
Vor einigen Jahren galt noch: Wenn ein atypisches Muttermal in der Histologie an den Rändern noch dysplastische Zellen aufweist, muss nachreseziert werden. Mittlerweile ist sich die Fachwelt im Hinblick auf diese Empfehlung nicht mehr einig. So halten einige Experten bei gering oder mäßig veränderten Naevi auch ein beobachtendes Vorgehen für vertretbar. Diese Fraktion erhält jetzt mit einer Studie aus den USA eine Argumentationshilfe [1].
Naevi mit moderater Dysplasie
In einer Kohortenstudie unter der Leitung von Dr. Caroline Kim (Boston, Massachusetts) wurden 467 entsprechende Naevi-Exzisionen bei 438 Patienten über im Mittel knapp sieben Jahre nachverfolgt. In allen Fällen handelte es sich um dysplastische Nävi der Kategorien „NAD-Mild“ oder „NAD-Mod“ gemäß der Einteilung von Arumi-Uria aus dem Jahr 2003. Die Muttermale waren vermeintlich im Gesunden, d. h. ohne sichtbare zurückbleibende Pigmentierung, entnommen worden. Jedoch zeigten sich im histologischen Befund an den Biopsie-Rändern noch dysplastische Zellen.
Die Hälfte der Teilnehmer hatte zuvor bereits ein atypisches Muttermal entfernt bekommen; bei einem Drittel war schon einmal ein kutanes Melanom diagnostiziert worden. Weiterhin war bei knapp einem Viertel der Patienten in der Familie schon einmal ein malignes Melanom aufgetreten.
Im Mittel drei Jahre Nachbeobachtung
Nach der Biopsie wurden die Patienten mindestens drei Jahre lang mittels standardisierter Visualisierung und Dermatoskopie nachbeobachtet. Am Ende der Beobachtungszeit wurde bei keinem einzigen Patienten an der biopsierten Stelle ein kutanes Melanom gefunden. In drei Fällen zeigte sich an der Stelle eine offenbar wiedergekehrte Pigmentierung.
Allerdings bildete sich bei 22,8% der Patienten innerhalb des Beobachtungszeitraums ein primäres kutanes Melanom (CM) an einer anderen Körperstelle. Bei drei dieser 100 Hautkrebspatienten hatte das CM metastasiert, wobei bei zweien das Melanom bereits vor der fraglichen Biopsie bestanden hatte.
Hochgerechnet: weniger als fünf Melanome auf 1.000 Exzisionen
Wenn man die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung extrapoliere, komme man in sieben Jahren auf eine Karzinomrate von weniger als 5 pro 1.000 Exzisionen, also 0,5 %. Auf dieser Grundlage fühlen sich die Studienautoren ausreichend sicher, bei mäßiggradigen Dysplasien ein beobachtendes Vorgehen zu empfehlen. Dieses beinhalte regelmäßige dermatologische Untersuchungen und die entsprechende Aufklärung des Patienten.
Es gibt jedoch für dieses abwartende Vorgehen Einschränkungen, die sich auch aus der Studie ergeben: Hatte der Patient, dessen Biopsie inkomplett war, bereits früher einen dysplastischen Naevus entfernt bekommen, steigt sein Risiko an einer anderen Hautstelle ein malignes Melanom zu bekommen um den Faktor 2,55.