Setmelanotid
Setmelanotid ist ein Melanocortin-4 (MC4)-Rezeptoragonist zur Behandlung von Adipositas und zur Kontrolle des Hungergefühls im Zusammenhang mit genetisch bestätigtem Proopiomelanocortin (POMC)-Mangel. Aus POMC werden die Hormone Corticotropin und Melanotropin gebildet. Corticotropin ist ein Stimulator der Glucocorticoid-Produktion. Melanotropin wirkt als Agonist am MC4-Rezeptor appetitzügelnd.
Setmelanotid: Übersicht

Anwendung
Setmelanotid (Imcivree) ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren bei Adipositas und zur Kontrolle des Hungergefühls im Zusammenhang mit genetisch bestätigtem, durch Funktionsverlustmutationen bedingtem biallelischem Proopiomelanocortin(POMC)-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem Leptinrezeptor(LEPR)-Mangel.
Darüber hinaus wird Setmelanotid für andere seltene genetische Störungen im Zusammenhang mit Adipositas weiter erforscht, darunter das Bardet-Biedl-Syndrom, das Alström-Syndrom, POMC- und andere heterozygote Defizienz des MC4R-Signalwegs sowie epigenetische POMC-Erkrankungen.
Anwendungsart
Setmelanotid wird einmal täglich morgens als subkutane Injektion angewendet.
Wirkmechanismus
Setmelanotid ist ein Melanocortin-4 (MC4)-Rezeptoragonist zur Behandlung von extrem seltenen genetischen Störungen der Fettleibigkeit, die durch Proopiomelanocortin (POMC), Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 1 (PCSK1) oder Leptin-Rezeptor (LEPR)-Mangel ausgelöst werden. Diese Zustände führen zu Hyperphagie und schwerer Adipositas im Kindesalter.
Setmelanotid ist ein zyklisches Peptidanalogon aus 8 Aminosäuren des endogenen MC4-Rezeptorliganden Alpha-Melanozyten-stimulierendes Hormon (α-MSH).
Peripher abgeleitete regulatorische Hormone (z. B. Leptin) stimulieren die Expression von α-MSH über POMC, das Hunger, Sättigung und Energieverbrauch reguliert, indem es an MC4-Rezeptoren im Hypothalamus bindet.
Patienten mit einer Mutation im Gen, das POMC kodiert, leiden unter schwerer Hyperphagie aufgrund eines Mangels an hypothalamischem MSH, was zu früh einsetzender Fettleibigkeit führt. Bei Adipositas infolge von POMC-, PCSK1- und LEPR-Mangel in Verbindung mit unzureichender Aktivierung des MC4-Rezeptors stellt Setmelanotid die Aktivität des MC4-Rezeptor-Signalwegs wieder her, reduziert so den Hunger und fördert die Gewichtsabnahme durch eine geringere Kalorienaufnahme und einen erhöhten Energieverbrauch.
Dosierung
Die empfohlene Initialdosis beträgt für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren 1 mg Setmelanotid einmal täglich als subkutane Injektion über einen Zeitraum von zwei Wochen. Wenn der Wirkstoff gut vertragen wird kann die Dosis nach zwei Wochen auf 2 mg einmal täglich erhöht werden. Wenn die Dosiseskalation nicht vertragen wird, kann weiterhin die Dosis von 1 mg einmal täglich angewendet werden.
Wird eine zusätzliche Gewichtsabnahme bei erwachsenen Patienten gewünscht, kann die Dosis auf eine subkutane Injektion von 2,5 mg einmal täglich erhöht werden. Wenn die Dosis von 2,5 mg gut vertragen wird, kann die Dosis auf 3 mg einmal täglich erhöht werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen von Setmelanotid sind:
- Hyperpigmentierung (51%)
- Reaktionen an der Injektionsstelle (39%)
- Übelkeit (33%)
- Kopfschmerzen (26%)
Wechselwirkungen
Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Setmelanotid ein geringes Potenzial für pharmakokinetische Wechselwirkungen im Zusammenhang mit Cytochrom-P450, Transportern und Plasmaproteinbindung aufweist.
Kontraindikationen
Setmelanotid darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft
Für Setmelanotid liegen keine Erfahrungen bei der Anwendung in der Schwangerschaft vor. Tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf direkte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität. Die Verabreichung von Setmelanotid an trächtige Kaninchen führte jedoch zu einer verminderten Nahrungsaufnahme durch das Muttertier, was wiederum embryofetale Wirkungen nach sich zog.
Als Vorsichtsmaßnahme sollte Setmelanotid während der Schwangerschaft oder während des Versuchs, schwanger zu werden, nicht angewendet werden, da eine Gewichtsabnahme während der Schwangerschaft den Fötus schädigen könnte.
Wenn eine Patientin, die mit Setmelanotid behandelt wird, ein stabiles Gewicht erreicht hat und schwanger wird, sollte in Erwägung gezogen werden, die Behandlung mit Setmelanotid aufrechtzuerhalten, da die nichtklinischen Daten keine Hinweise auf eine Teratogenität ergaben. Wenn eine Patientin, die mit Setmelanotid behandelt wird und aktuell noch an Gewicht verliert, schwanger wird, ist Setmelanotid entweder abzusetzen oder die Dosis zu reduzieren und gleichzeitig eine Überwachung bezüglich der während der Schwangerschaft empfohlenen Gewichtszunahme durchzuführen. Der behandelnde Arzt sollte bei einer Patientin, die mit Setmelanotid behandelt wird, das Gewicht während der Schwangerschaft sorgfältig überwachen.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Setmelanotid in die Muttermilch übergeht. In einer nichtklinischen Studie wurde gezeigt, dass Setmelanotid in die Milch säugender Ratten übergeht. Im Plasma gesäugter Jungtiere wurden keine quantifizierbaren Setmelanotid-Konzentrationen nachgewiesen. Da ein Risiko für das neugeborene Kind / den Säugling nicht ausgeschlossen werden kann, muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Setmelanotid verzichtet werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Mutter zu berücksichtigen.
Verkehrstüchtigkeit
Setmelanotid hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Alternativen
Setmelanotid ist der erste und bisher einzige zugelassene Wirkstoff zur Behandlung von Adipositas und zur Kontrolle des Hungergefühls im Zusammenhang mit genetisch bestätigtem Proopiomelanocortin (POMC)-Mangel.
Wirkstoff-Informationen
- EMA: Fachinformation Imcivree
- Markham, A. Setmelanotide: First Approval. Drugs 81, 397–403 (2021). Februar 2021
- EMA: Imcivree
- EMA: Assessment report Imcivree, EMA/CHMP/319064/2021, 20. Mai 2021