Tizanidin

Tizanidin gehört zur Wirkstoffgruppe der zentral wirksamen Muskelrelaxantien und wirkt hauptsächlich auf das Rückenmark, wo es präsynaptische a2-Rezeptoren stimuliert. Der Arzneistoff wird angewendet zur Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen sowie einer Spastizität (Tonuserhöhung der Muskulatur), die im Zusammenhang mit Multipler Sklerose oder mit Schädigungen des Rückenmarks stehen.

Tizanidin

Anwendung

Tizanidin hat folgende Indikationen:
Peripher bedingte schmerzhafte Muskelverspannungen:

  • bei statischen und funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden (Zervikal-, Thorakal- und Lumbalsyndrome),
  • nach Operationen, z. B. wegen Bandscheibenvorfall (Diskushernie) oder degenerativer Hüftgelenkerkrankungen (Coxarthrose).

Neurogene Muskelspasmen und Spastizität als Folge von:

  • Multipler Sklerose,
  • Schädigungen des Rückenmarks durch degenerative, entzündliche oder traumatische Prozesse,
  • Schädigungen des Gehirns durch Gefäßprozesse, Hirntraumen

Anwendungsart

Der Wirkstoff Tizanidin ist in Form von Tabletten in einer Stärke von 2, 4 und 6 mg auf dem deutschen Markt zugelassen.

Der Zeitpunkt und die Häufigkeit der Einnahme sollten individuell angepasst werden, da die Wirkung von Tizanidin auf die Spastik innerhalb von 2 bis 3 Stunden nach der Einnahme am größten ist und der Wirkstoff eine relativ kurze Wirkdauer aufweist.

Da beträchtliche Unterschiede im Ansprechen einzelner Patienten auf Tizanidin möglich sind, sollte eine vorsichtige Dosiseinstellung vorgenommen werden.

Wirkmechanismus

Tizanidin greift hauptsächlich im Rückenmark an und stimuliert dort präsynaptische Alpha-2-Rezeptoren, wodurch die Freisetzung exzitatorischer Aminosäuren gehemmt wird, die die N-methyl-D-aspartat-(NMDA)Rezeptoren stimulieren würden. Der Muskeltonus wird somit reduziert durch eine Unterbindung der polysynaptischen Signalübertragung am spinalen Neuronenübergang, die für den überschießenden Muskeltonus verantwortlich ist. Neben seinen muskelrelaxierenden Eigenschaften hat Tizanidin auch eine moderate, zentrale analgetische Wirkung.

Pharmakokinetik

Resorption

Tizanidin wird rasch resorbiert und der maximale Plasmaspiegel ca. 1 Stunde nach der Einnahme erreicht.

Verteilung

Tizanidin wird nur zu ca. 30 Prozent an Plasmaproteine gebunden. In Tierstudien passierte es in hohem Maße die Blut-Hirn-Schranke. Das mittlere Verteilungsvolumen (VGg) im Gleichgewichtszustand nach intravenöser Gabe lag bei 2,6 l/kg.

Biotransformation

Tizanidin wird zwar gut resorbiert, jedoch begrenzt der First-pass-Stoffwechsel die Plasmaverfügbarkeit auf 34 Prozent der intravenösen Dosis. Tizanidin wird in der Leber rasch und umfassend abgebaut. Tizanidin wird in vitro vorwiegend durch Cytochrom P450 1A2 metabolisiert.

Elimination

Die Stoffwechselprodukte werden primär renal eliminiert (ca. 70 Prozent der verabreichten Dosis) und scheinen Inaktiv zu sein.
Die renale Ausscheidung des unveränderten Wirkstoffs beträgt ca. 53 Prozent nach einer Einzeldosis von 5 mg und ca. 66 Prozent nach einer dreimal täglichen Gabe von 4 mg. Die Eliminationshalbwertszeit von Tizanidin aus dem Plasma der Patienten beträgt 2 bis 4 Stunden.

Linearität

Im Dosisbereich von 4 bis 20 mg verläuft die Pharmakokinetik von Tizanidin linear. Aufgrund der geringen intraindividuellen Schwankungen der pharmakokinetischen Parameter (Cmax und AUC) sind die Plasmaspiegel nach oraler Einnahme zuverlässig vorhersehbar.

Dosierung

Üblicherweise wird mit einer Anfangsdosis von 2 mg begonnen, die in maximal halbwöchentlichen Schritten um jeweils 2 mg erhöht werden kann.
Der optimale therapeutische Effekt wird in der Regel mit einer Tagesdosis zwischen 12 und 24 mg erreicht, die in 3 oder 4 gleich großen Dosen eingenommen wird.
Einzeldosen sollten 12 mg nicht überschreiten.
Die Gesamttagesdosis sollte 36 mg nicht überschreiten.

Die Dosis, die die gewünschte therapeutische Wirkung erzielt, sollte nicht überschritten werden.

Nebenwirkungen

Zu den häufigen (≥ 1/100, < 1/10) Nebenwirkungen unter Tizanidin-Einnahme zählen:

  • Benommenheit, Müdigkeit, Schwindel
  • Bradykardie, Tachykardie
  • Blutdruckabfall, Rebound-Hypertonie
  • Mundtrockenheit, Übelkeit, gastrointestinale Störungen

Wechselwirkungen

Für die Anwendung von Tizanidin bestehen folgende Wechselwirkungen:

  • Fluvoxamin, Ciprofloxacin (CYP1A2-Inhibitoren) ► Die gleichzeitige Anwendung von Tizanidin mit Fluvoxamin oder Ciprofloxacin ist kontraindiziert da sie zu einem 33- bzw. 10-fachen Anstieg der Tizanidin AUC führen.
  • CYP1A2-Inhibitoren wie z. B. einige Antiarrhythmika (Amiodaron, Mexiletin, Propafenon), Cimetidin, einige Fluorchinolone (Enoxacin, Pefloxacin, Norfloxacin), Rofecoxib, oralen Kontrazeptiva und Ticlopidin ► Erhöhte Plasmaspiegel von Tizanidin möglich. Die gleichzeitige Anwendung wird nicht empfohlen
  • Substanzen, die das QT-Intervall verlängern ► Eine EKG-Überwachung kann sinnvoll sein.
  • Antihypertonika (einschließlich Diuretika) ► da Tizanidin eine Hypotonie hervorrufen kann, verstärkt es unter Umständen die Wirkung von Antihypertonika. Bei einigen Patienten wurde nach plötzlichem Absetzten von Tizanidin, das in Kombination mit Antihypertonika angewendet wurde, eine Rebound-Hypertonie und eine Tachykardie beobachtet. In Extremfällen kann die Rebound-Hypertonie zu einem zerebrovaskulärem Insult führen
  • Beta-Rezeptorenblocker oder Digoxin ► die Kombination mit Tizanidin kann eine Hypotonie oder Bradykardie verstärken
  • Orale Kontrazeptiva ► Clearance von Tizanidin kann um ca. 50 Prozent verringert sein
  • Alkohol oder zentral wirksame Substanzen ► sedierende Wirkung von Tizanidin kann verstärkt werden

Kontraindikation

Tizanidin darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Patienten mit stark eingeschränkter Leberfunktion
  • gleichzeitiger Anwendung von starken CYP1A2-Hemmern, wie z.B. Fluvoxamin oder Ciprofloxacin

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Tierexperimentelle Studien ließen keine teratogenen Wirkungen beim Tier erkennen. Da keine kontrollierten Studien an schwangeren Frauen durchgeführt wurden, sollte Tizanidin jedoch während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, sofern nicht der Nutzen der Behandlung eindeutig das Risiko überwiegt.

Stillzeit

Obwohl nur eine geringe Menge an Tizanidin in die Muttermilch von Tieren übergeht, sollte Tizanidin von stillenden Frauen nicht eingenommen werden.
 

Verkehrstüchtigkeit

Tizanidin hat geringen oder mäßigen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen: Patienten, bei denen Benommenheit oder Schwindel auftreten, sollten darauf hingewiesen werden, keine Tätigkeiten auszuführen, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordern.

Anwendungshinweise

Patienten mit Niereninsuffizienz

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 25 ml/min) lag der maximale Plasmaspiegel von Tizanidin doppelt so hoch wie bei gesunden Probanden, und die terminale Halbwertszeit verlängerte sich auf rund 14 Stunden. So waren auch die AUC-Werte erheblich höher.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Alternativen

Weitere zentral angreifende Muskelrelaxanzien sind:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
253.71 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 4.0 H
Q0-Wert:
0.97
Kindstoff(e):
Autor:
Stand:
09.07.2019
Quelle:
  1. Fachinformation Tizanidin
  2. Fachinformation Sirdalud
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