Vincristin

Vincristin ist ein Vinca-Alkaloid, das zur Behandlung von akuter Leukämie, bösartigem Lymphom, Morbus Hodgkin, akuter Erythrämie und akuter Panmyelose eingesetzt wird.

Vincristin

Anwendung

Vincristin ist indiziert für die Behandlung von:

Wirkmechanismus

Es wird angenommen, dass die Antitumoraktivität von Vincristin hauptsächlich auf die Hemmung der Mitose in der Metaphase durch seine Wechselwirkung mit Tubulin zurückzuführen ist.

Pharmakokinetik

  • Innerhalb von 15 bis 30 Minuten nach der Injektion werden über 90% Vincristin aus dem Blut in das Gewebe verteilt.
  • Die Proteinbindung beträgt ~75%
  • Vincristin wird über Cytochrom-P450-Isoenzyme der CYP3A-Unterfamilie metabolisiert.
  • 80% einer injizierten Vincristinsulfatdosis werden über den Fäzes ausgeschieden.
  • 10 bis 20% werden renal eliminiert.
  • Die anfängliche, mittlere und terminale Halbwertszeit betragen 5 Minuten, 2,3 Stunden bzw. 85 Stunden.
  • Der Bereich der terminalen Halbwertszeit beim Menschen beträgt 19 bis 155 Stunden.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt für Erwachsene 1,4 mg/m² (höchstens 2 mg) einmal wöchentlich. Kinder tolerieren eine höhere Dosis: 1,5 bis 2,0 mg/m² einmal wöchentlich. Wiegen Kinder 10 kg oder weniger, erhalten sie als übliche Anfangsdosis 0,05 mg/kg einmal wöchentlich.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Vincristin sind Neurotoxizität und Alopezie; Nebenwirkungen, die Patienten am meisten beeinträchtigen, waren neuromuskulären Ursprungs.

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Vincristin sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:

  • Da bei Tumorerkrankungen das Thromboserisiko erhöht ist, werden häufig Antikoagulanzien eingesetzt. Die hohe intraindividuelle Variabilität der Blutgerinnung während Krankheiten und eventuelle Wechselwirkungen zwischen oralen Antikoagulanzien und antineoplastischen Chemotherapeutika erfordern eine häufigere INR (International Normalised Ratio)-Kontrolle, wenn der Patient mit oralen Gerinnungshemmern behandelt werden soll.
  • Cytochrom-P450- und P-Glycoprotein-Inhibitoren: Vinca-Alkaloide werden über CYP3A4 verstoffwechselt und sind Substrat für P-Glycoprotein. Daher können die Plasmakonzentrationen von Vincristin ansteigen, wenn gleichzeitig CYP3A4- und P-Glycoprotein-Inhibitoren verabreicht werden.
  • Phenytoin: Die gleichzeitige Gabe von Phenytoin und antineoplastischen Chemotherapeutika wie Vincristin kann die Blutspiegel von Phenytoin senken und den prokonvulsiven Effekt steigern. Diese Kombination wird daher nicht empfohlen. Wenn sie nicht zu vermeiden ist, muss die Dosis auf der Basis der gemessenen Blutspiegel angepasst werden.
  • Andere Zytostatika: Eine Verstärkung der therapeutischen und der toxischen Effekte ist möglich. Die gleichzeitige Anwendung von Vincristin mit anderen myelosuppressiven Arzneimitteln, z. B. Doxorubicin (vor allem in Kombination mit Prednison), kann zu einer Verstärkung der Myelosuppression führen.
  • Asparaginase/Isoniazid und andere neurotoxische Arzneimittel: Schwere und anhaltende peripherer Neuropathien möglich.
  • Impfstoffe/abgetötete Viren: Körpereigene Antikörperbildung kann geschwächt sein. Wie lange es dauert, bis sich der Körper nach dem Absetzen von immunsuppressiven Arzneimitteln genügend erholt hat, um auf den Impfstoff zu reagieren, hängt von Stärke und Art des Immunsuppressivums, der vorliegenden Krankheit und weiteren Faktoren ab; Schätzungen geben zwischen 3 Monaten und einem Jahr an.
  • Impfstoffe/lebende Viren: Verstärkte Replikation und verstärkte Nebenwirkungen der Virusvakzine und/oder verminderte Antikörperbildung als Reaktion auf den Impfstoff möglich.
  • Digoxin: Bei Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, kann die Absorption von Digoxin verringert sein. Daher wirkt bei einigen Patienten die Digoxintherapie eventuell schwächer. Derartige Kombinationen müssen daher mit Vorsicht gegeben werden; eventuell ist eine Korrektur der Digoxindosis erforderlich.
  • Mitomycin C: Es kann zu akuten pulmonalen Reaktionen kommen.
  • Strahlentherapie: Eine Strahlentherapie kann die periphere Neurotoxizität von Vincristin verstärken.
  • Ciclosporin, Tacrolimus: Extreme Immunsuppression mit dem Risiko einer Lymphoproliferation möglich.
  • Bei gleichzeitiger Verabreichung von koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF, GM-CSF) wurde häufiger über atypische Neuropathien mit Stechen oder Brennen in den distalen Extremitäten berichtet.
  • Bei Patienten mit einem Wilms-Tumor wurde unter der Kombination von Vincristin und Dactinomycin über schwerwiegende Lebertoxizität berichtet.
  • In Kombination mit Bleomycin kann Vincristin dosisabhängig ein Raynaud-Syndrom verursachen.

Kontraindikationen

Vincristin darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • neuromuskulären Erkrankungen (z. B. Charcot-Marie-Tooth-Syndrom in der demyelinisierenden Form)
  • schwerer Leberfunktionsstörung
  • Verstopfung und drohendem Ileus, besonders bei Kindern
  • Patienten, die eine Strahlentherapie unter Einbeziehung der Leber erhalten

Schwangerschaft

Tierexperimentelle Studien haben eine Teratogenität und andere Formen einer Reproduktionstoxizität von Vincristin gezeigt. Darüber hinaus kann der Wirkstoff kann genotoxisch wirken. Aus diesen Gründen darf Vincristin nicht während der Schwangerschaft, vor allem aber nicht im ersten Trimenon, angewendet werden.

Während der Behandlung und über 6 Monate nach Absetzen des Arzneimittels müssen sowohl männliche als auch weibliche Patienten sichere Verhütungsmethoden anwenden.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Vincristin in die Muttermilch ausgeschieden wird. Das Stillen muss während der Behandlung mit Vincristin unterbrochen werden.

Verkehrstüchtigkeit

Es existieren keine Daten zu den Auswirkungen dieses Arzneimittels auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Auf Grund seiner potenziellen neurologischen Nebenwirkungen muss damit gerechnet werden, dass Vincristin die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen kann.

Anwendungshinweise

  • Nach versehentlich intrathekaler Applikation muss sofort neurochirurgisch interveniert werden, um einer aufsteigenden Lähmung, die zum Tod führt,vorzubeugen.
  • Vincristin darf nicht mit den Augen in Berührung kommen, da dies zu einer schweren Reizung oder zu einem Hornhautgeschwür führen kann.
  • Die Neurotoxizität von Vincristin kann bei gleichzeitiger Anwendung anderer neurotoxischer Wirkstoffe oder auf Grund einer Bestrahlung des Rückenmarks oder einer neurologischen Erkrankung verstärkt sein. Ältere Patienten können für die neurotoxischen Effekte von Vincristin anfälliger sein.
  • Patienten, die eine Chemotherapie mit Vincristin in Kombination mit Tumortherapeutika mit bekannter Karzinogenität erhielten, entwickelten sekundäre Malignome. Ob und wie Vincristin an deren Entwicklung beteiligt ist, ist nicht bekannt.
  • Vincristin ist bei Patienten mit ischämischen Herzerkrankungen mit Vorsicht anzuwenden.
  • Da es unter der Anwendung von Vincristin zu einer Leukopenie kommen kann, muss auf Anzeichen von Infektionen geachtet werden. Bei Auftreten einer Leukopenie sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen; u. a. ist der Zeitpunkt der nächsten Verabreichung.
  • Vor jeder Dosis ist ein großes Blutbild anzufertigen.
  • Wegen der erhöhten Gefahr einer Leukopenie und einer Thrombozytopenie müssen Patienten, bei denen durch eine frühere Therapie oder die Krankheit selbst die Knochenmarkfunktion unterdrückt ist, engmaschiger kontrolliert werden.
  • Bei akuter Leukämie kann es während der Remissionsinduktion zu einer akuten Erhöhung der Serum-Harnsäurespiegel kommen, weshalb der Serum-Harnsäurespiegel während der ersten 3-4 Behandlungswochen häufig gemessen werden sollte.
  • Während der Behandlung und bis 6 Monate nach Beendigung der Therapie müssen sowohl Männer als auch Frauen Maßnahmen zur Empfängnisverhütung treffen.

Alternativen

Weitere Vinka-Alkaloide und Analoga sind neben Vincristin:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
824.96 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 85.0 H
Q0-Wert:
0.8
Kindstoff(e):
Autor:
Stand:
12.08.2022
Quelle:
  1. Below, Jameshia. "Vincristine." (2019).
  2. Fachinformation Vincristinsulfat-TEVA
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