
Hintergrund
Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist ein optimaler HbA1c (Glykohämoglobin Typ A1c)-Wert zur Risikoreduktion diabetesbedingter Folgeerkrankungen wichtig. In der Regel wird ein Zielwert zwischen 6,5% und 7,5% angestrebt. Für die Einstellung der Blutglukose stehen heute eine Vielzahl an Maßnahmen und Arzneimitteln zu Verfügung.
Die Evidenz zur Effektivität glukosespiegelsenkender Wirkstoffe und deren Kombinationen in der Anwendung, zu wichtigen Prädiktoren für die Notwendigkeit einer Zweitlinientherapie und für das Nichtansprechen auf eine basalinsulinunterstützte orale Therapie wurde bisher nicht ausreichend zusammengefasst.
Zielsetzung
Esther Jacobs vom Institut für Biometrie und Epidemiologie des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und vom Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf und Kollegen erstellten eine Übersicht über neue Studien zur Effektivität glukosespiegelsenkender Therapien bei Menschen mit Typ-2-Diabetes in der primären vertragsärztlichen Versorgung mit dem Schwerpunkt auf Deutschland [1].
Methodik
Die Forscher ermittelten aus Medline relevante aktuelle Studien zur Versorgungslage, die auf Routinedaten oder Informationen aus Datenbanken, wie der primärärztlichen Datenbank IMS® Disease Analyzer basierten. Sie fassten diese thematisch zusammen und diskutierten sie. Der Beobachtungszeitraum reichte von 2000 bis 2016. Die Auswertung umfasst Daten zu rund 31.000 Patienten.
Ergebnisse
In den letzten Jahren verbesserte sich die glykämische Einstellung bei Personen mit Typ-2-Diabetes in Deutschland. Insgesamt war mit verschiedenen Kombinationstherapien eine ähnliche Senkung des HbA1c-Wertes innerhalb von 6 Monaten möglich. Dennoch erreichen unabhängig von der glukosespiegelsenkenden Therapie 40% der Patienten im mittleren Alter von 63 Jahren auch 6 Monate nach Beginn einer Zweitlinientherapie keinen optimalen HbA1c-Wert von <7% [53 mmol/mol].
Nach statistischer Adjustierung für Alter, Geschlecht, Art der Krankenversicherung, Ausgangs-HbA1c-Wert sowie Begleit- und Folgekrankheiten waren Glitazone, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und DPP-4-Hemmer im Vergleich zu Sulfonylharnstoff-Präparaten mit einer höheren Chance assoziiert, einen HbA1c-Zielwert von <7% zu erreichen. Insulin zeigte hingegen ein um 34% geringeres Chancenverhältnis hierfür.
Ein hoher HbA1c-Wert zu Beginn der Behandlung war mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit für eine optimale glykämische Einstellung assoziiert. Die Forscher identifizierten eine frühe Intensivierung der glukosespiegelsenkenden Therapie, jüngeres Alter bei der Diabetesdiagnose und einen niedrigen Body-Mass-Index als wichtige Faktoren zur Reduktion und späteren Stabilisierung des HbA1c-Werts.
Fazit
Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass die Effektivität glukosespiegelsenkender Therapien bei Typ-2-Diabetes in Deutschland gesteigert werden kann. Patienten erhielten häufig zu spät eine geeignete Kombinationstherapie, die den HbA1c-Wert in den ersten Jahren nach Diagnose besser reduziert als Monotherapien.
Die Co-Autoren der Studie sind Mitarbeiter von IQVIA (Frankfurt), dem Datenhalter von IMS®Disease Analyzer bzw. erhielten Honorare für Vortrags- und Beratertätigkeit von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Novo Nordisk und IQVIA sowie finanzielle Forschungsunterstützung von Novo Nordisk.