Tirbanibulin
Tirbanibulin ist ein neuartiger, topischer Mikrotubuli-Inhibitor first-in-class mit einem selektiven antiproliferativen Wirkmechanismus. Die Salbe ist indiziert für die Feldtherapie nicht-hyperkeratotischer, nicht-hypertropher aktinischer Keratosen im Gesicht oder auf der Kopfhaut bei Erwachsenen.
Tirbanibulin: Übersicht

Anwendung
Tirbanibulin ist unter dem Präparatenamen Klisyri als Salbe indiziert für die Feldtherapie nicht-hyperkeratotischer, nicht-hypertropher aktinischer Keratosen (Olsen-Grad I) im Gesicht oder auf der Kopfhaut bei Erwachsenen.
Aktinische Keratosen sind rötliche, manchmal auch hautfarbene, fest haftende Rauigkeiten der Hautoberfläche, die als Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms bzw. als ganz frühes Plattenepithelkarzinom gelten. Ursächlich ist eine Mutation im tumorunterdrückenden Gen p53, die durch UV-Strahlung in den Hautzellen hervorgerufen werden kann.
Anwendungsart
- Tirbanibulin-Salbe ist nur für die äußerliche Anwendung bestimmt. Ein Kontakt mit den Augen, Lippen und dem Inneren der Nasenlöcher oder Ohren sollte vermieden werden.
- Das Behandlungsareal sollte vor der Anwendung mit Wasser und einer milden Seife gereinigt und dann abgetrocknet werden. Etwas Salbe sollte aus dem Einmalbeutel auf eine Fingerspitze gedrückt werden und eine dünne Schicht gleichmäßig auf das gesamte Behandlungsareal von bis zu maximal 25 cm2 aufgetragen werden.
- Das Auftragen der Salbe sollte täglich ungefähr zur gleichen Uhrzeit erfolgen und das behandelte Areal über einen Zeitraum von ca. 8 Stunden nicht gewaschen oder berührt werden.
- Vor und direkt nach dem Auftragen der Salbe sollten die Hände mit Wasser und Seife gewaschen werden.
Wirkmechanismus
Tirbanibulin ist ein Mikrotubuli- und Src-Tyrosinkinaseinhibitor. Durch seine direkte Bindung an Tubulin inhibiert Tirbanibulin die Tubulinpolymerisation, wodurch es zu einer Unterbrechung des Zellzyklus und zum apoptotischen Tod proliferierender Zellen kommt. Darüber hinaus unterbricht der Wirkstoff den Src-Signalweg in sich aktiv teilenden Zellen. Die Tyrosinkinase Src (von engl. Sarcoma) gilt als Onkogen, das an der malignen Transformation von Zellen beteiligt ist.
Pharmakokinetik
Resorption
- Bei 18 Patienten mit aktinischen Keratosen wurde nach einer einmal täglichen topischen Anwendung mit Tirbanibulin-Salbe über fünf aufeinanderfolgende Tage auf einem Bereich von 25 cm2 eine minimale Resorption ermittelt.
- Die Plasmakonzentrationen von Tirbanibulin waren niedrig und stabil (mittlere Höchstkonzentration [Cmax] von 0,258 ng/ml oder 0,598 nM und AUC0-24 Std. von 4,09 ng∙h/ml).
Verteilung
Die Proteinbindung von Tirbanibulin an Humanplasmaproteine beträgt etwa 88%.
Biotransformation
- In vitro wird Tirbanibulin hauptsächlich von CYP3A4 metabolisiert und in geringerem Maße von CYP2C8.
- Die metabolischen Hauptwege sind N-Debenzylierung und Hydrolysereaktionen.
- Die relevantesten Metaboliten wurden bei Patienten mit aktinischen Keratosen in einer pharmakokinetischen Studie mit maximaler Anwendung charakterisiert und zeigten eine minimale systemische Exposition.
- In-vitro-Studien zeigen, dass Tirbanibulin Cytochrom-P450-Enzyme weder inhibiert noch induziert und dass es bei maximaler klinischer Exposition keine hemmende Wirkung auf Efflux- und Aufnahmetransporter hat.
Elimination
Die Elimination von Tirbanibulin wurde beim Menschen nicht vollständig charakterisiert.
Dosierung
- Tirbanibulin-Salbe sollte in einer dünnen Schicht auf das Behandlungsareal von bis zu 25 cm2 über einen Behandlungszyklus von fünf aufeinanderfolgenden Tagen einmal täglich auf das Behandlungsareal im Gesicht oder auf der Kopfhaut aufgetragen werden.
- Rund acht Wochen nach Behandlungsbeginn kann der therapeutische Effekt beurteilt werden: Ist das behandelte Areal zum Zeitpunkt der Verlaufskontrolle nicht vollständig abgeheilt, sollte die Behandlung neu bewertet und überprüft werden.
- Es liegen keine klinischen Daten vor für mehr als einen Behandlungszyklus bestehend aus fünf aufeinanderfolgenden Behandlungstagen. Falls ein Rezidiv oder neue Läsionen innerhalb des Behandlungsareals auftreten, sollten andere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren lokale Hautreaktionen. Diese umfassten an der Applikationsstelle unter anderem:
- Erytheme (91%)
- Schuppenbilung/Schuppung (82%)
- Verkrustung (46%)
- Schwellung (39%)
- Erosion/Ulzeration (12%)
- Bläschen-/Pustelbildung (8%)
Darüber hinaus wurde über Juckreiz (9,1%) und Schmerzen (9,9%) im Behandlungsareal berichtet.
Wechselwirkungen
In Anbetracht der topischen Applikationsform, der kurzen Behandlungsdauer von fünf Tagen, der niedrigen systemischen Exposition (Mittelwert von Cmax im subnanomolaren Bereich) und der in-vitro-Daten gibt es bei maximaler klinischer Exposition nur ein geringes Potenzial für Wechselwirkungen mit Tirbanibulin-Salbe.
Kontraindikationen
Tirbanibulin darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.
Schwangerschaft
Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Tirbanibulin bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt, weshalb die Anwendung von Tirbanibulin-Salbe während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen wird.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Tirbanibulin/die Metaboliten in die Muttermilch übergeht/übergehen. Da ein Risiko für das Neugeborene/den Säugling nicht ausgeschlossen werden kann ist zu entscheiden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Tirbanibulin-Salbe verzichtet werden soll/die Behandlung mit Tirbanibulin-Salbe zu unterbrechen ist. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Verkehrstüchtigkeit
Tirbanibulin-Salbe hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Unsachgemäße Anwendung
Ein Kontakt mit den Augen soll unbedingt vermieden werden, da Tirbanibulin-Salbe Augenreizungen hervorrufen kann. Falls es zu einem versehentlichen Kontakt mit den Augen kommt, sollten die Augen sofort mit reichlich Wasser gespült werden und der Patient so bald wie möglich einen Arzt aufsuchen.
Tirbanibulin-Salbe darf nicht verschluckt werden. Bei versehentlichem Verschlucken der Salbe sollte der Patient reichlich Wasser trinken und einen Arzt aufsuchen.
Tirbanibulin-Salbe darf nicht im Inneren der Nasenlöcher, in den Ohren oder auf den Lippen angewendet werden.
Die Anwendung von Tirbanibulin-Salbe wird erst empfohlen, nachdem die Haut von einer etwaigen vorherigen Behandlung mit einem Arzneimittel oder Verfahren oder einer chirurgischen Behandlung abgeheilt ist. Die Salbe darf nicht auf offene Wunden oder verletzte Haut aufgetragen werden, bei der die Hautbarriere geschädigt ist.
Lokale Hautreaktionen
Nach einer topischen Anwendung von Tirbanibulin-Salbe können lokale Hautreaktionen im Behandlungsareal, einschließlich Erythem, Schuppenbildung/Schuppen, Krustenbildung, Schwellung,
Erosion/Ulzeration und Bläschen-/Pustelbildung, auftreten. Der Behandlungseffekt kann eventuell erst angemessen beurteilt werden, wenn die lokalen Hautreaktionen abgeklungen sind.
Sonnenexposition
Aufgrund der Art der Erkrankung ist eine übermäßige Exposition gegenüber Sonnenlicht (einschließlich Höhensonne und Solarium) zu vermeiden oder zu minimieren.
Immunsupprimierte Patienten
Tirbanibulin-Salbe sollte bei immunsupprimierten Patienten mit Vorsicht angewendet werden.
Progressionsrisiko zu Hautkrebs
Veränderungen im Erscheinungsbild der aktinischen Keratose könnten auf eine Progression zu invasivem Plattenepithelkarzinom hindeuten. Eine für aktinische Keratose klinisch atypische Läsion
oder ein Verdacht auf eine maligne Erkrankung sollten entsprechend abgeklärt werden.
Alternativen
Bei der Behandlung von aktinischen Keratosen kommen unter anderem die Operation, die Kältetherapie (Kryotherapie) mit flüssigem Stickstoff, die Lasertherapie und die photodynamische Therapie (PDT) zum Einsatz. Darüber hinaus haben verschiedene Wirkstoffe ihre Wirksamkeit in der lokalen Anwendung bewiesen. Beispiele sind Diclofenac, 5-Fluorouracil, Imiquimod und die PDT(konventionell oder mit Tageslicht). Für die PDT zugelassene Arzneimittel zur Therapie von aktinischen Keratosen sind zwei Stoffwechselvorläufer des Photosensibilisators Protoporphyrin IX, 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) und ihr Methylester Methyl-5-amino-4-oxopentanoat (MAOP). Welche Behandlungsform im jeweiligen Fall am besten geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und muss im gemeinsamen Gespräch zwischen Arzt und Patient entschieden werden.