Tagraxofusp

Tagraxofusp ist ein Fusionsprotein aus Interleukin-3 und einem Diphtherietoxin, das als Erstlinientherapie bei blastischen plasmazytoiden dendritischen Zellneoplasien (BPDCN) angewendet wird.

Anwendung

Das Fusionsprotein Tagraxofusp besitzt in den USA und der EU den Orphan Drug-Status und ist als Monotherapie zur Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit blastischer plasmazytoider dendritischer Zellneoplasie (BPDCN) indiziert. Bei der Erkrankung handelt es sich um ein aggressives hämatologisches Malignom, das typischerweise im Knochenmark und/oder der Haut, aber auch in Lymphknoten und Viszera auftritt.

Anwendungsart

Tagraxofusp ist als steriles Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung erhältlich. Nach dem Auftauen und Verdünnen mit 0,9%iger Natriumchloridlösung durch medizinisches Fachpersonal unter Einhaltung aseptischer Bedingungen, wird die Infusionslösung mithilfe einer Spritzenpumpe über 15 Minuten verabreicht. Der Wirkstoff muss über eine gesonderte intravenöse Leitung gegeben und darf nicht mit anderen Arzneimitteln gemischt werden. Dabei ist die Gesamtinfusionsdauer zu kontrollieren.

Wirkmechanismus

Tagraxofusp ist ein Fusionsprotein aus einem verkürzten Diphtherietoxin mit Interleukin 3 (IL-3), das durch rekombinante DNA-Technologie in Escherichia coli hergestellt wird. Der IL-3-Teil soll CD123-Rezeptormoleküle ansprechen, die in hoher Anzahl von BPDCN-Zellen exprimiert werden. Tagraxofusp wird über die IL-3/CD123-Rezeptorbindung an die Krebszellen gebunden und internalisiert, sodass das Toxin im Zellinneren freigesetzt wird. Dieses inaktiviert den Elongationsfaktor 2 (EF2), führt dadurch zur irreversiblen Hemmung der Proteinbiosynthese und löst somit die Apoptose aus. Damit wird die Ausbreitung des Krebses verhindert und die Symptome der Krankheit verringert.Tagraxofusp ist die erste auf CD123 zielgerichtete Therapie und besitzt in den USA und in der EU Orphan Drug-Status.

Pharmakokinetik

Resorption

Tagraxofusp wird als intravenöse Injektion verabreicht.

Verteilung (Distribution)

Nach Anwendung einer Dosis von 12 µg/kg als 15-minütige Infusion können maximale Plasmakonzentrationen an ungebundenem Tagraxofusp von etwa 162 µg/L erreicht werden. Das Verteilungsvolumen des ungebundenen Wirkstoffs liegt bei ca. 5,1 L.

Patienten mit bereits vorhandenen Anti-Drug-Antikörpern (ADA) gegen die Diphtherietoxin-Komponente haben niedrigere Plasmakonzentrationen von ungebundenem Tagraxofusp als Patienten ohne bereits vorhandene ADA. Aufgrund der Beschränkungen der bioanalytischen Methode bei Vorliegen von ADA können für diese Patienten keine quantitativen pharmakokinetischen Parameter angegeben werden.

Weiterhin ist aufgrund der Beschränkungen der bioanalytischen Methode der Nutzen der Konzentrationen von ungebundenem Tagraxofusp als Prädiktor für das Therapieansprechen begrenzt.

Metabolismus (Biotransformation)

Es wird erwartet, dass Tagraxofusp ohne Beteiligung von Cytochrom-P450-Enzymen oder Transportern durch Proteolyse zu Peptiden und seinen Aminosäurebestandteilen abgebaut wird.

Elimination

Die mittlere Clearance ungebundenen Wirkstoffs liegt bei etwa 7,1 L7h und die mittlere terminale Halbwertszeit bei 0,7 Stunden.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 12 µg/kg Tagraxofusp einmal täglich, infundiert über 15 Minuten. Der Wirkstoff wird an den ersten fünf Tagen eines 21-Tage-Zyklus verabreicht. Der Behandlungszeitraum kann bei Behandlungsverzögerungen bis zu Zyklustag 10 verlängert werden. Die Zyklen werden wiederholt bis die Krankheit fortschreitet oder die Patienten inakzeptable Nebenwirkungen zeigen.

Dosisanpassung

Vor der Zubereitung jeder Dosis Tagraxofusp sind die Vitalparameter sowie die Albumin-, Transaminasen- und Kreatinin-Werte zu kontrollieren. Bei wesentlichen Veränderungen ist eine Dosisanpassung oder Unterbrechung der Behandlung gemäß den Angaben der Fachinformation zu veranlassen.

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen Nebenwirkungen traten bei ≥ 20% der mit Tagraxofusp behandelten Patienten auf.

  • Hypoalbuminämie
  • Transaminasenanstiege
  • Thrombozytopenie
  • Übelkeit
  • Fatigue
  • Pyrexie

Nebenwirkungen von Grad 3 und höher nach den CTCAE-Kriterien (Common Terminology Criteria for Adverse Events), die bei mehr als 5% der Patienten auftraten, waren

  • Transaminasenanstiege
  • Thrombozytopenie
  • Anämie

Die schwerwiegendste Nebenwirkung, die während der Behandlung mit Tagraxofusp auftreten kann, ist ein Kapillarlecksyndrom (CLS), das bei 18% der Patienten gemeldet wurde, wobei die meisten Ereignisse während der ersten fünf Tage des ersten Behandlungszyklus auftraten.

Tagraxofusp kann zudem ein Tumorlysesyndrom (TLS) verursachen das aufgrund seiner schnellen Antitumorwirkung tödlich sein kann.

Wechselwirkungen

Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt.

Kontraindikation

Tagraxofusp darf bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff nicht angewendet werden.

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Bisher liegen keine Erfahrungen mit der Anwendung von Tagraxofusp bei Schwangeren vor und es wurden keine tierexperimentellen Reproduktionsstudien durchgeführt. Daher darf Tagraxofusp während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, außer es ist aufgrund des klinischen Zustands der Frau erforderlich.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Tagraxofusp oder seine Metabolite in die Muttermilch übergehen. Da ein Risiko für den Säugling nicht ausgeschlossen werden kann, sollte das Stillen während der Behandlung mit Tagraxofusp und für mindestens eine Woche nach der letzten Dosis unterbrochen werden.

Verkehrstüchtigkeit

Tagraxofusp hat keinen bzw. einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Anwendungshinweise

Nach dem Auftauen darf Tagraxofusp nicht wieder eingefroren werden. Die verdünnte Lösung ist sofort nach der Zubereitung zu verwenden. Der Wirkstoff darf nicht als intravenöse Druck- oder Bolusinjektion gegeben werden. Vor der Infusion muss ein venöser Zugang hergestellt und mittels 0,9%iger Natriumchloridlösung für Injektionen aufrechterhalten werden.

Vormedikation

Etwa eine Stunde vor jeder Infusion sollten den Patienten ein H1-Antihistaminikum (z. B. Diphenhydramin), ein H2-Antihistaminikum (z. B. Ranitidin), ein Kortikosteroid (z. B. 50 mg intravenöses Methylprednisolon) und Paracetamol erhalten, um das Risiko allergischer Reaktionen zu verringern.

Überwachung

Tagraxofusp sollte nur unter Aufsicht eines Arztes verabreicht werden, der Erfahrung mit der Anwendung von Krebsmedikamenten hat, und zwar in einem Umfeld, in dem eine geeignete Reanimationsausrüstung verfügbar ist.

Der erste Zyklus wird in einem Krankenhaus durchgeführt und die Patienten sollten nach der letzten Infusion mindestens 24 Stunden lang auf Nebenwirkungen überwacht werden. Nachfolgende Zyklen können ambulant in Zentren durchgeführt werden, die für die intensive Überwachung von Patienten, die wegen Blutkrebs behandelt werden, ausgestattet sind.

Kapillarlecksyndrom

Die schwerwiegendste Nebenwirkung, die während der Behandlung mit Tagraxofusp auftreten kann, ist ein Kapillarlecksyndrom (CLS). Daher sollte vor Beginn der Therapie sichergestellt werden, dass die Patienten ausreichende Herzfunktion und Serumalbumin 3,2 g/dl haben. Während der Behandlung sollten die Serumalbumin-Werte vor Beginn jeder Dosis oder wenn nötig häufiger kontrolliert werden. Zusätzlich sollten die Patienten auf andere Anzeichen/Symptome von CLS untersucht werden. Die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, wie sie die CLS-Symptome erkennen und wann sie sofort einen Arzt aufsuchen sollten. Intravenöse Albumin-Ergänzung und Dosierungsunterbrechungen können erforderlich sein.

Alternativen

Tagraxofusp ist derzeit das einzige speziell für BPDCN zugelassene Arzneimittel. Da nicht bekannt ist, ob der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke passiert, sollten bei Vorliegen einer ZNS-Erkrankung andere Behandlungsmöglichkeiten erwogen werden. Da die Mehrheit der Patienten eine fortgeschrittene Erkrankung aufweist, sollte eine frühzeitige und aggressive Therapie in Betracht gezogen werden. Die Ansprechraten bei BPDCN-Patienten sind für Chemotherapie-Regimes bei akuten Leukämien (akute lymphatische Leukämie, ALL und akute myeloische Leukämie, AML) recht hoch. Allerdings kommt es hierbei auch häufig zu Rezidiven. Eine Hochdosis-Chemotherapie gefolgt von einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation bietet die Möglichkeit einer langfristigen Remission und ist potenziell kurativ. Jedoch kann eine Transplantation zu einem späten Zeitpunkt, weit nach dem ersten vollständigen Ansprechen einen negativen Einfluss auf das Gesamt- und progressionsfreie Überleben haben, daher sind hierbei Zeitpunkt und Patientenselektion besonders zu beachten.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

 

Autor:
Stand:
22.06.2021
Quelle:
  1. EMA: Fachinformation Elzonris
  2. Sullivan, Rizzieri, Treatment of blastic plasmacytoid dendritic cell neoplasm, Hematology Am Soc Hematol Educ Program (2016) 2016 (1): 16–23, DOI: 10.1182/asheducation-2016.1.16 https://doi.org/10.1182/asheducation-2016.1.16
  3. Menarini Gruppe, Pressemeldung, 23.01.2021
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1 Präparate mit Tagraxofusp