Tyrothricin
Tyrothricin ist ein antibiotisch wirksames Peptidgemisch zur lokalen Anwendung auf oberflächlichen Wunden oder im Mund- und Rachenraum zur symptomatischen Behandlung von infektionsbedingten Hals- und Schluckbeschwerden.
Tyrothricin: Übersicht

Anwendung
Tyrothricin ist ein Peptidantibiotikum, das zur lokalen Behandlung kleinflächiger, oberflächlicher, wenig nässender Wunden (Gel, Puder) mit bakteriellen Superinfektionen (z.B. nach Riss-, Kratz- oder Schürfwunden) sowie zur symptomatischen Behandlung bei Infektionen des Mund- und Rachenraums (Lutschtabletten) mit Halsschmerzen und Schluckbeschwerden indiziert ist.
Zur Anwendung im Mund- und Rachenraum sind entsprechende Tyrothricin-haltige Präparate meist in Kombination mit anderen Wirkstoffen (Lokalanästhetika, Desinfizienzien) erhältlich.
Anwendungsart
- Tyrothricin-haltige Lutschtabletten (Dorithricin®, Lemocin®) sind zur Anwendung in der Mundhöhle bestimmt. Die Lutschtabletten sollten langsam im Mund bewegt werden, um eine gleichmäßige Wirkstofffreisetzung zu gewährleisten. Es sollte vermieden werden, die Lutschtablette in einer Backentasche zergehen zu lassen, die Lutschtabletten zu zerkauen oder zu schlucken. Sollten zu Hals- und Schluckbeschwerden zusätzlich hohes Fieber, Kopfschmerzen oder Übelkeit und Erbrechen auftreten, sollten Tyrothricin-haltige Lutschtabletten nicht länger als 2 Tage ohne ärztlichen Rat angewendet werden. Die maximale Anwendungsdauer sollte 7 Tage nicht überschreiten.
- Tyrothricin-haltiges Gel/Puder (Tyrosur®) wird zur oberflächlichen Anwendung auf die verletzte Hautpartie aufgetragen bzw. aufgestreut. Ein zusätzlicher Schutzverband kann hilfreich sein, ist aber meistens nicht erforderlich. Wird nach einer Woche noch keine Besserung erzielt, sollte die Therapie überdacht und ggf. ein Erregernachweis durchgeführt werden.
Wirkmechanismus
Tyrothricin ist ein antibiotisch wirksames Peptidgemisch (70-80% Tyrocidine und 20-30% Gramicidine, gebildet von Bacillus brevis) mit guter Wirksamkeit gegenüber grampositiven Keimen wie Streptokokken und Staphylokokken, aber auch gegenüber einigen gramnegativen Bakterien und Pilzarten. Insbesondere bei entzündlichen Mund- und Racheninfektionen sowie bei oberflächlichen kleinen Wunden ist dieses Erregerspektrum beteiligt. Tyrothricin wirkt dosisabhängig bakteriostatisch oder bakterizid durch die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Tyrocidine und Gramicidine:
- Tyrocidine (basische zyklische Dekapeptide) induzieren die Freisetzung von stickstoff- und phosphathaltigen Substanzen aus Bakterienzellen, die in einem weiteren Schritt (wie kationische Detergenzien) die osmotische Barriere der bakteriellen Zellmembran zerstören. Somit wird der Nährstofftransport durch die Bakterienmembran gehemmt und eine bakterizide Wirkung durch Lyse erreicht.
- Gramicidine (neutrale lineare Pentadekapeptide) bilden kationenleitende Poren in der Bakterienmembran aus und stören dadurch die Aufrechterhaltung des Wasserstoffgradienten, der für die bakterielle ATP-Synthese essenziell ist. Folglich kommt der bakterielle Energiestoffwechsel durch entkoppelte Atmungskettenphosphorylierung zum Erliegen.
Aufgrund des besonderen „dualen“ Wirkmechanismus, der bei systemisch verwendeten Antibiotika nicht bekannt ist, wurden bisher keine Kreuzresistenzen beobachtet.
Außerdem fördert Tyrothricin bei lokaler Anwendung die Granulation und Epithelisierung und trägt somit zur Wundheilung bei.
Pharmakokinetik
Resorption
- Nach oraler Aufnahme wird Tyrothricin nicht resorbiert.
- Es ist nicht bekannt, in welchem Ausmaß Tyrothricin nach dermaler Applikation systemisch resorbiert wird.
- Wird Tyrothricin auf der Haut angewendet, reichert sich der Wirkstoff primär im Stratum Corneum bzw. direkt in der Wunde an.
Dosierung
Die Dauer der Behandlung und die Dosierung richtet sich nach dem klinischen Bild sowie der Schwere der Infektion.
Tyrothricin-haltige Lutschtabletten (Dorithricin®, Lemocin®)
- Mehrmals täglich (alle 2-3 Stunden) 1-2 Lutschtabletten
- Für Säuglinge und Kinder (< 5 Jahre) ist die Anwendung nicht geeignet, da die Fähigkeit zum kontrollierten Lutschen meist noch nicht erworben ist.
- Bei Kindern muss sichergestellt sein, dass diese in der Lage sind, Lutschtabletten kontrolliert lutschen zu können, bevor mit der Anwendung begonnen wird.
- Die maximale tägliche Gesamtdosis bei Kindern (5 bis 11 Jahre) beträgt 3 Lutschtabletten, bei Kindern ab 12 Jahren und Erwachsenen 8 Lutschtabletten.
Tyrothricin-haltiges Gel (Tyrosur®)
- 2-3x täglich
Tyrothricin-haltiges Puder (Tyrosur®)
- 1-2x täglich (morgens und abends)
Nebenwirkungen
Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sind in seltenen Fällen Nebenwirkungen zu erwarten. Treten Nebenwirkungen auf, sind diese meist mit Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Brennen auf der Haut) assoziiert.
Kontraindikationen
Tyrothricin darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
- Größeren frischen Wunden im Mund- und Rachenraum
- Applikation auf der Nasenschleimhaut (Beeinträchtigung des Geruchsempfindens)
Schwangerschaft
Bisher sind keine teratogenen Wirkungen durch Tyrothricin bekannt.
Aufgrund fehlender Daten bei Schwangeren sollte die Anwendung von Tyrothricin nur nach Rücksprache mit dem Arzt und strenger Indikationsstellung erfolgen.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt ob Tyrothricin in die Muttermilch übergeht. Von einer Anwendung während der Stillzeit sollte daher abgesehen werden.
Verkehrstüchtigkeit
Die Verkehrstüchtigkeit oder das Bedienen von Maschinen ist bei Anwendung von Tyrothricin nicht beeinträchtigt.
Anwendungshinweise
Tyrothricin-Gel
- Die Anwendung sollte nicht an oder in der Nähe der Augen erfolgen, da dies zu Brennen führen kann.
Tyrothricin-Lutschtablette
- Kombinationspräparate mit Lokalanästhetika: Lutschtabletten, die neben Tyrothricin auch Lokalanästhetika enthalten, sollten nicht während oder direkt vor dem Essen angewendet werden, da die lokalanästhetische Wirkung zu vorübergehenden Taubheitsgefühlen in Mund- und Rachenraum führen und den Schluckvorgang beeinflussen kann. Bei offenen Wunden oder Schädigungen im Mund sollten Lutschtabletten mit Vorsicht angewendet werden.
- Entzündungen und Infekte, die mit Fieber einhergehen: Lutschtabletten sollten nicht länger als 2 Tage ohne ärztlichen Rat angewendet werden. Bei systemischer Antibiotikagabe kann der Arzt entscheiden, ob eine zusätzliche Therapie mit Tyrothricin notwendig ist.
Alternativen
Bei der Auswahl alternativer Behandlungsmöglichkeiten sollte das Therapieziel sowie patientenindividuelle Faktoren berücksichtigt werden. Bei Hals- und Schluckbeschwerden können auch wirkstofffreie Lutschtabletten verwendet werden, die beispielsweise über ihr physikalischen Eigenschaften (z.B. Befeuchtung oder Filmbildung auf den Schleimhäuten) eine Linderung der Symptome bewirken.
Darüber hinaus können auch Tyrothricin-freie Lutschtabletten mit lokalanästhetischen und desinfizierenden Wirkstoffen (z.B. Dolo-Dobendan®) oder antientzündlichen und analgetischen Wirkstoffen (z.B. Dobendan® direkt) eingesetzt werden.
Die kausale Therapie kann in Abhängigkeit der Diagnose auch eine systemische Antibiose erfordern.
Alternativ oder ergänzend zur Unterstützung der Wundheilung können Dexpanthenol-haltige Zubereitungen (z.B. Bepanthen®) oder pflegende halbfeste Zubereitungen auf der Haut appliziert werden.
- Engelhard: Fachinformation Tyrosur® Wundheilgel
- Stada: Fachinformation Lemocin®
- Medice: Fachinformation Dorithricin® Halstabletten Classic
- Patrick Schäfer, Allgemeinpharmazie, 2016, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
-
Dorithricin Halstabletten Classic 0,5 mg / 1,0 mg / 1,5 mg, Lutschtabletten
Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG
-
Dorithricin Halstabletten Waldbeere, 0,5 mg / 1,0 mg / 1,5 mg, Lutschtabletten
Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG
-
Lemocin® gegen Halsschmerzen
STADA Consumer Health Deutschland GmbH
-
Tyrosur® Wundheilgel
Engelhard Arzneimittel GmbH & Co.KG
-
Tyrosur® Wundheilpuder
Engelhard Arzneimittel GmbH & Co.KG