Volanesorsen
Der Wirkstoff Volanesorsen (Waylivra®) ist ein Antisense-Oligonukleotid, das für die Behandlung von genetisch bestätigtem familiärem Chylomikronämie-Syndrom (FCS) angewendet wird. FCS ist eine sehr seltene Erkrankung, bei der es zu stark erhöhten Triglyceridwerten kommt, die mit einem hohen Risiko für eine Pankreatitis assoziiert sind.
Volanesorsen: Übersicht
Anwendung
Der Wirkstoff Volanesorsen wird angewendet für die unterstützende Behandlung (neben einer Diät) des genetisch bestätigten familiärem Chylomikronämie Syndroms (FCS) mit einem hohen Risiko für Pankreatitis, bei Patienten, die nicht ausreichend auf eine Diät und eine triglyceridsenkende Therapie angesprochen haben.
Anwendungsart
Volanesorsen ist als Fertigspritze auf dem deutschen Markt zugelassen und wird subkutan injiziert. Der Wirkstoff kann in Bauch, Oberschenkel und die Außenseiten der Oberarme injiziert werden.
Wirkmechanismus
Volanesorsen, ein 2'-O-(2-Methoxyethyl) (2'-MOE)-Antisense-Oligonukleotid (ASO) der zweiten Generation, ist ein Inhibitor von Apolipoprotein C-III (ApoC-III). Das sogenannte DNA-ähnliche Antisense-Arzneimittel ist in der Lage die Bildung von Proteinen zu verhindern, die am Krankheitsgeschehen beteiligt bzw. dafür verantwortlich sind.
Antisense-Arzneimittel binden an eine spezifische RNA-Sequenz und lösen so den Abbau der RNA durch die Einwirkung eines natürlich vorkommenden zellulären Enzyms namens RNase H1 aus. Dieser Mechanismus ermöglicht es Antisense-Medikamenten, ein bestimmtes krankheitsassoziiertes Protein selektiv zu hemmen.
Volanesorsen bindet hochspezifisch an die Messenger-RNA (mRNA) von ApoC-III und führt so zum Abbau dieser mRNA, was weiterhin die Translation von ApoC-III verhindert, das als Inhibitor der Triglycerid-Clearance fungiert. Der Wirkstoff ist sehr stabil und weist eine verlängerte Gewebehalbwertszeit auf, die die Verabreichung durch wöchentliche Injektion ermöglicht. ApoC-III ist ein überwiegend in der Leber gebildetes Protein, das im Triglyceridstoffwechsel eine zentrale Rolle einnimmt.
Als Antisense-Medikament wird Volanesorsen vom CYP450-System nicht metabolisiert und hat ein minimales Risiko, mit Medikamenten, die über diese Wege metabolisiert werden, in Wechselwirkung zu treten.
Die RNA spielt eine zentrale Rolle bei der Expression aller Gene. Da jede Sequenz innerhalb der RNA durch komplementäre Basenpaarung erkannt werden kann, bieten synthetische Oligonukleotide und Oligonukleotid-Mimetika eine allgemeine Strategie zur Steuerung krankheitsrelevanter Prozesse. Es gibt zwei Antisense-Ansätze zur Regulierung der Expression durch Erkennung von zellulären RNAs:
- einzelsträngige Antisense-Oligonukleotide und
- Duplex-RNAs.
Volanesorsen ist ein Beispiel für die Antisense-Technologie. Bei der Erkrankung FCS kommt es zu einer Funktionsstörung des Enzyms Lipoproteinlipase (LPL), wodurch die Patienten sehr hohe Triglyceridwerte (> 10 mmol/l [880 mg/dl]) aufweisen. Hierdurch ist das FCS ist mit einem Risiko für eine akute und potenziell tödlich verlaufende Pankreatitis assoziiert.
Pharmakokinetik
Resorption
Die maximalen Plasmakonzentrationen werden in der Regel 2 bis 4 Stunden nach der subkutanen Injektion erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit von Volanesorsen betrug nach einer einmaligen subkutanen Injektion etwa 80 Prozent (diese dürfte jedoch tatsächlich höher sein, da zur Bestimmung die AUC von 0 bis 24 Stunden verwendet wurde und Volanesorsen eine Halbwertszeit von > 2 Wochen hat).
Verteilung
Nach subkutaner Injektion wird Volanesorsen rasch und weiträumig in die Gewebe verteilt. Das Verteilungsvolumen im Steady State betrug 330. Volanesorsen unterliegt einer hohen, konzentrationsunabhängigen Plasmaproteinbindung (> 98 Prozent) und ist in In-vitro-Studien kein Substrat oder Inhibitor von P-GP, BCRP, OATP1B1 und -1B3, BSEP sowie OCT1 und -2.
Biotransformation
Volanesorsen ist kein Substrat von CYP-Enzymen. Es wird im Gewebe von Endonukleasen zu kürzeren Oligonukleotiden abgebaut, die dann als Substrate von Exonukleasen weiter metabolisiert werden.
In-vitro-Studien zeigen außerdem, dass Volanesorsen kein Inhibitor von CYP1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1 und CYP3A4 und kein Induktor von CYP1A2, CYP2B6 und CYP3A4 ist.
Elimination
Die Elimination erfolgt sowohl durch die Metabolisierung im Gewebe als auch durch renale Exkretion. Die Wiederfindungsrate der Ausgangssubstanz im Urin ist gering (weniger als 3 Prozent einer subkutan applizierten Dosis innerhalb von 24 Stunden nach der Injektion). Die Ausgangssubstanz sowie kürzerkettige Metaboliten (Penta-, Hexa- und Heptamere) machten etwa 26 Prozent bzw. 55 Prozent der im Urin wiedergefundenen Oligonukleotide aus. Die terminale Halbwertszeit beträgt nach subkutaner Injektion etwa 2 bis 5 Wochen.
Im Tiermodell erfolgte die Elimination von Volanesorsen sehr langsam und hauptsächlich durch renale Exkretion. Dies zeigt, dass die rasche Plasmaclearance hauptsächlich auf die Aufnahme in die Gewebe zurückzuführen ist. Beim Menschen wurden im Urin sowohl Volanesorsen als auch die kürzeren Oligonukleotid-Metaboliten (überwiegend durch 3’- oder 5’-Deletionen entstandene Heptamer- Metaboliten) nachgewiesen.
Linearität/Nichtlinearität
Nach Einzel- und Mehrfachgabe war Cmax von Volanesorsen bei gesunden Probanden über einen Dosisbereich von 100 bis 400 mg dosisproportional, während die AUC in diesem Bereich etwas überproportional zur Dosis zunahm. Bis zum Steady State sind es etwa 3 Monate.
Dosierung
Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 285 mg in 1,5 ml Injektionslösung, die über 3 Monate einmal wöchentlich subkutan verabreicht wird. Nach 3 Monaten ist die Dosisfrequenz auf 285 mg alle 2 Wochen zu reduzieren.
Wird nach sechsmonatiger Behandlung das Ansprechen als unzureichend eingestuft kann, wenn die Thrombozytenzahlen im Normbereich liegen, die Dosisfrequenz auf 285 mg einmal wöchentlich erhöht werden. Wenn die höhere Dosis von 285 mg einmal wöchentlich nach 9 Monaten keine signifikante zusätzliche Triglyceridabnahme bewirkt, sollte die Dosis wieder auf 285 mg alle 2 Wochen herabgesetzt werden.
Die vollständigen Dosierungsempfehlungen können der Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Sehr häufig kann es unter der Anwendung von Volanesorsen zu folgenden Nebenwirkungen kommen:
- Thrombozytopenie
- Reaktionen an der Injektionsstelle.
Wechselwirkungen
Es wurden keine klinischen Studien zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln durchgeführt.
Klinisch relevante pharmakokinetische Interaktionen zwischen Volanesorsen und Arzneimitteltransportern sowie Substraten, Induktoren oder Inhibitoren der Cytochrom- P450(CYP)-Enzyme sind nicht zu erwarten.
Kontraindikation
Volanesorsen darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Chronische oder ursächlich unklare Thrombozytopenie (Thrombozyten < 140 × 109/l).
Schwangerschaft/Stillzeit
Es liegen keine Daten zur Anwendung von Volanesorsen bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien lassen nicht auf direkte oder indirekte Schädigungen auf die Reproduktionsfähigkeit schließen.
Aus Vorsichtsgründen sollte die Anwendung des Arzneimittels während der Schwangerschaft nicht erfolgen.
Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Volanesorsen verzichtet bzw. die Behandlung unterbrochen werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Verkehrstüchtigkeit
Volanesorsen hat keinen oder nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.
Anwendungshinweise
Thrombozytenkontrolle und Dosisanpassungen
Wenn vor Therapiebeginn die Thrombozytenzahl unter 140 × 109/l liegt, muss ungefähr eine Woche später eine weitere Bestimmung vorgenommen werden. Wenn die Thrombozytenzahl bei einer zweiten Bestimmung unter 140 × 109/l bleibt, darf keine Therapie mit Volanesorsen begonnen werden.
Nach Therapiebeginn muss die Thrombozytenzahl in Abhängigkeit von den ermittelten Werten mindestens alle zwei Wochen kontrolliert werden. Die Therapiedurchführung und -überwachung ist entsprechend den Laborwerten anzupassen, wie der Fachinformation entnommen werden kann.
Wurde die Therapie aufgrund einer schweren Thrombozytopenie abgebrochen, muss sorgfältig abgewogen werden ob die Therapie wieder einzuleiten ist, auch wenn die Thrombozytenwerte wieder ≥ 100 × 109/l liegen.
Alternativen
Der Triglycerid-Hemmer Volanesorsen ist als Sprunginnovation zu betrachten. Es ist das bisher einzige Medikament, das für die Behandlung von Patienten mit familiärem Chylomikronämie Syndrom (FCS) zugelassen ist.