Bei Diabetes mellitus unterscheidet man verschiedene Formen. Am bekanntesten sind Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes sowie Gestationsdiabetes. Allen gemeinsam ist eine erhöhte Blutzuckerkonzentration bzw. Hyperglykämie.
Diabetes mellitus umfasst eine Gruppe metabolischer Erkrankungen, die durch chronische Hyperglykämie infolge von Störungen der Insulinsekretion, der Insulinwirkung oder einer Kombination beider Faktoren charakterisiert sind.
Typ-1-Diabetes: Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas angreift und zerstört. Diese Zerstörung führt zu einem absoluten Insulinmangel, was bedeutet, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist, eigenes Insulin zu produzieren. Typ-1-Diabetes tritt häufig im Kindes- und Jugendalter auf, kann jedoch auch bei Erwachsenen diagnostiziert werden. Ohne exogene Insulinzufuhr führt die Erkrankung zu lebensbedrohlichen Zuständen wie der diabetischen Ketoazidose.
Typ-2-Diabetes: Typ-2-Diabetes ist die häufigste Form des Diabetes und macht etwa 90-95% aller Diabetesfälle aus. Er ist primär durch eine Insulinresistenz charakterisiert, bei der die Körperzellen nicht mehr angemessen auf Insulin reagieren. Dies führt zu einer kompensatorischen Hyperinsulinämie, die jedoch im Laufe der Zeit nicht mehr ausreichend ist, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zusätzlich zu einer Erschöpfung der Betazellen und einem relativen Insulinmangel. Typ-2-Diabetes tritt häufig bei Erwachsenen auf, wird jedoch zunehmend auch bei jüngeren Menschen diagnostiziert, insbesondere im Zusammenhang mit Adipositas und einem inaktiven Lebensstil.
Spezifische Diabetes-Formen (früher als Typ-3-Diabetes bezeichnet): Diese heterogene Gruppe umfasst verschiedene Formen des Diabetes, die durch spezifische ätiologische Faktoren ausgelöst werden, wie genetische Defekte der Betazellfunktion (z.B. MODY - Maturity-Onset Diabetes of the Young), Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z.B. Pankreatitis, zystische Fibrose), endokrine Erkrankungen (z.B. Cushing-Syndrom, Akromegalie) sowie medikamentös induzierter Diabetes (z.B. durch Glukokortikoide).
Gestationsdiabetes (GDM): Gestationsdiabetes ist eine Form von Diabetes, die erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird. Sie entsteht, wenn Schwangerschaftshormone wie Progesteron und Östrogen die Insulinempfindlichkeit verringern und die Betazellen des Pankreas nicht in der Lage sind, die notwendige Insulinmenge zu produzieren, um den Blutzuckerspiegel auf einem normalen Niveau zu halten. GDM birgt Risiken sowohl für die Mutter (z.B. erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes in der Zukunft) als auch für das Kind (z.B. Makrosomie, Neugeborenenhypoglykämie).
Pathogenese
Die Pathogenese der verschiedenen Diabetesformen ist unterschiedlich und reflektiert die zugrunde liegenden ätiologischen Mechanismen. Bei Typ-1-Diabetes führt die autoimmune Zerstörung der Betazellen zu einem absoluten Insulinmangel, während Typ-2-Diabetes durch eine komplexe Interaktion zwischen genetischer Prädisposition und Umweltfaktoren entsteht, die zu Insulinresistenz und β-Zell-Dysfunktion führen. Die spezifischen Diabetes-Formen resultieren aus einer Vielzahl pathologischer Prozesse, die den Glukosestoffwechsel stören.
Symptome
Die klinischen Symptome von Diabetes mellitus sind abhängig von der Erkrankungsform und dem Schweregrad der Hyperglykämie. Typ-1-Diabetes manifestiert sich häufig akut mit Polyurie, Polydipsie, Polyphagie und Gewichtsverlust, während Typ-2-Diabetes schleichend und oft asymptomatisch verlaufen kann. Spezifische Formen des Diabetes zeigen ein breites Spektrum an Symptomen, abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie.
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt primär durch die Bestimmung des Blutzuckerspiegels. Diagnostische Kriterien umfassen einen Nüchternblutzuckerwert ≥ 126 mg/dl, einen 2-Stunden-OGTT-Wert ≥ 200 mg/dl, einen HbA1c-Wert ≥ 6,5% oder einen zufälligen Plasmaglukosewert ≥ 200 mg/dl bei Vorliegen klassischer Symptome. Bei Verdacht auf spezifische Diabetes-Formen sind zusätzlich
Therapie
Die Behandlung zielt auf die Normalisierung des Blutzuckerspiegels und die Prävention von Komplikationen. Bei Typ-1-Diabetes ist eine Insulintherapie unerlässlich, während bei Typ-2-Diabetes eine Kombination aus Lebensstiländerungen und medikamentöser Therapie angewendet wird. Die Behandlung spezifischer Diabetes-Formen erfordert oft eine individualisierte Therapie, die auf die zugrunde liegende Ätiologie abgestimmt ist.
Therapie des Typ-1-Diabetes
Insulintherapie:
Die Insulintherapie ist die zentrale Behandlungssäule bei Typ-1-Diabetes, da die Patienten einen absoluten Insulinmangel aufweisen. Die Insulintherapie kann in verschiedenen Formen erfolgen:
Basis-Bolus-Therapie: Diese besteht aus einer Kombination von langwirksamem Basalinsulin, das die physiologische Insulinsekretion im nüchternen Zustand imitiert, und schnellwirksamem Bolusinsulin, das zu den Mahlzeiten gespritzt wird, um den postprandialen Blutzuckeranstieg zu kontrollieren.
Insulinpumpentherapie: Eine Insulinpumpe gibt kontinuierlich kleine Mengen Insulin (Basalrate) ab und ermöglicht es dem Patienten, zusätzliche Bolusdosen bei Mahlzeiten oder zur Korrektur von Hyperglykämien abzugeben. Diese Therapieform bietet eine flexiblere und präzisere Insulindosierung und ist besonders für Patienten geeignet, die mit herkömmlicher Therapie keine gute Blutzuckerkontrolle erreichen.
Continuous Glucose Monitoring (CGM): CGM-Systeme messen kontinuierlich den Glukosespiegel im Gewebe und liefern Echtzeitdaten, die Patienten und Ärzten helfen, die Insulindosierung besser anzupassen und Hypoglykämien zu vermeiden.
Lebensstilinterventionen:
Obwohl Insulintherapie entscheidend ist, spielen auch Ernährungsmanagement und regelmäßige körperliche Aktivität eine wichtige Rolle bei der Blutzuckerkontrolle. Patienten mit Typ-1-Diabetes sollten in der Kohlenhydratberechnung geschult werden, um die Insulindosis entsprechend den Mahlzeiten anzupassen.
Therapie des Typ-2-Diabetes
Lebensstiländerungen:
Lebensstilinterventionen sind die erste Therapieoption bei neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes. Sie umfassen:
Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene, kalorienkontrollierte Ernährung, die reich an Ballaststoffen, Gemüse und Vollkornprodukten ist und wenig gesättigte Fette und Zucker enthält, kann die Insulinempfindlichkeit verbessern und den Blutzuckerspiegel senken.
Gewichtsreduktion: Eine moderate Gewichtsabnahme (5-10% des Körpergewichts) kann die Blutzuckerkontrolle signifikant verbessern und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen.
Körperliche Aktivität: Regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens 150 Minuten pro Woche moderate Intensität) erhöht die Insulinsensitivität und hilft, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren.
Pharmakologische Therapie:
Wenn Lebensstilinterventionen allein nicht ausreichen, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, werden Medikamente hinzugefügt. Die Wahl der Medikation hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Dauer der Erkrankung, dem Vorhandensein von Komorbiditäten und dem Risiko für Nebenwirkungen.
Metformin: Es ist das Mittel der ersten Wahl bei Typ-2-Diabetes. Es senkt die Glukoseproduktion in der Leber und verbessert die Insulinsensitivität. Metformin hat auch positive Auswirkungen auf das Körpergewicht und zeigt eine günstige Wirkung auf kardiovaskuläre Outcomes.
Sulfonylharnstoffe: Diese Medikamente erhöhen die Insulinsekretion, indem sie die Betazellen des Pankreas stimulieren. Sie können jedoch das Risiko für Hypoglykämien und Gewichtszunahme erhöhen.
DPP-4-Inhibitoren: Diese Medikamente verbessern die Blutzuckerkontrolle, indem sie den Abbau von Inkretinen (GLP-1 und GIP) verhindern, die die Insulinsekretion steigern und die Glukagonfreisetzung hemmen.
GLP-1-Rezeptoragonisten: Diese Medikamente ahmen das Inkretin-Hormon GLP-1 nach, welches die Insulinsekretion fördert, die Magenentleerung verzögert und das Sättigungsgefühl erhöht. Sie sind besonders nützlich für Patienten, die neben Typ-2-Diabetes auch übergewichtig sind.
SGLT-2-Inhibitoren: Diese wirken durch Hemmung der renalen Glukoserückresorption, was zu einer erhöhten Glukoseausscheidung im Urin führt. SGLT2-Inhibitoren haben auch kardioprotektive und nephroprotektive Wirkungen gezeigt.
Insulin: Bei fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes oder wenn andere Medikamente unzureichend sind, kann Insulin notwendig sein. Dies kann als Basalinsulin, als prandiale Insulintherapie oder in einer Mischtherapie verabreicht werden.
Bariatrische Chirurgie: Für stark adipöse Patienten kann eine bariatrische Chirurgie in Betracht gezogen werden, die zu einer signifikanten Gewichtsreduktion und auch zu einer Remission des Diabetes führen kann.
Prognose
Die Prognose variiert stark je nach Diabetesform und Behandlungserfolg. Eine gute Blutzuckerkontrolle und das Management von Komplikationen sind entscheidend für die langfristige Prognose. Typ-1-Diabetes und schlecht kontrollierter Typ-2-Diabetes führen zu erhöhten Risiken für mikrovaskuläre und makrovaskuläre Komplikationen. Die spezifischen Diabetes-Formen weisen aufgrund ihrer Heterogenität ebenfalls unterschiedliche Prognosen auf.
Prophylaxe
Die Prävention von Typ-2-Diabetes durch Lebensstilmodifikationen ist effektiv und umfasst eine gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und Gewichtsmanagement. Für Typ-1-Diabetes und die spezifischen Formen existieren derzeit keine gesicherten Präventionsstrategien, jedoch ist die Früherkennung und das rechtzeitige Management von Risikofaktoren von zentraler Bedeutung.
Hinweise
Früherkennung: Regelmäßige Blutzuckerkontrollen, insbesondere bei Risikopatienten (Übergewicht, familiäre Vorbelastung), sind entscheidend. Typ-2-Diabetes verläuft oft asymptomatisch.
Patientenschulung: Förderung des Selbstmanagements durch Schulungen zu Blutzuckerkontrollen, Ernährung und körperlicher Aktivität. Bedeutung der Medikamenteneinnahme und Anpassung bei Stress oder Erkrankungen.
Komplikationsüberwachung: Regelmäßige Kontrollen auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Neuropathie und Retinopathie, um frühzeitig therapeutische Maßnahmen einzuleiten.
Therapieanpassung: Individuelle Anpassung der Therapie bei Veränderungen im Lebensstil oder Gesundheitszustand, um eine optimale Blutzuckerkontrolle zu gewährleisten.
Aufklärung: Fundierte Information der Patienten und ihrer Familien über die Erkrankung und mögliche Komplikationen. Nutzung von Schulungsprogrammen und Selbsthilfegruppen zur Unterstützung.
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