Juckreiz kann jetzt gemessen werden

Mit einem neu entwickelten Sensor, der auf der Haut platziert wird, lässt sich erkennen, wo es juckt, wie viele Kratzbewegungen stattfinden und daraus ermitteln, wie stark es juckt. Kurz: Pruritus wird quantifizierbar.

Patientin Juckreiz

Obwohl der Juckreiz ein häufiges und oft auch quälendes Symptom vieler Hauterkrankungen ist, wurde ihm bisher in Forschung und Therapie nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat sich mit der Einführung von Biologika in die dermatologische Behandlungspalette geändert, da viele der therapeutischen Antikörper ursächlich Hauterkrankungen bessern können. Wie gut diese neuen Therapieoptionen allerdings auf den Juckreiz wirken, konnte bisher nicht genau quantifiziert werden. Lediglich mit subjektiven visuellen Bewertungsskalen – analog zur Schmerzdiagnostik − konnte die Heftigkeit des Pruritus dargestellt werden.

Mit ADAM dem Jucken auf der Spur

Das könnte nun anders werden: ein US-amerikanisches Forscherteam hat eine nicht-invasiven Technologie zur objektiven Quantifizierung des Kratzverhaltens entwickelt. Der dehn- und drehbare ADAM (ADvanced Acousto-Mechanic) -Sensor bindet wie ein Pflaster sanft an die Haut. Er sammelt dort Signale niedriger Frequenzen, die z.B. durch Bewegung entstehen, sowie akustisch-mechanische Signale hoher Frequenz aus dem Körper und überträgt diese per Bluetooth-Technologie. Der Sensor wird von Außengeräuschen nicht beeinflusst und verfügt über eine drahtlos wiederaufladbare Batterie, die eine kontinuierliche Laufzeit von einer Woche ermöglicht.

Sensor registriert Kratzgeräusche

Der ADAM wird zwischen den Mittelhandknochen des 2. und 3. Fingers platziert und kann das Kratzverhalten quantifizieren, das vom Handgelenk bzw. Arm ausgeht, ebenso wie von den Fingern und Fingerspitzen – einschließlich von Vibrationen durch das Kratzen selbst.

Um diese Daten auszuwerten, haben die Wissenschaftler auch einen auf maschinellem Lernen basierenden Algorithmus entwickelt. Damit lassen sich die Daten, die bei Gesunden (n = 10) gesammelt wurden mit denen von Juckreiz-Patienten abgleichen. Erprobt haben das die Entwickler bei Neurodermitis-Patienten (n = 11).

Mit AD-Kindern validiert

Die Validierung erfolgte mit 11 Kindern, die unter moderater bis schwerer Atopischer Dermatitis (AD) litten. Im Vergleich zu Aufzeichnungen mit einer Infrarotkamera, erreichte ADAM während der Testphase in 46 Nächten eine Genauigkeit von 99 % (84,3 % Sensitivität bei 99,3 % Spezifität).

Alltagsgeräusche werden ausgeblendet

Mit dieser Mustererkennung kann festgestellt werden, wie oft welches Körperteil gekratzt wird. Um Verwechslungen mit täglichen Aktivitäten der Hand wie Winken, Schreiben am Handy oder Computer oder der Bedienung einer Computermaus vorzubeugen, haben die Forscher zur sicheren Unterscheidung die Kratz-Signale in Audiodateien transformiert, die sich ähnlich interpretieren lassen wie die Geräusche in einem Stethoskop.

Genauer als Vorgängertechnik

Nach Einschätzung der Autoren verbessert ADAM den automatischen Nachweis von Kratzbewegungen. Denn im Gegensatz zu einer für die Apple Watch verfügbaren App, dem „Itch Tracker“, erzeugte ADAM keine falsch negativen Signale.

Die Autoren hoffen, dass diese höhere Genauigkeit von ADAM im Vergleich zu den „einfachen“ Smartwatches / Apps in klinisch relevante Vorteile bei der Diagnose und beim Monitoring umgewandelt werden kann. Davon hänge auch ab, ob diese neue Technik in die Praxis Einzug halten wird.

Autor:
Stand:
11.06.2021
Quelle:

Chun KS et al.(2021): A skin-conformable wireless sensor to objectively quantify symptoms of pruritus. Science Advances. doi: 10.1126/sciadv.abf9405.

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