Coronavirus kann Leberzellen langfristig schädigen

Erhöhte Leberenzymwerte bei hospitalisierten COVID-19-Patienten, der Nachweis viraler SARS-CoV-2-RNA in Leber-Autopsieproben sowie hepatische Entzündungsaktivitäten und veränderte Stoffwechselprogramme sprechen für eine direkte Leberbeteiligung der Coronaviren.

Bauchschmerzen rechts

Eine Assoziation zwischen dem Coronavirus und potenziellen Langzeitfolgen an Organen wie Lunge, Herz und Nieren gilt als gesichert; ein möglicher hepatischer Tropismus von SARS-CoV-2 wird angenommen. In zwei unabhängigen Kohorten stationär behandelter COVID-19-Patienten detektierte ein Forscherteam um Dr. Nicola Wanner vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) pathologische Leberfunktionswerte als häufiges klinisches Merkmal von COVID-19. Ferner konnten die Wissenschaftler virale RNA und infektiöse SARS-CoV-2-Viren aus hepatischen Autopsieproben isolieren. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal Nature Metabolism publiziert.

Zielsetzung

Seit einiger Zeit weiß man, dass ein Teil der COVID-19-Patienten erhöhte Leberwerte aufweist; ein direkter hepatischer Tropismus von SARS-CoV-2 wurde noch nicht nachgewiesen. Die Hamburger Arbeitsgruppe untersuchte drei Patientenkohorten mit dem Ziel, eine mit SARS-CoV-2-Viren assoziierte Leberzellschädigung zu belegen.

Methodik

Die Wissenschaftler untersuchten in einer international angelegten Studie drei Patientenkollektive. Kollektiv 1 bestand aus 99 stationär behandelten COVID-19-Patienten. Diese wurden in zwei weitere Kollektive unterteilt: Teilgruppe 1 umfasste Patienten (n = 72), die COVID-19-bedingt stationär aufgenommen werden mussten, Teilgruppe 2 solche (n = 27), die während des Klinikaufenthalts eine SARS-CoV-2-Infektion bekamen. Als Marker dienten die Konzentrationen der Leberenzyme Aspartat-Aminotransferase (ASAT) und Alanin-Aminotransferase (ALAT). Als Validierungsgruppe (Kohorte 2) dienten Patienten, die aufgrund von COVID-19 stationär aufgenommen wurden (n = 1219). Kohorte 3 beinhaltete Leber-Autopsieproben von verstorbenen COVID-19-Patienten (n = 45), die auf histopathologischer, molekularer und bioinformatischer Ebene untersucht wurden.

Ergebnisse

Bei den aufgrund von COVID-19 hospitalisierten Patienten in Gruppe 1 litten 1,4 Prozent an einer Lebergrunderkrankung. Dennoch wurden bei 63 Prozent der Patienten erhöhte ASAT- und in 39 Prozent erhöhte ALAT-Werte ermittelt. Ebenso stiegen beide Leberenzymwerte nach einer nosokomialen SARS-CoV-2-Infektion an. In der Validierungsgruppe wiesen bei Klinikaufnahme 57 Prozent (n = 699) erhöhte ASAT-Werte und 37 Prozent (n = 452) erhöhte ALT-Werte auf. Darüber hinaus waren erhöhte Leberfunktionswerte zu Beginn und in der zweiten Woche des Klinikaufenthalts mit der Sterblichkeit assoziiert.

Die Lebergewebeproben von Verstorbenen mit einer diagnostizierten SARS-CoV-2-Infektion (Gruppe 3) zeigten auffällige Leberzellveränderungen. In 69 Prozent der Fälle (n = 31) konnte das RNA-Virusgenom von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Bei einem Teil der Proben isolierten die Wissenschaftler sogar aktive SARS-CoV-2-Viren. Hochauflösende Transkriptom- und Proteom-Analysen ergaben zudem veränderte Stoffwechselvorgänge und aktivierte Entzündungsprogramme ähnlich den Aktivitätsprofilen bei unterschiedlichen Hepatitis-Formen. So wurden die Lipid- und Phospholipid-Stoffwechselprozesse gesteigert und die Interferon (IFN)-I- und -II-Reaktionen hochreguliert. „Diese Ergebnisse unterstreichen erneut, wie vielfältig die potenziellen Schädigungsmechanismen bei COVID-19 sind. Es ist zu befürchten, dass wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vermehrt COVID-19 Folgeerkrankungen in Organen wie Leber und Nieren sehen werden“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Tobias B. Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik (Nephrologie, Rheumatologie, Endokrinologie) des UKE.

Autor:
Stand:
04.04.2022
Quelle:
  1. Wanner, N. et al. (2022): Molecular consequences of SARS-CoV-2 liver tropism. Nat Metab. 2022 Mar; 4(3):310–9; DOI: 10.1038/s42255-022-00552-6.  
  2. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Pressemitteilung: COVID-19-Infektionen greifen die Leber an. 29. März 2022.
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige