Sulfamethoxazol

Sulfamethoxazol ist ein orales Sulfonamid-Antibiotikum, das in Kombination mit Trimethoprim zur Behandlung einer Reihe von Infektionen der Harnwege, der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts eingesetzt wird.

Sulfamethoxazol

Anwendung

Sulfamethoxazol ist nur in Kombination mit Trimethoprim als sogenanntes Cotrimoxazol auf dem Markt und indiziert zur Behandlung von Trimethoprim/Sulfamethoxazol-empfindlichen Infektionserreger bei:

  • Infektionen der oberen und unteren Atemwege
  • Pneumocystis-Pneumonie (PCP)
  • Infektionen des HNO-Traktes (außer Streptokokken-Angina)
  • Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege einschließlich Kurzzeittherapie und Langzeitrezidivprophylaxe
  • Infektionen des weiblichen und männlichen Genitaltraktes einschließlich Prostatitis und Granuloma venereum (Syphilis wird nicht erfasst)
  • Infektionen des Magen-Darm-Trakts: Shigellose, Reisediarrhö, Typhus-Dauerausscheider

Bei folgenden Infektionen ist Cotrimoxazol (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) nur dann anzuwenden, wenn andere aktuell empfohlene Antibiotika nicht gegeben werden können:

  • Typhus
  • Paratyphus A und B
  • Salmonellenenteritis mit septischen Krankheitsverläufen bei abwehrgeschwächten Patienten
  • Brucellose
  • Nokardiose
  • nicht echt mykotisches Myzetom
  • südamerikanische Blastomykose

Wirkmechanismus

Sulfamethoxazol ist ein Sulfonamid, das die bakterielle Dihydrofolsäure-Synthese aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit dem endogenen Substrat, der Para-Aminobenzoesäure (PABA), hemmt. Die meisten Bakterien decken ihren Bedarf an Folsäure, indem sie diese aus PABA synthetisieren, im Gegensatz zu Säugetieren, die exogene Folsäurequellen benötigen.

Sulfamethoxazol hemmt konkurrierend die Dihydropteroat-Synthase, ein Enzym, das für die bakterielle Umwandlung von PABA in Dihydrofolsäure verantwortlich ist. Die Hemmung dieses Weges verhindert die Synthese von Tetrahydrofolat und letztlich die Synthese von bakteriellen Purinen und DNA, was zu einer bakteriostatischen Wirkung führt.

Pharmakokinetik

Resorption

  • Sulfamethoxazol wird nach oraler Anwendung rasch resorbiert und besitzt eine Bioverfügbarkeit von 85-90%.
  • Die Tmax beträgt nach oraler Verabreichung etwa 1-4 Stunden; die Cmax liegt im Steady-State bei 57,4 - 68,0 μg/ml.

Verteilung

  • Das Verteilungsvolumen von Sulfamethoxazol nach einer oralen Einzeldosis beträgt 13 L.
  • Sulfamethoxazol verteilt sich in Sputum, Vaginalflüssigkeit, Mittelohrflüssigkeit, Muttermilch und die Plazenta.
  • Sulfamethoxazol ist zu etwa 70% an Plasmaproteine gebunden, hauptsächlich an Albumin.

Metabolisierung

  • Der Metabolismus von Sulfamethoxazol wird in erster Linie durch Arylamin-N-Acetyltransferase (NAT)-Enzyme vermittelt, die für die Acetylierung von Sulfamethoxazol an seiner N4-Position verantwortlich sind.
  • Sulfamethoxazol kann auch an seinen C5- und N4-Atomen oxidiert werden, wobei letzteres durch CYP2C9 katalysiert wird.
  • Die Glucuronidierung des N4-Atoms, die wahrscheinlich durch nicht spezifizierte UGT-Enzyme vermittelt wird, ist ein weiterer kleinerer Metabolisierungsweg.
  • Keiner der identifizierten Metaboliten von Sulfamethoxazol scheint antimikrobielle Aktivität zu besitzen.
  • Der Hydroxylamin-Metabolit von Sulfamethoxazol, der durch Oxidation durch CYP2C9 entsteht, kann weiter in einen reaktiveren Nitroso-Metaboliten umgewandelt werden.

Elimination

  • Die Ausscheidung erfolgt in erster Linie durch glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion in den Nieren, wobei die Urinkonzentrationen im Allgemeinen deutlich höher sind als die Plasmakonzentrationen.
  • Etwa 84,5% einer oralen Einzeldosis Sulfamethoxazol werden innerhalb von 72 Stunden im Urin wiedergefunden, wovon ~30% freies Sulfamethoxazol und der Rest der N4-acetylierte Metabolit ist.
  • Die durchschnittliche Serumhalbwertszeit von Sulfamethoxazol beträgt 10 Stunden und kann bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion erhöht sein.
  • Die orale und renale Clearance von Sulfamethoxazol wurde auf 1,2 ± 0,2 bzw. 0,22 ± 0,05 L/h geschätzt.

Dosierung

Die Standarddosierung für Erwachsene und Jugendliche ab 13 Jahren beträgt 2-mal täglich 960 mg Cotrimoxazol. Für Kinder von 6 bis 12 Jahren werden 480 mg Cotrimoxazol 2-mal täglich empfohlen.

Anwendungsdauer

Die Dauer der Anwendung ist abhängig von der Grunderkrankung und vom Krankheitsverlauf. Als Richtwerte dienen folgende Angaben:

  • Bei bakteriellen Infektionskrankheiten richtet sich die Therapiedauer nach dem Verlauf der Erkrankung. Normalerweise ist eine Therapiedauer von 5-8 Tagen ausreichend.
  • Im Interesse eines nachhaltigen Therapieerfolges sollte Cotrimoxazol auch nach Abklingen der Krankheitserscheinungen noch 2-3 Tage länger eingenommen werden.
  • Bei der Therapie der Lungenentzündung hervorgerufen durch Pneumocystis jiroveci sollte eine Mindesttherapiedauer von 14 Tagen eingehalten werden.
  • Die Langzeitprophylaxe von Harnwegsinfektionen beträgt 3-12 Monate, erforderlichenfalls auch länger.

Nebenwirkungen

Häufig (≥1/100, <1/10) kann es bei der Anwendung von Cotrimoxazol zu folgenden Nebenwirkungen kommen:

  • Allergische Reaktionen unterschiedlichen Schweregrades wie Exantheme, Pruritus, Purpura, Photodermatose und Erythema nodosum
  • Glossitis
  • Gingivitis
  • Stomatitis
  • abnormer Geschmack
  • gastrointestinale Symptome in Form von epigastrischen Schmerzen
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Diarrhö

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen können bei der Anwendung von Cotrimoxazol auftreten:

Verminderte Wirkung von Cotrimoxazol

Die Wirkung von Cotrimoxazol wird durch die gleichzeitige Gabe folgender Wirkstoffe bzw. Wirkstoffklassen vermindert:

Verstärkte Wirkung von Cotrimoxazol

Die Wirkung von Cotrimoxazol wird bei gleichzeitiger Anwendung folgender Wirkstoffe verstärkt:

Eine erhöhte Toxizität von Cotrimoxazol kann auftreten bei gleichzeitiger Therapie mit:

Ein erhöhtes Kristallurie-Risiko im Rahmen einer Cotrimoxazol-Therapie kann auftreten bei:

  • gleichzeitiger Therapie mit Methenanim
  • Ansäuern des Urins z. B. mit Methenaminmandelat

Das Risiko für Blutbildveränderungen durch Cotrimoxazol wird verstärkt bei:

  • gleichzeitiger Gabe von pyrimethaminhaltigen Arzneimitteln in einer Dosis von mehr als 25 mg pro Woche.

Das Risiko des Auftretens eines Folsäuremangels im Rahmen der Therapie mit Cotrimoxazol kann durch gleichzeitige Gabe von Folsäureantagonisten (z. B. Methotrexat) gesteigert werden.

Wirkung auf andere Arzneistoffe:

  • Bei renal ausgeschiedenen Arzneimitteln besteht die Möglichkeit einer kompetitiven Hemmung, was zum Anstieg der Plasmakonzentration eines oder beider Wirkstoffe führen kann.
  • Ciclosporin: Bei gleichzeitiger Ciclosporin- und Cotrimoxazoltherapie kann es zur reversiblen Verschlechterung der Nierenfunktion kommen.
  • 6-Mercatopurin: Die 6-Mercatopurin-Resorption kann durch Cotrimoxazol gestört werden, was zu einer Einschränkung der antileukämischen Wirkung von 6-Mercatopurin führen kann.
  • Orale Antikoagulanzien (Cumarine): Es kann zu einer verstärkten hypothrombinämischen Wirkung kommen.
  • Orale Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe): die Wirkung kann verstärkt werden durch gleichzeitige Therapie mit Cotrimoxazol.
  • Diphenylhydantoin (Phenytoin): die Wirkung kann verstärkt werden durch gleichzeitige Therapie mit Cotrimoxazol.
  • Methotrexat: die Wirkung kann verstärkt werden durch gleichzeitige Therapie mit Cotrimoxazol.
  • Barbiturate: die Wirkung von kurz wirksamen intravenös zu verabreichende Barbituraten (z. B. Thiopental) kann verstärkt werden durch gleichzeitige Therapie mit Cotrimoxazol.
  • Digitoxin: Der Digitoxinspiegel bei älteren Patienten kann erhöht werden durch gleichzeitige Therapie mit Cotrimoxazol.
  • Megaloblastische Anämie: Die Wirksamkeit von Folsäure kann durch gleichzeitige Gabe von Cotrimoxazol vermindert oder gar aufgehoben werden.
  • Rifampicin: Die Rifampicin-Clearance kann durch Cotrimoxazol reduziert werden
  • Spironolacton: Die gleichzeitige Anwendung von Spironolacton und Cotrimoxazol kann zu einer klinisch relevanten Hyperkaliämie führen.
  • Prilocain: Die methämoglobinbildende Wirkung kann verstärkt werden.
  • Dapson: Auch hier besteht die Gefahr einer Methämoglobinämie. Zudem kann Trimethoprim die Plasmakonzentration und damit die unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Dapson erhöhen.
  • Lamivudin: Die Plasmaspiegel von Lamivudin können durch Cotrimoxazol erhöht werden.
  • Clozapin: Die gleichzeitige Verwendung von Clozapin und Cotrimoxazol erhöht das Risiko und die Schwere einer Knochenmarkssuppression und muss daher vermieden werden.

Kontraindikationen

Cotrimoxazol darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe, verwandte Stoffe (Trimethoprim-Analoga, z. B. Tetroxoprim)
  • Erythema exsudativum multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom, Toxisch epidermale Nekrolyse und Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (auch in der Anamnese)
  • pathologischen Blutbildveränderungen (Thrombozytopenie, Granulozytopenie, megaloblastische Anämie)
  • angeborenem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel der Erythrozyten, Hämoglobinanomalien wie Hb Köln und Hb Zürich
  • Nierenschäden oder hochgradiger Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min)
  • schweren Leberschäden oder Leberfunktionsstörungen (z. B. akute Hepatitis)
  • akuter Porphyrie
  • Säuglingen unter 6 Wochen
  • Frühgeborenen
  • Neugeborenen mit Hyperbilirubinämie oder Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel der Erythrozyten
  • Osteomyelitis: Diese Erkrankung ist zumeist durch Staphylokokken verursacht, gegen die Cotrimoxazol oft nicht ausreichend wirksam ist. 

Schwangerschaft

Cotrimoxazol sollte während der Schwangerschaft nur nach einer eingehenden Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Obwohl bisherige Erfahrungen keine Hinweise auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko beim Menschen ergeben haben, könnte wegen der Wirkung auf den Folsäurestoffwechsel ein solches Risiko vorhanden sein. Für vor der Geburt exponierte Neugeborene (besonders für Frühgeborene) besteht ein besonderes Risiko einer Hyperbilirubinämie.

Stillzeit

Die in der Muttermilch festgestellten Mengen an Wirkstoff sind gering und bedeuten in der Regel keine Gefährdung für den Säugling. Jedoch sollten Neugeborene und ebenso Säuglinge, die unter einem Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel leiden, vorsichtshalber nicht gestillt werden.

Verkehrstüchtigkeit

Sehr selten kommt es unter der Therapie mit Cotrimoxazol zu vorübergehender Myopie oder akuter Psychose, wodurch die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zur Bedienung von Maschinen beeinflusst werden kann.

Anwendungshinweise

Cotrimoxazol sollte nicht angewendet werden, bei

  • Überempfindlichkeit gegen Sulfonylharnstoff-Antidiabetika und Diuretika auf Sulfonamidbasis
  • leichteren Nieren- und Leberfunktionsstörungen
  • Schilddrüsenfunktionsstörungen
  • möglichem Folsäuremangel
  • fragilem X-Chromosom in Kombination mit geistiger Retardierung bei Kindern

Grippeartige Symptome, Halsentzündungen oder Fieber können Symptome einer Blutbildveränderung sein. Bei Auftreten dieser Symptome müssen sofort Blutbildkontrollen durchgeführt werden.

Bei Gabe der Standarddosis kann es ebenfalls zu einer Hyperkaliämie kommen, insbesondere aber im Zusammenhang mit einer eingeschränkten Nierenfunktion. Die gleichzeitige Anwendung von Cotrimoxazol zusammen mit Arzneimitteln, die bekanntermaßen eine Hyperkaliämie verursachen, z. B. Spironolacton, kann zu einer schweren Hyperkaliämie führen

Während der Therapie mit Cotrimoxazol ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten (bei Erwachsenen mindestens 1.200 ml Harnausscheidung pro Tag)

Weitere Warnhinweise können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.

Alternativen

Alternative Präparate für Cotrimoxazol sind alle Antibiotika, auf die die vorhandenen Erreger sensibel sind. Weitere Informationen zu dem jeweiligen Krankheitsbild mit dem auslösenden Erreger sind den jeweiligen Leitlinien zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
253.28 g·mol-1
Autor:
Stand:
07.02.2023
Quelle:
  1. Fachinformation Cotrim-ratiopharm
  2. DrugBank Sulfamethoxazole, abgerufen am 07.02.2023
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