Blinatumomab
Blinatumomab ist ein monoklonaler Antikörper zur Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie. Das Immuntherapeutikum ist der erste zugelassene Vertreter aus der Wirkstoffgruppe der BiTE-Antikörper (Bi-specific T-cell engagers) und besitzt Orphan Drug-Status.
Blinatumomab: Übersicht
Anwendung
Blinatumomab wird als Monotherapie angewendet zur Behandlung von:
- Erwachsenen Patienten mit Philadelphia- Chromosom-negativer, CD19-positiver, rezidivierter oder refraktärer B-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie (ALL).
- pädiatrischen Patienten über 1 Jahr mit Philadelphia-Chromosom-negativer, CD19-positiver B-Vorläufer-ALL, die refraktär ist oder nach mindestens zwei vorangegangenen Therapien rezidiviert ist oder nach vorangegangener allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation rezidiviert ist.
Prämedikation und weitere Empfehlungen zur Behandlung:
- Eine Stunde vor Beginn jedes Zyklus sollte Dexamethason 20 mg intravenös bei erwachsenen Patienten angewendet werden.
- Bei pädiatrischen Patienten sollte Dexamethason 10 mg/ mg2 oral oder intravenös 6 bis 12 Stunden vor Beginn der Therapie (Zyklus 1, Tag 1) angewendet werden (20 mg dürfen nicht überschritten werden).
- Danach sollte Dexamethason 5 mg/ mg2 intravenös innerhalb von 30 Minuten vor Beginn der Therapie (Zyklus 1, Tag 1) angewendet werden.
- Die Gabe von Antipyretika (z.B. Paracetamol) wird während der ersten 48 Stunden jedes Behandlungszyklus empfohlen.
- Um einem ALL-Rezidiv (akute lymphatische Leukämie) im Zentralnervensystem vorzubeugen, wird eine prophylaktische, intrathekale Chemotherapie vor und während der Therapie mit Blinatumomab empfohlen.
Wirkmechanismus
Blinatumomab ist ein monoklonaler Antikörper, der spezifisch an das Oberflächenprotein CD19 von der B-Linie entstammenden Zellen und an CD3 von T-Zellen bindet. Durch eine Verbindung von CD3 im T-Zell-Rezeptor-(TCR-)Komplex mit CD19 auf gutartigen und malignen B-Zellen aktiviert es so endogene T-Zellen. Blinatumomab vermittelt die Entstehung einer zytolytischen Synapse zwischen der T-Zelle und der Tumorzelle, sodass proteolytische Enzyme freigesetzt werden, die sowohl proliferierende als auch ruhende Zielzellen zerstören.
Blinatumomab wird in Verbindung gebracht mit:
- der vorübergehenden Hochregulierung von Zelladhäsionsmolekülen
- der Produktion von zytolytischen Proteinen
- der Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen
- der Proliferation von T-Zellen
- der Elimination von CD19+-Zellen
Pharmakokinetik
Verteilung
Das geschätzte mittlere (SD) Verteilungsvolumen, welches auf der terminalen Phase (Vz) beruht, lag bei 4,52 (2,89) l bei intravenöser Dauerinfusion von Blinatumomab.
Biotransformation
Es wird erwartet, dass wie es auch bei anderen Proteintherapeutika der Fall ist, Blinatumomab über katabole Mechanismen in kleine Peptide und Aminosäuren abgebaut wird.
Elimination
Die geschätzte mittlere (SD) systemische Clearance lag in klinischen Studien bei intravenöser Dauerinfusion bei 2,92 (2,83) l/h. Die mittlere (SD) Halbwertszeit lag bei 2,11 (1,42) Stunden. Eine vernachlässigbare Menge an Blinatumomab wurde bei den getesteten klinischen Dosen renal eliminiert.
Körperoberfläche, Geschlecht und Alter
Eine pharmakokinetische Populationsanalyse wurde durchgeführt, um den Einfluss demographischer Merkmale auf die Pharmakokinetik von Blinatumomab zu untersuchen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Alter (7 Monate bis 80 Jahre) und Geschlecht keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Blinatumomab haben.
Die Körperoberfläche (0,37 bis 2,70 m2) hat einen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Blinatumomab. Bei Erwachsenen kann dieser vernachlässigt werden, bei Kindern wird jedoch eine Körperoberflächen-basierte Dosierung empfohlen.
Dosierung
Die Therapie kann in 2 Behandlungszyklen ablaufen:
- Ein einzelner Behandlungszyklus besteht aus einer Dauerinfusion über 28 Tage.
- Die Behandlungszyklen werden durch ein 14-tägiges behandlungsfreies Intervall getrennt.
Das Patientengewicht ist ausschlaggebend für die empfohlene Dosis. Bei einem Gewicht unter 45 kg wird die Dosis anhand der Körperoberfläche (KOF) des Patienten berechnet. Näheres kann der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten in klinischen Studien aufgetretenen unerwünschten Wirkungen waren:
- Pyrexie (69,2 %)
- infusionsbedingte Reaktionen (43,4 %)
- Infektionen ohne spezifiziertes Pathogen (42,1 %)
- Kopfschmerzen (32,9 %)
- Anämie (22,8 %)
- Thrombozytopenie (20,9 %)
- febrile Neutropenie (20,2 %)
- Ödeme (20,0 %)
- Neutropenie (19,7 %)
- Hautausschlag (16,7 %)
- erhöhte Leberenzyme (16,1 %)
- bakterielle infektiöse Erkrankungen (15,4 %)
- Tremor (15,2 %)
- Husten (15,1 %)
- Leukopenie (13,4 %)
- Rückenschmerzen (13,3 %)
- Schüttelfrost (13,0 %)
- Hypotonie (12,8 %)
- virale infektiöse Erkrankungen (12,7 %)
- erniedrigte Immunglobuline (12,5 %)
- Zytokinfreisetzungs-Syndrom (11,6 %)
- Tachykardie (11,3 %)
- Insomnie (10,7 %)
- Pilzinfektionen (10,6 %)
- Gliederschmerzen (10,2 %)
Zu den schwerwiegendsten unerwünschten Wirkungen, die während der Blinatumomab-Behandlung auftreten können, zählen:
- Infektionen (24,8 %)
- neurologische Ereignisse (13,8 %)
- Neutropenie/febrile Neutropenie (10,1 %)
- Zytokinfreisetzungs-Syndrom (3,3 %)
- Tumorlyse- Syndrom (0,7 %)
Wechselwirkungen
In den ersten Tagen der Behandlung mit Blinatumomab kommt es zu einer vorübergehenden Ausschüttung von Zytokinen, die möglicherweise die CYP450-Enzyme inhibieren können.
Arzneimittel, die CYP450- und Transporter-Substrate mit einer geringen therapeutischen Breite sind, können in Kombination mit Blinatumomab in den ersten Tagen zu unerwünschter Wirkungen (z.B. Warfarin) oder zu Problemen der Wirkstoffkonzentrationen (z. B. Ciclosporin) führen. Patienten die solche Arzneimittel erhalten müssen deshalb überwacht werden.
Kontraindikationen
Blinatumomab darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Stillen
Schwangerschaft
Aufgrund einer mangelnden Studienlage sollte Blinatumomab während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn der mögliche Nutzen überwiegt das mögliche Risiko für den Fötus.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis zu mindestens 48 Stunden nach der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine Anwendung innerhalb der Schwangerschaft zu einem Abbau von B-Lymphozyten beim Neugeborenen führen kann. Aus diesem Grund sollten Neugeborene auf einen B-Lymphozyten-Abbau hin überwacht werden und Impfungen mit viralen Lebendimpfstoffen verschoben werden, bis sich der B-Lymphozytenwert erholt hat.
Stillzeit
Da ein Risiko für das gestillte Kind nicht ausgeschlossen werden kann, ist das Stillen während und für mindestens 48 Stunden nach der Behandlung mit Blinatumomab als Vorsichtsmaßnahme kontraindiziert.
Verkehrstüchtigkeit
Da es unter der Behandlung mit Blinatumomab zu Verwirrtheit, Desorientierung, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen kommen kann, sowie ein Risiko für Krampfanfälle und Bewusstseinsstörungen besteht, sollten Patienten unter der Behandlung davon absehen, zu fahren und sich an gefährlichen Tätigkeiten oder Aktivitäten, wie z.B. dem Fahren oder dem Bedienen von schweren oder potentiell gefährlichen Maschinen, zu beteiligen.
Die Patienten müssen darauf hingewiesen werden, dass es unter der Therapie zu neurologischen Ereignissen kommen kann.
Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.