Tioguanin

Tioguanin (auch 6-Thioguanin) ist ein Purinanalogon aus der Gruppe der Antimetabolite, das zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML) und der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) indiziert ist. Seine Wirkung beruht auf der Hemmung der Purinbiosynthese und der Purinnukleotid-Interkonversionen.

Tioguanin

Anwendung

Anwendungsgebiete von Tioguanin sind die:

Wirkmechanismus

Tioguanin ist ein 6-Thiopurin-Analogon der natürlich vorkommenden Purinbasen Hypoxanthin und Guanin und gehört zur Wirkstoffgruppe der sogenannten Antimetabolite. Diese tarnen sich als Purin oder Pyrimidin, die zu den Bausteinen der DNA gehören und in diese eingeaut werden. Antimetabolite verhindern, dass Purine oder Pyrimidine während der "S"-Phase des Zellzyklus in die DNA eingebaut werden, wodurch die normale Entwicklung und Teilung gestoppt wird.

Tioguanin konkurriert mit Hypoxanthin und Guanin um das Enzym Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRTase) und wird selbst zu 6-Thioguanilsäure (TGMP) umgewandelt, die bei therapeutischen Dosen hohe intrazelluläre Konzentrationen erreicht. TGMP stört die Synthese von Guaninnukleotiden durch seine Hemmung der Purinbiosynthese durch Pseudofeedback-Hemmung von Glutamin-5-phosphoribosylpyrophosphat-Amidotransferase, dem ersten Enzym, das für den de novo-Weg der Purin-Ribonukleotid-Synthese essenziellist. Darüber hinaus hemmt TGMP die Umwandlung von Inosinsäure (IMP) zu Xanthylsäure (XMP) durch Konkurrenz um das Enzym IMP-Dehydrogenase.

Tioguaninnukleotide werden sowohl in die DNA als auch in die RNA durch Phosphodiesterbindungen eingebaut; Hierzu haben einige Studien gezeigt, dass der Einbau solcher falscher Basen zur Zytotoxizität beiträgt.

Insgesamt können die tumorhemmenden Eigenschaften von Tioguanin auf eine oder mehrere dieser Wirkungen zurückzuführen sein: Hemmung von Purinnukleotid-Umwandlungen; oder Einbau in die DNA und RNA. Das Gesamtergebnis seiner Wirkung beruht schließlich aber auf der sequenziellen Blockade der Nutzung und Synthese von Purinnukleotiden.

Tioguanin

Pharmakokinetik

Resorption

  • Nach oraler Anwendung ist die Resorption von Tioguanin unvollständig sowie variabel und beträgt im Durchschnitt etwa 30% der verabreichten Dosis (Bereich: 14% bis 46%).

Metabolisierung

  • Tioguanin wird in der Leber zunächst in 6-Thioguanilsäure (TGMP) umgewandelt.
  • TGMP wird weiter in die Di- und Triphosphate Thioguanosindiphosphat (TGDP) und Thioguanosintriphosphat (TGTP) durch dieselben Enzyme metabolisiert, welche auch Guaninnukleotide metabolisieren.

Elimination

  • Wenn Tioguanin in Einzeldosen von 65 bis 300 mg/m2 verabreicht wurde, betrug die mediane Plasmahalbwertszeit 80 Minuten (Bereich 25–240 Minuten).

Dosierung

Die Dosis von Tioguanin richtet sich nach Art und Dosis der anderen Zytostatika, die im Rahmen der Kombinationstherapie verabreicht werden:

Akute myeloische Leukämie (AML)

  • Induktionstherapie: Üblicherweise wird  Tioguanin im Rahmen des sog. TAD-Schemas, bestehend aus Tioguanin, Ara-C (Cytarabin) und Daunorubicin, verabreicht. Die übliche Tioguanin-Dosis beträgt 100 mg/m2 alle 12 Stunden, die Anzahl der Therapietage richtet sich nach dem jeweiligen Behandlungsprotokoll.
  • Konsolidierung: Üblicherweise wird Tioguanin erneut im Rahmen des TAD-Schemas verabreicht. Die optimale Zahl an Zyklen wurde noch nicht bestimmt. Einzelheiten über die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten sollten der entsprechenden Literatur entnommen werden.

Akute lymphatische Leukämie (ALL)

  • Konsolidierung/Intensivierung: Üblicherweise beträgt die Dosierung 60 mg/m2/Tag, die Anzahl der Therapietage richtet sich nach dem jeweiligen Behandlungsprotokoll.

Nebenwirkungen

Die hauptsächliche Nebenwirkung einer Behandlung mit Tioguanin besteht in einer Knochenmarksdepression, die zu Leukopenie und Thrombozytopenie führen kann. Seltener wurde über Anämie berichtet. Die Knochenmarkssuppression ist reversibel, wenn das Arzneimittel früh genug abgesetzt wird.

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen sind bei der Behandlung mit Tioguanin zu beachten:

  • Lebendimpfstoffe: Eine Immunisierung immunsupprimierter Patienten mit Lebendimpfstoffen wird nicht empfohlen.
  • Andere knochenmarktoxische Zytostatika oder Bestrahlung: Verstärkung der Myelotoxizität von Tioguanin möglich.
  • Busulfan: Bei Kombination ist es zu nodulärer Hyperplasie der Leber, portaler Hypertension und Ösophagusvarizen gekommen.
  • Allopurinol: Im Gegensatz zu Mercaptopurin oder Azathioprin führt die gleichzeitige Gabe von Tioguanin mit Allopurinol zur Unterdrückung der Harnsäurebildung zu keinen klinisch relevanten Wechselwirkungen. Eine Verringerung der Tioguanin-Dosis ist daher nicht erforderlich.
  • Aminosalicylsäurederivate, wie z. B. Olsalazin, Mesalazin oder Sulfasalazin: Thiopurinmethyltransferase(TPMT)-Hemmung möglich, weshalb Aminosalicylsäurederivate nur mit Vorsicht gleichzeitig mit Tioguanin angewendet werden sollten.

Kontraindikationen

Tioguanin darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff.

Im Hinblick auf die schwerwiegenden Indikationen gibt es für Thioguanin keine weiteren absoluten Kontraindikationen.

Alternativen

Weitere Purin-Analoga sind neben Tioguanin sind:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
167.19 g·mol-1
Quelle:
  1. Fachinformation Thioguanin-Aspen
  2. Drugbank: Tioguanine, abgerufen am 10.06.2022
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