
Seit fast eineinhalb Jahren bieten Krankenkassen ihren Mitgliedern über eine App Zugang zur ePA, der elektronischen Patientenakte. Bisher nutzt jedoch nur ein verschwindend geringer Anteil der Patientinnen und Patienten das Angebot. Um die Digitalisierung weiter voranzutreiben, arbeitet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) bereits seit einigen Jahren an einem Konzept für eine elektronische Diabetesakte (eDA). Ursprünglich als möglicher Ersatz für das Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes gedacht, sollte dieses in der Zukunft abgeschafft werden, ist daraus die eDA entstanden. Sie soll eine Ergänzung zur ePA darstellen.
eDA kurzgefasst
Die eDA soll direkt an die ePA andocken und an ein Diabetesregister angeschlossen werden. Ziel ist es, die Versorgung von Diabetikerinnen und Diabetikern nach dem medizinischen Standard der Deutschen Diabetes Gesellschaft zu gewährleisten und problemorientiert zu verbessern, wie es im März im Journal »Der Diabetologe« hieß.
Ärztlich geführte Ergänzungsakte
Während die ePA allein patientengeführt ist, soll die eDA hingegen eine primär durch Leistungserbringende geführt werden. Sie würde so eine digitale Fachergänzungsakte zur ePA darstellen, die interdisziplinär und transsektoral betreut und gefüllt werden kann. Dafür müssen Patientinnen und Patienten einmal innerhalb der Benutzeroberfläche der ePA zustimmen, dass eine eDA angegliedert werden darf. Anschließend können Leistungserbringer Daten in die eDA einstellen. Für Patienten soll so eine stärker standardisierte, auswertbare, leitlinienbasierte transsektorale Versorgung sichergestellt werden.
Interdisziplinäre Kommunikation
„Die eDA soll keine Doppelstruktur der ePA werden“, sagte Professor Dirk Müller-Wieland von der Kommission Digitalisierung in der DDG. Im Gegenteil: Daten sollen nicht in der ePA und in der eDA eingegeben werden müssen. Zu Beginn sollen zunächst zentrale Funktionen und nach und nach weitere Tools integriert werden. So könnte beispielsweise ein Ort für interdisziplinäre Kommunikation und Konsile geschaffen werden.
Das System wird derzeit in Kooperation mit der Data4Life GmbH aus Potsdam und der InterSystems GmbH aus Darmstadt erstellt. Ausrichten soll sich das System am „Code of Conduct Digital Health DDG“, erstmalig publiziert im September 2017. Aktuell wird hierauf basierend in der DDG ein auf die eDA zugeschnittener Kodex erarbeitet, der im Herbst verabschiedet werden soll.
Wissenschaftliche Nutzung der eDA
Länder mit Gesundheitssystemen nach dem Beveridge-Modell haben sie schon länger, die Diabetesregister. Sie bieten Forschenden die Möglichkeit, große Datensätze anonymisiert auszuwerten, Trends in der Bevölkerung zu erkennen und neue Erkenntnisse zum Diabetes zu gewinnen. In Deutschland gibt es zwar bereits große Diabetesstudien, an die Datensatzgrößen aus beispielsweise Großbritannien und Schweden kommen sie jedoch nicht heran. Diese Lücke soll mit dem an die eDA angeschlossenen Diabetesregister geschlossen werden. Durch Treuhandstellen sollen hier pseudonymisierte Patientendaten im FHIR-Format gespeichert werden. Mittels Querrys, Clusteranalysen und Machine Learning Algorithmen könnten Hypothesen überprüft, im Dashboard Altersverteilungen, Komorbiditäten und Co. Herausgesucht werden. Auch Alertsysteme könnten eingerichtet werden, die beim Auftreten von bestimmten Warnmustern greifen. So könnten kontinuierlich zeitnahe, patientenbezogene, medizinische und gesundheitsökonomische Analysen durchgeführt werden.
DMP Plus
Hand in Hand mit der eDA geht ein weiteres Projekt der DDG: DMP Plus. Bereits 2012 entstand das Projekt „Versorgungslandschaft Diabetes“, das ursprünglich geplant wurde für den Fall, dass die DMPs wieder abgeschafft werden sollten. In den letzten vier Jahren hat die DDG dieses Projekt nun weiterentwickelt. Damit sollen unter anderem Versorgungsprozesse und -ergebnisse von Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes sowie die Versorgungskosten optimiert werden. Das Projekt soll neue Schnittstellen in der Versorgung definieren und schaffen und vor allem telemedizinische Werkzeuge mit einbinden.
Laufender Innovationsfondantrag
Aktuell läuft ein Innovationsfondantrag zusammen mit dem Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) und der Hausärztliche Vertragsgemeinschaft Aktiengesellschaft (HÄVG) als Konsortialpartner. Mit der Techniker Krankenkasse ist eine gesetzliche Krankenkasse ebenfalls vertreten. In der Konzepterprobung im Rahmen des Antrags sollen eine oder mehrere Pilotregionen ausgewählt werden, aus denen Arztpraxen aus der ersten und zweiten Versorgungsebene mit entsprechendem Potential an Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes teilnehmen und das Konzept testen. Die Laufzeit soll insgesamt 48 Monate betragen. Weißt sich das Konzept als erfolgreich mit Mehrwert und Verbesserung der Versorgung, soll es in die Regelversorgung überführt werden.