Siponimod
Der Wirkstoff Siponimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor-Modulator und ist die erste orale Therapieoption für Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS). Siponimod ist eine Weiterentwicklung von Fingolimod.
Siponimod: Übersicht

Anwendung
Der Wirkstoff Siponimod wird angewendet zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS). Von sekundärer Progredienz spricht man, wenn die Erkrankung nach anfänglich schubförmigem Verlauf in ein langsames, kontinuierliches Fortschreiten übergeht. Die Krankheitsaktivität soll durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität nachgewiesen werden.
Bis zu 80 Prozent der Patienten mit schubförmig-remittierender MS (RRMS) entwickeln im Laufe der Erkrankung eine SPMS.
Anwendungsart
Siponimod ist in Form von Filmtabletten zugelassen und zum Einnehmen bestimmt. Die Filmtabletten können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.
Vor Behandlungsbeginn muss der CYP2C9-Metabolisierungsstatus des jeweiligen Patienten bestimmt werden.
Wirkmechanismus
Siponimod ist ein Modulator des S1P-Rezeptors. Der Wirkstoff bindet selektiv an die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren S1P-1 und S1P-5. Siponimod wirkt als funktioneller Antagonist auf den Rezeptor S1P-1 der Lymphozyten und verhindert so die Migration von Lymphozyten aus den Lymphknoten. Dies vermindert die Rezirkulation von T-Zellen ins ZNS und begrenzt dort die Entzündung. Nach Überwinden der Blut-Hirn-Schranke bindet Siponimod außerdem direkt an den S1P-5-Rezeptor auf Oligodendrozyten sowie Astrozyten und wirkt dadurch im Hirngewebe schädlichen immunologischen Prozessen entgegen. Gegenüber S1P-Modulatoren der ersten Generation zeichnet sich Siponimod durch eine erhöhte Rezeptorspezifität und günstigere pharmakokinetische Eigenschaften aus.
Pharmakokinetik
Resorption
Die Zeit (tmax) bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentrationen (Cmax) nach oraler Mehrfachgabe von Siponimod beträgt etwa 4 Stunden (Bereich: 2 bis 12 Stunden). Siponimod wird umfassend resorbiert und besitzt eine absolute orale Bioverfügbarkeit von ca. 84%. Der Steady State wird nach ungefähr 6 Tagen der einmal täglichen Mehrfachgabe von Siponimod erreicht.
Nahrungsaufnahme verändert die systemische Exposition nicht, so dass Siponimod unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden kann.
Verteilung
Siponimod verteilt sich mäßig im Körpergewebe, wobei das mittlere Verteilungsvolumen 124 Liter beträgt. Der im Plasma nachweisbare Anteil von Siponimod beträgt beim Menschen 68%. Siponimod überwindet leicht die Blut-Hirn-Schranke. Bei gesunden Probanden und Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörung liegt die Proteinbindung von Siponimod über 99,9%.
Biotransformation
Siponimod wird hauptsächlich durch das Cytochrom P450 2C9 (CYP2C9) (79,3%) und in einem geringeren Ausmaß durch das Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4) (18,5%) metabolisiert. Es wird davon ausgegangen, dass sich die pharmakologische Aktivität der Hauptmetaboliten M3 und M17 beim Menschen nicht auf die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Siponimod auswirkt. In-vitro-Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Siponimod und seine systemischen Hauptmetaboliten M3 und M17 bei der therapeutischen Dosierung von 2 mg einmal täglich mit keinem der untersuchten CYP-Enzyme und -Transporter ein Potenzial für klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen zeigen und keine klinische Untersuchung erfordern. CYP2C9 ist polymorph und der Genotyp hat Einfluss darauf, in welchem Ausmaß die beiden oxidativen Stoffwechselwege jeweils zur Gesamtelimination beitragen.
Elimination
Bei MS-Patienten beträgt die scheinbare systemische Clearance schätzungsweise 3,11 l/h und die scheinbare Eliminationshalbwertszeit liegt bei ca. 30 Stunden. Siponimod wird hauptsächlich durch Metabolisierung und anschließende biliäre/fäkale Elimination aus dem systemischen Kreislauf ausgeschieden. Im Urin wurde kein unverändertes Siponimod nachgewiesen.
Linearität
Nach mehrfacher einmal täglicher Anwendung von 0,3 bis 20 mg steigt die Konzentration von Siponimod offenbar dosisproportional an. Nach ca. 6 Tagen der einmal täglichen Gabe werden Steady-State-Plasmakonzentrationen erreicht und die Konzentrationen im Steady State entsprechen etwa dem 2-bis 3-Fachen nach der Anfangsdosis. Um nach 6-tägiger Gabe die therapeutische klinische Dosis von 2 mg Siponimod zu erreichen, wird ein Titrationsschema angewendet. Zum Erreichen der Steady-State-Plasmakonzentrationen sind weitere vier Behandlungstage erforderlich.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung von Siponimod richtet sich nach dem Genotyp des Patienten:
- Bei Patienten mit einem CYP2C9*3*3-Genotyp (langsame Metabolisierer, ungefähr 0,3 bis 0,4% der Bevölkerung) darf Siponimod nicht angewendet werden, da bei diesen Patienten die Anwendung von Siponimod zu deutlich erhöhten Plasmaspiegeln des Wirkstoffs führt.
- Bei Patienten mit einem CYP2C9*2*3- (1,4 bis 1,7% der Bevölkerung) oder -*1*3-Genotyp (9 bis 12% der Bevölkerung) beträgt die empfohlene Erhaltungsdosis 1 mg einmal täglich (vier Tabletten zu 0,25 mg).
- Bei allen Patienten mit anderem CYP2C9-Genotyp beträgt die empfohlene Erhaltungsdosis von Siponimod 2 mg.
Das genaue Dosistitrationsschema kann der Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Siponimod sind Kopfschmerzen (15%) und Hypertonie (12,6%).
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Siponimod zu beachten:
Aufgrund des Risikos für additive Wirkungen auf das Immunsystem, ist bei der Anwendung antineoplastischer, immunmodulatorischer oder immunsuppressiver Therapien Vorsicht geboten.
Patienten sollten während der Therapieeinleitung mit Siponimod, wegen potenziell additiven Effekten auf die Herzfrequenz nicht gleichzeitig mit folgenden Arzneimitteln behandelt werden:
- Antiarrhythmika der Klasse Ia (z. B. Chinidin, Procainamid) oder Klasse III (z. B. Amiodaron, Sotalol),
- QT-Intervall verlängernde Arzneimittel mit bekanntermaßen arrythmogenen Eigenschaften
- Calciumkanal-Blockern, die eine Abnahme der Herzfrequenz herbeiführen (z. B. Verapamil oder Diltiazem),
- Arzneimittel, die die Herzfrequenz senken können (z. B. Ivabradin oder Digoxin)
Attenuierten Lebendimpfstoffe können ein Infektionsrisiko beinhalten und sollten daher während der Behandlung mit Siponimod und bis zu 4 Wochen danach nicht angewendet werden.
Die gleichzeitige Anwendung von Siponimod und mäßigen CYP2C9- und mäßigen oder starken CYP3A4-Inhibitoren wird aufgrund einer signifikanten Zunahme der Siponimod-Exposition nicht empfohlen.
CYP2C9-und CYP3A4-Induktoren können zu einer Verringerung der Siponimid-Exposition führen.
Kontraindikation
Siponimod darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Erdnüsse, Soja oder einen der genannten sonstigen Bestandteile
- Immundefizienzsyndrom
- Anamnestisch bekannte Progressive Multifokale Leukenzephalopathie oder Kryptokokkenmeningitis
- Aktive maligne Erkrankungen
- Schwere Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse C)
- Patienten, die in den letzten 6 Monaten einen Myokardinfarkt (MI), eine instabile Angina pectoris, einen Schlaganfall/eine transitorische ischämische Attacke (TIA), eine dekompensierte Herzinsuffizienz (die eine stationäre Behandlung erforderte) oder eine Herzinsuffizienz der NYHA Klasse III/IV hatten
- Patienten mit einem anamnestisch bekannten AV-Block 2. Grades Mobitz Typ II, einem AV-Block 3.Grades, einer sinusatrialen Blockierung oder Sick-Sinus-Syndrom, wenn sie keinen Herzschrittmacher tragen
- Patienten, die homozygot für das CYP2C9*3-Allel sind (CYP2C9*3*3-Genotyp; langsame Metabolisierer)
- Schwangerschaft und Frauen im gebärfähigen Alter, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden
Schwangerschaft/Stillzeit
Siponimod während der Schwangerschaft kontraindiziert. Die Datenlage zu einer Anwendung von Siponimod in der Schwangerschaft ist begrenzt. Tierexperimentelle Studien haben eine Embryo- und Fetotoxizität sowie teratogene Wirkungen einschließlich embryofetaler Todesfälle und skelettaler oder viszerale Fehlbildungen gezeigt. Klinische Erfahrungen mit einem anderen S1P-Rezeptor-Modulator zeigen bei Anwendung während der Schwangerschaft ein 2-fach höheres Risiko für schwere angeborene Fehlbildungen im Vergleich zu der in der Allgemeinbevölkerung beobachteten Rate. Siponimod sollte mindestens 10 Tage vor der Planung einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Wenn eine Frau während der Behandlung schwanger wird, muss Siponimod abgesetzt werden.
Stillzeit
Siponimod sollte während der Stillzeit nicht angewendet werden. Es ist nicht bekannt ob Siponimod oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Bei Ratten wurden Siponimod und seine Metaboliten in die Milch ausgeschieden.
Verkehrstüchtigkeit
Zu Therapiebeginn mit Siponimod kann Schwindel auftreten. Daher sollten Patienten während des ersten Behandlungstags mit Siponimod weder ein Fahrzeug führen noch Maschinen bedienen. Danach hat Siponimod einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.
Alternativen
Siponimod ist in Deutschland unter dem Handelsnamen Mayzent zugelassen. Laut Novartis handelt es sich bei Siponimod um die erste zugelassene Therapieoption bei SPMS. Laut der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft ist Siponimod, der erste Wirkstoff, der in einer Phase-III-Studie das Fortschreiten einer sekundär progredienten Multiplen Sklerose (MS) verlangsamen konnte.
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Fachinformation Mayzent https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/mayzent-epar-product-information_de.pdf
- Dmsg Siponimod https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/news-article/News/detail/erstes-medikament-bei-sekundaer-progredienter-multipler-sklerose-siponimod-erhaelt-zulassung-in-den/news-pagination/6/?cHash=d0fc4076897d52c849be8299136065e5&L=0










