Urapidil

Der Wirkstoff Urapidil ist ein Antihypertensivum bzw. Sympatholytikum, das sowohl peripher als auch zentral blutdrucksenkend wirkt. Der alpha-1-Adrenozeptor-Antagonist wird bei Hypertonie oral, beim hypertensiven Notfall intravenös angewendet.

Urapidil

Anwendung

Urapidil ist ein selektives α1-Sympatholytikum, das neben der peripheren vasodilatierenden Wirkung auch zentrale blutdrucksenkende Effekte über die Stimulation von Serotonin-Rezeptoren aufweist. Die Anwendung erfolgt oral als Reservemittel bei Bluthochdruck sowie intravenös bei folgenden Indikationen:

  • Hypertensive Notfälle
  • Schwere bzw. schwerste Formen der Hypertonie
  • Therapieresistente Hypertonie
  • Kontrollierte Blutdrucksenkung bei Patienten mit Hypertonie während und/oder nach Operationen

Anwendungsart

Die orale Applikation von Urapidil erfolgt in Form von Retardkapseln, die morgens und abends zu den Mahlzeiten unzerkaut mit etwas Flüssigkeit eingenommen werden.

Die parenterale Akuttherapie erfolgt am liegenden Patienten zunächst ein- oder mehrmalig als intravenöse Injektion, an die eine intravenöse Infusion als Dauertropfinfusion oder kontinuierliche Infusion per Perfusor zum Erhalt des initial erreichten Blutdruckwertes anschließt. Toxikologisch abgesichert ist Behandlung von sieben Tagen, die in der Regel nicht überschritten werden muss.

Auf die parenterale Akuttherapie kann ein Übergang zur oralen antihypertensiven Dauertherapie erfolgen.

Wirkmechanismus

Urapidil blockiert selektiv postsynaptische adrenerge α1-Rezeptoren in der Peripherie und hemmt so die vasokonstriktorische Wirkung der Katecholamine. Der Wirkstoff hat also peripher vasodilatierende Effekte und senkt sowohl den systolischen als auch diastolischen Blutdruck durch Verminderung des peripheren Widerstandes.

Hinzu kommt eine zentrale Wirkung durch Stimulation von 5-HT1A-Rezeptoren. Diese führt zur Modulation der Kreislaufregulationszentren, sodass es zur Senkung des Sympathikustonus mit Verhinderung einer reflektorischen Sympathikusaktivierung kommt.

Urapidil senkt über diese beiden Mechanismen den Blutdruck und kann daher bei Hypertonie sowie allen Komplikationen eines hypertensiven Notfalls angewendet werden.

Pharmakokinetik

Resorption

Urapidil wird nach oraler Gabe zu 80 bis 90% resorbiert, die absolute Bioverfügbarkeit im Vergleich zur intravenösen Applikation beträgt 63 bis 80%. Nach vier bis sechs Stunden werden maximale Plasmaspiegel erreicht. Nach intravenöser Applikation kann ein biphasischer Verlauf der Plasmakonzentration mit initialer Verteilungsphase und terminaler Eliminationsphase beobachtet werden.

Verteilung

Die Plasmaproteinbindung von Urapidil beträgt etwa 80%. Das Verteilungsvolumen liegt nach oraler und intravenöser Gabe bei etwa 0,8 l/kg Körpergewicht.

Der Wirkstoff passiert sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Plazenta.

Metabolismus

Urapidil wird insbesondere in der Leber metabolisiert. In geringem Umfang entsteht O-demethyliertes Urapidil mit biologischer Aktivität. Der Hauptmetabolit ist an der vierten Position des Phenylrings hydroxyliert, jedoch biologisch inaktiv.

Elimination

Urapidil wird zu 50 bis 70% renal eliminiert, etwa 15% der verabreichten Dosis bleiben dabei unverändert. Die übrige Menge des Wirkstoffs wird mit den Fäzes ausgeschieden.

Nach oraler Gabe beträgt die Eliminationshalbwertszeit etwa 3,3 bis 7,6 Stunden. Die Halbwertszeit der Verteilungsphase nach intravenöser Bolusinjektion liegt bei 35 Minuten, die der Eliminationsphase bei 1,8 bis 3,9 Stunden.

Bei älteren Pateinten sowie solchen mit Leber- und/oder Nierenfunktionsstörungen ist die Eliminationshalbwertszeit von Urapidil verlängert sowie das Verteilungsvolumen reduziert.

Dosierung

Orale Anwendung

Zu Behandlungsbeginn wird eine langsame Blutdrucksenkung mit zweimal täglich 30 mg oder 60 mg Urapidil empfohlen. Es folgt eine schrittweise Dosisanpassung an die individuellen Bedürfnisse des Patienten. Die übliche Erhaltungsdosis liegt zwischen 60 und 180 mg Urapidil täglich, verteilt auf zwei Einzelgaben.

Intravenöse Anwendung

Als intravenöse Injektion werden langsam 10 bis 50 mg Urapidil unter kontinuierlicher Blutdruckkontrolle appliziert.

Im Anschluss daran folgt meist die Verdünnung der Injektionslösung zur Infusionslösung, um den durch die Injektion erreichten Blutdruckwert aufrecht zu erhalten. Die empfohlene Infusionsrate beträgt dabei zu Anfang 2 mg/min und sollte allmählich auf eine Erhaltungsdosis von etwa 9 mg/Std reduziert werden.

Dosisanpassung

Bei älteren Menschen sowie Patienten mit Nieren- und/oder Leberfunktionsstörungen kann eine Dosisreduktion nötig sein.  

Nebenwirkungen

Bei der Anwendung von Urapidil kommt es häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) zu folgenden Nebenwirkungen:

  • Schwindel
  • Kopfschmerz
  • Übelkeit

Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100) treten weiterhin unerwünschte Wirkungen wie diese auf:

  • Herzklopfen, Tachykardie oder Bradykardie, Druckgefühl hinter dem Brustbein, Atemnot, Herzrhythmusstörungen, unregelmäßige Herzschlagfolge
  • Erbrechen
  • Schweißausbruch
  • Müdigkeit

Da im Zusammenhang mit Urapidil häufiger kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinsuffizienz und Angioödem beobachtet wurden, geht die Bedeutung bei der Behandlung des Bluthochdrucks im Vergleich zu anderen Antihypertonika zurück.

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln können bei der Therapie mit Urapidil auftreten:

  • Andere α-Rezeptorenblocker, Vasodilatoren, Antihypertonika, Volumenmangel, Alkohol: Wirkverstärkung von Urapidil
  • Cimetidin: erhöhte Urapidil-Serumspiegel
  • Baclofen: verstärkte blutdrucksenkende Wirkung von Urapidil
  • Imipramin und Neuroleptika: erhöhtes Risiko für orthostatische Hypotonie
  • Glucocorticoide: Reduktion der blutdrucksenkenden Wirkung durch Wasser-Natrium-Retention

Zudem wird aufgrund fehlender Erfahrungen die Kombinationsbehandlung mit ACE-Hemmern derzeit nicht empfohlen.

Kontraindikation

Die Anwendung von Urapidil ist in folgenden Fällen kontraindiziert:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Bei intravenöser Applikation zusätzlich: Aortenisthmusstenose und arteriovenöser Shunt (ausgenommen eines hämodynamisch nicht wirksamen Dialyse-Shunts)

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Bisher liegen nur unzureichende Erfahrungen zur Anwendung von Urapidil in der Schwangerschaft vor. Der Wirkstoff ist plazentagängig und zeigte im Tierversuch eine reproduktionstoxische Wirkung. Urapidil sollte daher in der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn dies ist aufgrund des klinischen Zustands der Mutter notwendig.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Urapidil in die Muttermilch übergeht, allerdings kann ein Risiko für den Säugling nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund sollte Urapidil in der Stillzeit nicht angewendet werden.

Verkehrstüchtigkeit

Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Urapidil kann es aufgrund individuell unterschiedlicher Reaktionen zu unerwünschten Wirkungen kommen, die die Verkehrstüchtigkeit sowie die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere zu Behandlungsbeginn, bei Dosiserhöhung und Präparatewechsel sowie im Zusammenhang mit Alkohol.

Alternativen

Zur oralen Therapie der Hypertonie stehen zahlreiche Antihypertonika wie ACE-Hemmer, Sartane, Calciumkanalblocker, Betablocker und Diuretika zur Verfügung, die als Mono- oder häufiger als Kombinationstherapie angewendet werden.

Die Erstbehandlung eines hypertensiven Notfalls kann in Abhängigkeit von der Komplikation neben Urapidil mit Glyceroltrinitrat, kurzwirksamen Calciumkanalblockern (Nitrendipin, Nifedipin) sowie dem α2-Adrenozeptor-Antagonisten Clonidin erfolgen. Die Aufrechterhaltung des Blutdrucks kann durch Infusion von Glyceroltrinitrat, Clonidin oder Dihydralazin erzielt werden.

Hinweise

Urapidil eignet sich in Form von Retardkapseln zur Langzeitanwendung bei essentieller Hypertonie. Dabei ist eine regelmäßige ärztliche Kontrolle der Blutdruckwerte nötig.

Die Urapidil-Infusionslösung weist einen leicht sauren pH-Wert auf. Sie darf daher nicht mit alkalischen Injektions- und Infusionslösungen kombiniert werden, um eine Trübung oder Ausflockung zu verhindern.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
387.48 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 3.0 H
Q0-Wert:
0.7
Kindstoff(e):
Autor:
Stand:
17.02.2021
Quelle:
  1. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  2. Steinhilber, Schubert-Zsilavecz, Roth (2010) Medizinische Chemie, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart
  3. Takeda GmbH (09/2019) Fachinformation: Ebrantil® 30mg, Hartkapseln, retardiert
  4. CARINOPHARM GmbH (07/2014) Fachinformation: URAPIDIL 25 mg i.v. Carino Injektionslösung, 5 ml
  5. Stragen Pharma GmbH (09/2020) Fachinformation: Urapidil Stragen i.v. 100 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
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