungen in Betracht gezogen werden.
-
P-gp-Substrate ► Bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die P-gp-Substrate sind, wird keine Dosisanpassung empfohlen.
-
Metformin ► Rucaparib ist ein potenter Inhibitor von MATE1 und MATE2-K, ein moderater Inhibitor von OCT1 und ein schwacher Inhibitor von OCT2. Da die Inhibition dieser Transporter die Ausscheidung von Metformin über die Nieren erhöhen und die Aufnahme von Metformin über die Leber verringern könnte, ist bei gleichzeitiger Anwendung von Metformin mit Rucaparib Vorsicht geboten.
-
Rosuvastatin (BCRP-Substrat) ► Rucaparib ist ein Inhibitor von BCRP, wodurch eine erhöhte Exposition von Rosuvastatin möglich ist.
- Irinotecan (UGT1A1-Substrat) ► Wenn Rucaparib bei Patienten mit UGT1A1*28 (schlechte Metabolisierer) gleichzeitig mit UGT1A1-Substraten angewendet wird, ist aufgrund einer möglichen Erhöhung der Exposition von SN-38 (dem aktiven Metaboliten von Irinotecan) und damit verbundenen Toxizitäten Vorsicht geboten.
Kontraindikation
Rucaparib besitzt folgende Gegenanzeigen:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Stillen
Schwangerschaft/Stillzeit
Schwangerschaft
Es liegen keine bzw. nur begrenzte Daten zur Anwendung von Rucaparib bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. Basierend auf dem Wirkmechanismus und auf präklinischen Daten kann Rucaparib bei der Anwendung bei schwangeren Frauen den Fötus schädigen und sollte deshalb während der Schwangerschaft grundsätzlich nicht angewendet werden, es sei denn, der klinische Zustand der Frau erfordert die Behandlung mit Rucaparib. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor Beginn der Behandlung einen Schwangerschaftstest durchführen.
Stillzeit
Es gibt keine tierexperimentellen Studien zum Übergang von Rucaparib in die Muttermilch. Es ist nicht bekannt, ob Rucaparib bzw. dessen Metaboliten in die Muttermilch ausgeschieden werden. Ein Risiko für das Neugeborene/den Säugling kann nicht ausgeschlossen werden, weshalb Rucaparib während der Stillzeit nicht angewendet werden darf.
Aufgrund des Potenzials schwerwiegender Nebenwirkungen von Rucaparib bei gestillten Säuglingen ist das Stillen während der Behandlung mit Rubraca und 2 Wochen lang nach der letzten Einnahme kontraindiziert.
Verkehrstüchtigkeit
Rucaparib hat geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Tritt während der Behandlung Müdigkeit, Übelkeit oder Schwindel auf, ist anzuraten, beim Führen eines Fahrzeugs oder Bedienen von Maschinen vorsichtig zu sein.
Alternativen
Rucaparib ist neben Olaparib und Niraparib der dritte in der EU zugelassene PARP-Inhibitor.
- Fachinformation Rubraca
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EMA, Rubraca