Tisagenlecleucel

Bei Tisagenlecleucel handelt es sich um eine CAR-T-Zelltherapie mit patienteneigenen T-Zellen, die durch Genmodifikation so verändert wurden, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren. Das personalisierte Arzneimittel wird angewendet für die Behandlung einer akuten lymphatischen B-Zell-Leukämie sowie bei einem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom.

Anwendung

Tisagenlecleucel ist unter dem Präparatenamen Kymriah seit August 2018 in der EU zugelassen und wird angewendet zur Behandlung von:

  • Kindern, Jugendlichen und jungen erwachsenen Patienten im Alter bis zu 25 Jahren mit refraktärer oder rezidivierter (Rezidiv nach Transplantation oder zweites oder späteres Rezidiv) akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL)
  • Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) nach zwei oder mehr Linien einer systemischen Therapie

Anwendungsart

Tisagenlecleucel ist nur zur autologen Anwendung bestimmt und darf nur intravenös angewendet werden. Die Herstellung und die Freigabe dauern im Allgemeinen 3 bis 4 Wochen.

Wirkmechanismus

Tisagenlecleucel ist eine mit autologen Immunzellen durchgefuhrte Krebstherapie, bei der eine Umprogrammierung der T-Zellen des Patienten mit Hilfe eines Transgens erfolgt, das einen chimären Antigenrezeptor (chimeric antigen receptor, CAR) kodiert, um CD19-exprimierende Zellen zu erkennen und zu eliminieren. Der CAR besteht aus einem murinen Einzelketten-Antikorperfragment, welches CD19 erkennt und mit den intrazellularen Signaldomanen 4-1BB (CD137) und CD3-zeta verbunden ist. Die Komponente CD3-zeta ist wichtig für die Einleitung der T-Zell-Aktivierung und die antitumorale Aktivität, während 4-1BB die Expansion und Persistenz von Tisagenlecleucel verbessert. Nach der Bindung an CD19-exprimierende Zellen übermittelt CAR ein Signal, welches die T-Zell-Expansion und die Persistenz von Tisagenlecleucel fördert.

Pharmakokinetik

Verteilung
Bei pädiatrischen und jungen erwachsenen Patienten mit B-Zell-ALL war Tisagenlecleucel länger als zwei Jahre im Blut und Knochenmark nachweisbar. An Tag 28 befanden sich im Vergleich zum Blut 47,2% Tisagenlecleucel im Knochenmark, während der Anteil im Knochenmark in den Monaten 3 und 6 bei 68,3% bzw. 69% lag (Studien B2202 und B2205J). Bei pädiatrischen und jungen Erwachsenen mit B-Zell-ALL (Studie B2101J) geht Tisagenlecleucel auch in die Zerebrospinalflüssigkeit über und verbleibt dort bis zu einem Jahr.
Bei erwachsenen DLBCL-Patienten (Studie C2201) wurde Tisagenlecleucel bis zu drei Jahre lang im peripheren Blut und bei Patienten mit vollständigem Ansprechen bis zu neun Monate im Knochenmark nachgewiesen. An Tag 28 befanden sich sowohl bei Respondern als auch bei Nicht-Respondern etwa 70% im Knochenmark (im Vergleich zur Menge im Blut), während es nach drei Monaten 50% waren.

Elimination
Das Eliminationsprofil von Tisagenlecleucel umfasst eine biexponentielle Abnahme im peripheren Blut und Knochenmark.

Linearität/Nicht-Linearität
Es gibt keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen AUC0 – 28d oder Cmax und der Dosis.

Dosierung

Dosierung bei Kindern, Jugendlichen und jungen erwachsenen Patienten mit B-Zell-ALL

  • Bei Patienten mit einem Körpergewicht bis zu 50 kg: 0,2 bis 5 × 106 CAR-positive lebensfähige T-Zellen/kg Körpergewicht.
  • Bei Patienten mit einem Körpergewicht über 50 kg: 0,1 bis 2,5 × 108 CAR-positive lebensfähige T-Zellen (unabhängig vom Körpergewicht).

Dosierung bei erwachsenen DLBCL-Patienten

  • 0,6 bis 6 × 108 CAR-positive lebensfähige T-Zellen (unabhängig vom Körpergewicht).

Konditionierung vor der Behandlung (Chemotherapie zur Lymphozytendepletion)

Vor der Infusion von Kymriah wird eine Chemotherapie zur Lymphozytendepletion empfohlen. Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte der Fachinformation. Sollte die Anzahl der weißen Blutkörperchen eine Woche vor der Infusion bei ≤ 1.000 Zellen/µl liegen.

Nebenwirkungen

B-Zell-ALL

Die häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen waren:

  • Zytokin-Freisetzungssyndrom (77%)
  • Infektionen (%)
  • Hypogammaglobulinämie (53%)
  • Fieber (42%)
  • verminderter Appetit (38%)

Die häufigsten hämatologischen Nebenwirkungen waren:

  • verringerte weiße Blutzellen (100%)
  • verringertes Hämoglobin (100%)
  • verringerte Neutrophile (100%)
  • verringerte Lymphozyten (100 %)
  • verringerte Thrombozyten (97%)

Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 wurden bei 89% der Patienten berichtet. Die häufigste nicht hämatologische Nebenwirkung vom Grad 3 und 4 war ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (48%).

DLBCL

Die häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen waren:

  • Zytokin-Freisetzungssyndrom (57%)
  • Infektionen (58%)
  • Fieber (35%)
  • Diarrhö (31%)
  • Übelkeit (29%)
  • Müdigkeit (27%)
  • Hypotonie (25%)

Die häufigsten hämatologischen Nebenwirkungen waren:

  • verringerte Lymphozyten (100%)
  • verringerte weiße Blutzellen (99%)
  • verringertes Hämoglobin (99%)
  • verringerte Neutrophile (97%)
  • verringerte Thrombozyten (95%)

Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 wurden bei 88% der Patienten berichtet. Die häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 waren Infektionen (34%) und Zytokin-Freisetzungssyndrom (23%).

Wechselwirkungen

Es wurden keine pharmakokinetischen oder pharmakodynamischen Studien zur Erfassung von Arzneimittelwechselwirkungen mit Tisagenlecleucel durchgeführt. Die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, von denen bekannt ist, dass sie die Funktion von T-Zellen hemmen, wurde nicht untersucht. Die Gabe niedrig dosierter Steroide im Rahmen der Behandlung eines Zytokin-Freisetzungssyndroms beeinflusst nicht die Expansion und Persistenz der CAR-T-Zellen.

Mindestens sechs Wochen vor Beginn der Chemotherapie zur Lymphozytendepletion, während der Behandlung mit Tisagenlecleucel und bis zur immunologischen Regeneration nach der Behandlung mit Tisagenlecleucel wird die Impfung mit Lebendimpfstoffen nicht empfohlen.

Kontraindikation

Tisagenlecleucel darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile. Weiterhin sind die Gegenanzeigen der Chemotherapie zur Lymphozytendepletion zu beachten.

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Es liegen keine Erfahrungen mit der Anwendung von Tisagenlecleucel bei Schwangeren vor. Es wurden keine tierexperimentellen Studien mit Tisagenlecleucel durchgeführt, um zu beurteilen, ob die Anwendung bei Schwangeren zu einer Schädigung des Fötus führen kann. Es ist nicht bekannt, ob Tisagenlecleucel das Potenzial besitzt über die Plazenta auf den Fötus übertragen zu werden und beim Fötus Toxizitäten, einschließlich B-Lymphozytenmangel, verursachen kann.

Die Anwendung von Tisagenlecleucel während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Schwangere sollten über die potenziellen Risiken für den Fötus aufgeklärt werden. Eine Schwangerschaft nach einer Therapie mit Tisagenlecleucel sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Bei Schwangeren, die Tisagenlecleucel erhalten haben, kann es zu einer Hypogammaglobulinämie kommen. Bei Neugeborenen von Müttern, die mit Tisagenlecleucel behandelt worden sind, ist die Untersuchung der Immunglobulinspiegel angezeigt.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Tisagenlecleucel-Zellen in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für den gestillten Säugling kann nicht ausgeschlossen werden. Stillende Frauen sollten über das mögliche Risiko für den gestillten Säugling aufgeklärt werden. Nach der Anwendung von Tisagenlecleucel sollte das Stillen mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Verkehrstüchtigkeit

Tisagenlecleucel hat einen großen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Aufgrund des Potenzials für neurologische Ereignisse, einschließlich verändertem mentalen Zustand oder Krampfanfällen, besteht bei Patienten in den ersten acht Wochen nach der Infusion das Risiko einer Veränderung oder Einschränkung des Bewusstseinszustands oder der Koordination.

Alternativen

Zu den zugelassenen Präparaten der CAR-T-Zell-Therapie zählen neben Lisocabtagen maraleucel:

 

Quelle:
  1. Fachinformation Kymriah

Abbildung:

Adapted from CAR-T-Cell-Therapy-Overview, by BioRender.com

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1 Präparate mit Tisagenlecleucel