
Diabetes ist weltweit auf dem Vormarsch. Die Statistiken sind besorgniserregend. Im Nahen Osten beispielsweise soll die Zahl der Menschen mit Diabetes allein bis 2035 um 96,2% steigen. Das bringt neben den Kosten der Behandlung auch Folgeerkrankungen für die Betroffenen mit sich, denn Diabetes ist eine komplikationsreiche Krankheit.
Fußulzera - ein großes Problem bei Diabetes
Eine der häufigsten Komplikationen, die zu Klinikaufenthalten führen und ein sehr ernstes Risiko für die Betroffenen bedeuten, sind Fußulzera. Häufig brauchen solche Patienten langfristig medizinische Behandlungen und sind mit einem schlechteren Outcome konfrontiert. Von allen Menschen mit Diabetes entwickelt im Schnitt jeder fünfte Mensch einen diabetischen Fußulkus. Bei 15% der Patienten schreitet der Ulkus so weit fort, dass die betroffene Gliedmaße irgendwann amputiert werden muss.
Die globale Prävalenz von Fußulzera ist von 3% auf 23% gestiegen. Die Mortalitätsrate nach Gliedmaßamputationen liegt in den darauffolgenden drei Jahren bei 50%. Menschen in Ländern mit einem geringen Einkommen haben ein 30% höheres Risiko für Fußulzera als Menschen in Ländern mit hohem Einkommen.
In einer malaysischen Studie lag die Prävalenz für Amputationen bei hospitalisierten Menschen mit diabetischen Fußproblemen bei 88,7%. Dazu zählten sowohl Minor- als auch Majoramputationen. Im Bahrain mussten Menschen mit Diabetes 25-mal häufiger Gliedmaßen amputiert werden als Menschen ohne Diabetes. Von den Beinamputationen insgesamt entfielen 70% auf Diabetikerinnen und Diabetiker. Weltweit gesehen bedeutet das, dass alle 30 Sekunden irgendwo auf der Welt einem Diabetiker oder einer Diabetikerin ein Gliedmaß aufgrund krankheitsbedingter Komplikationen amputiert werden muss.
Erfolgreiches Selbstmanagement
Es müsste jedoch in vielen Fällen gar nicht erst so weit kommen, dass Gliedmaßen amputiert werden müssen. Etwa 50% bis 80% der diabetischen Fußulzera könnten verhindert werden, wenn die Betroffenen besser über ihre Erkrankung Bescheid wüssten, eine gute Grundeinstellung dazu hätten und gut in Bezug auf die Prävention von Fußulzera geübt wären. Diese drei Faktoren - Wissen, Einstellung und Übung - zählen zu den wichtigen Faktoren im Management von diabetischen Füßen. Zusammengenommen hängen sie direkt mit dem Selbstmanagement und dem Gesundheitsoutcome zusammen. Sie können auch bestimmen, ob jemand das Behandlungsziel erreichen wird oder nicht.
Bisher gibt es jedoch relativ wenig Evidenz, dass Wissen, Fähigkeiten und regelmäßige Selbstfürsorge oder Selbstpflege zu früheren medizinischen Konsultationen bei diabetischen Fußulzera führen oder wie sich Wissen, Einstellung und Übung bei den Betroffenen verhalten. Eine palästinensische Studie hat sich nun genauer angeschaut, wie es um diesen drei Faktoren bei Diabetikerinnen und Diabetikern gestellt ist. Die Daten wurden im Journal »Clinical Diabetes« publiziert.
Zielsetzung
Die palestinensische Studie sollte das aktuelle Level der Dreierkombination aus Wissen, innerer Einstellung und Übung bei Menschen mit Diabetes untersuchen. Der Fokus lag auf der Prävention von diabetischen Fußulzera.
Methodik
Die Querschnittsstudie wurde von März bis Mai 2021 in staatlichen palästinensischen Kliniken durchgeführt. Insgesamt nahmen 483 Menschen mit Diabetes an der Studie teil. Die Teilnehmenden wurden mithilfe von zwei Fragebögen zur Pflege und Versorgung von diabetischen Füßen mit Schwerpunkt auf der Prävention von diabetischen Fußulzera befragt. Im ersten Teil des Fragebogens wurden demographische Informationen gesammelt. Der zweite Teil bestand aus 25 Fragen - 10 Fragen zum Wissen, 5 Fragen zur Einstellung und 10 Fragen zur praktischen Fußpflege. Die Fragen setzten sich zusammen aus einer Mischung von geschlossenen und offenen Fragen.
Alle Antworten wurden evaluiert und in drei Gruppen unterteilt, die sich anhand durchschnittlicher Scores mit Cutoff-Werten ergaben. Als gut galt etwas, wenn der Score in diesem Bereich ≥8 war, als zufriedenstellend bei 4 bis 7 und als schlecht bei ≤3. Der Fragebogen hatte einen Cronbach alpha von 0,770.
Ergebnisse
Die befragte Gruppe setzte sich aus Menschen mit einem durchschnittlichen Alter von 49,91 ± 9,10 Jahren zusammen. Mit 38,5% waren die 50- bis 59-Jährigen die häufigste Altersgruppe. Etwas mehr als die Hälfte war weiblich (57,8%) und 61,7% der Teilnehmenden verheiratet.
Das Wissen der Betroffenen zur Prävention von diabetischen Fußulzera war in 68,7% der Fälle zufriedenstellend, 28,0% hatten einen schlechten Wissenstand. Nur 3,3% aller Teilnehmenden erreichte ein gutes Wissen. Auch bei der Einstellung hatte die Mehrheit ein ungünstiges Verhältnis zu dem Thema. Im Vergleich dazu erreichte aber mehr als die Hälfte einen Score im Bereich der zufriedenstellenden Praxis oder Übung (58,8%) in Bezug auf die Prävention. Knapp ein Drittel (31,9%) hatte einen schlechten Praxisstand und 10,4% einen guten.
Wurden die verschiedenen Variablen miteinander in Verbindung gesetzt, zeigte sich eine statistisch signifikante Assoziation zwischen dem Wissensniveau der Betroffenen und ihrer Einstellung zur Prävention von diabetischen Fußulzera (Chi²=12,145; df=1; p=0,001). Unverheiratete Teilnehmende hatten häufiger (1,7-fach) ein umfassenderes Wissen als Verheiratete (adjustierte Odds Ratio (OR) 1,778; 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) 1,138-2,776; p=0,011). Das monatliche Einkommen und der Beruf hatten keinen signifikanten Einfluss darauf, der Ausbildungsstand hingegen schon. Teilnehmende mit einem Uniabschluss hatten um den Faktor 1,9 häufiger eine bessere Einstellung zu dem Thema als Menschen, die nur eine allgemeine Schulausbildung absolviert hatten (adjustierte OR 1,611; 95%-KI 1,040-2,495; p=0,033). Ähnlich verhielt es sich mit einer weiterführenden Schulbildung. Hier war die Wahrscheinlichkeit für eine bessere Einstellung sowie bessere Praxis-Scores immer noch um 0,5 höher (adjustierte OR 0,561; 95%-KI 0,357-0,882; p=0,012).
Jüngere Teilnehmende schnitten insgesamt besser ab als ältere: Die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen lag dabei am weitesten vorne. Die 40- bis 49-Jährigen hatten eine um den Faktor 0,48 weniger wahrscheinlich vorteilhafte Einstellung (adjustierte OR 0,481; 95%-KI 0,272-0,849, p=0,012), die 50- bis 59-Jährigen um den Faktor 0,44 (adjustierte OR 0,446; 95%-KI 0,259-0,767; p=0,004). Insgesamt erreichte aber bei allen Altersgruppen immer nur ein kleiner Prozentsatz der Studienteilnehmenden überhaupt hohe Scores für Wissen, Einstellung und Praxis oder Übung.
Fazit
Das Wissen zu diabetischen Fußulzera und die eigene Einstellung zur Prävention selbiger sind signifikant miteinander assoziiert. Das zeigt sich in den Ergebnissen der Studie. Auch der Ehestatus ist ein Indikator für das Wissen der Betroffenen zu diesem Thema. Unverheiratete Teilnehmende hatten meist einen besseren Wissensstand zur Prävention von diabetischen Fußulzera als verheiratete. Zusätzlich sind Menschen mit einem hohen Bildungsstand meist besser zur Prävention eingestellt.
Das sollte bedacht werden, wenn die optimale Managementstrategie für diabetische Fußulzera erarbeitet wird. Patientinnen und Patienten sollten darin unterstützt werden, diese drei Faktoren zu verbessern - Wissen, Einstellung und Praxis oder Übung - und die, die Hilfe brauchen, um darin besser zu werden, sollten durch regelmäßige Follow-Up Untersuchungen herausgefiltert werden.