Detektion von Arrhythmien durch Wearables

Ein kürzlich veröffentlichtes Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie gibt einen Überblick zur aktuellen Datenlage für den Einsatz von Wearables zur Detektion von symptomatischen und asymptomatischen Arrhythmien.

Wearable

Hintergrund

Die Digitalisierung schreitet im medizinischen Bereich immer weiter voran und führt dazu, dass neben professionellen Geräten immer häufiger Wearables von Laien dazu verwendet werden medizinische Daten zu generieren. Unter Wearables werden elektronische Geräte zusammengefasst, die direkt am Körper oder der Kleidung getragen werden und biophysikalische Daten (z.B. Kalorienverbrauch, Herzfrequenz, Pulskurven und EKGs) erheben. Ein aktuelles Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) verschafft nun einen Überblick über die aktuelle Datenlage des Einsatzes von Wearables für die Detektion von symptomatischen und asymptomatischen Arrhythmien, sowie über den gesundheitsökonomischen und rechtlichen Umgang.

Erkennung von Arrhythmien

Die elektrokardiographische Dokumentation von Arrhythmien stellt durch ihr teilweise nur sporadisches Auftreten eine Herausforderung im klinischen Alltag dar, ist aber für die zielgerichtete Therapie essentiell. Die häufigste Rhythmusstörung ist mit einer Prävalenz von 1-2% in der Gesamtbevölkerung das Vorhofflimmern (VF), das beim Großteil der Patienten asymptomatisch ist. Für das VF-Screening können tägliche Pulsmessungen, wiederholte EKG-Messungen und Langzeit-EKGs angewendet werden aber auch implantierte Loop-Rekorder, Herzschrittmacher und implantierbare Defibrillatoren. Als neue Möglichkeit kommen nun auch Wearables in Frage, die als Eventrekorder oder als aktive (vom Patienten selbst durchgeführte Aufzeichnung) und passive (anwenderunabhängige Aufzeichnung) Arrhythmiedetektoren zu Screeningzwecken verwendet werden können.

Technische Optionen

Zumeist werden Wearables in Form von Armbändern und Uhren in Verbindung mit entsprechenden Apps eingesetzt um die Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung oder Blutglukose zu bestimmen aber auch um EKGs und Pulswellen aufzuzeichnen und Arrhythmien zu entdecken.

Dies wird durch zwei unterschiedliche Technologien ermöglicht, der Photoplethysmographie (PPG) und der Elektrokardiographie (EKG). Die PPG basiert dabei auf der Bestimmung der Absorption von Infrarotstrahlung durch Hämoglobin, die sich durch verschiedene Blutmengen während der Systole und Diastole verändert. Bei abnehmender Blutmenge steigt die Absorption des Infrarotlichts an. Die EKG-basierte Methode nutzt die Ableitung elektronischer Oberflächensignale analog zum konventionellen EKG. Beide Methoden ermöglichen mit einer Software-Unterstützung Vorhofflimmern zu identifizieren.

Die Interpretation der Daten

Zunächst hängt die Genauigkeit der Detektion von der eingesetzten Methode ab, aber auch von der Art der vorliegenden Arrhythmie. Vergleicht man die PPG mit dem EKG zeigt sich eine Korrelation, wobei die Präzision bei höherer Herzfrequenz sowie beim Vorliegen von Vorhofflimmern abnimmt. Auch die körperliche Belastung und die damit verbundene Bewegung der Extremität kann die Bestimmung der Herzfrequenz beeinflussen. Die PPG führt insgesamt zu akzeptablen Daten und kann auch zur Detektion von Bradykardien, Tachykardien, Asystolien, ventrikulären Tachykardien und Kammerflimmern eingesetzt werden. Bei der Erkennung von Vorhofflimmern hat die PPG bei Wearables am Handgelenk eine Sensitivität und Spezifität von mehr als 90%, wenn zur Detektion ein Algorithmus basierend auf trainierter künstlicher Intelligenz verwendet wird. Sie kann sogar mit hoher Sensitivität und Spezifität zwischen Vorhofflimmern und Vorhofflattern unterscheiden. Für eine exakte Interpretation ist aber die Analyse der atrialen Aktivierung erforderlich, die nur elektrokardiographisch und nicht mittels PPG erfolgen kann.

Die Messung von Elektrokardiogrammen ist aktuell der Goldstandard in der Diagnose von Arrhythmien, wenn eine ärztliche Befundung stattfindet. Die Entwicklung der bisherigen Algorithmen erlaubt eine automatisierte, arzt-unabhängige Interpretation der Messungen.  So erreichen 1-Kanal-EKG-Geräte eine mit über 90% hohe Sensitivität und Spezifität zur Detektion von Vorhofflimmern. Mehr-Kanal-Geräte können sogar herkömmlichen Langzeit-EKG-Geräten überlegen sein. Insgesamt bieten somit Smartphone-Applikationen gute Resultate.

Anwendung bei verschiedenen Populationen

Die aktuellen Leitlinien der ESC empfehlen für verschiedene Risikogruppen ein opportunistisches oder systemisches Vorhofflimmerscreening, das möglichst kontinuierlich erfolgen sollte. Aktuell angewendete Verfahren wie Langzeit-EKGs, 12-Kanal- EKG oder Eventrekorderaufzeichnungen zu verschiedenen Zeiten und Intervallen werden empfohlen, sind aber nicht in der Lage subklinisches VF zu erkennen. Verschiedene Studien haben bereits gezeigt, dass Wearables potenziell in der Lage sind diese diagnostische Lücke zu schließen. So könnten Wearables nach einer herzchirurgischen Operation oder Katheterablatoin zur Detektion von postoperativem oder post-interventionellem VF eingesetzt werden. Leider zeigte sich aber auch, dass der Großteil der Personen bei denen durch Wearables mit PPG ein VF-Verdacht aufgekommen ist, keine weiterführende Diagnostik in Anspruch genommen hat. Eine definitive VF-Diagnose kann mittels PPG derzeit nicht gestellt werden und bedarf einer elektrokardiographischen Bestätigung vor einem Therapiebeginn. Ob dies in Zukunft möglich sein wird, müssen weitere Studien zeigen. Auch gibt es bislang keine Outcome-Studien zum wearablebasierten Vorhofflimmerscreening, die einen Nutzen über die Diagnose hinaus zeigen könnten.

Der zukünftige Umgang mit den Erkenntnissen

Definitiv muss man unterscheiden, ob die eingesetzten Wearables als Medizinprodukt zertifiziert sind oder lediglich ein Lifestyleprodukt sind. Daten von nicht-zertifizierten Geräte dürfen nicht für diagnostische oder gar therapeutische Zwecke herangezogen werden. Daten von zertifizierten Produkten sollten jedoch akzeptiert und genutzt werden. Dabei sollte aber beachtet werden, ob der Betroffene ausreichende Erfahrung im Umgang mit dem Wearable hat. Weiterhin eingeschränkt wird die Nutzung durch den Kostenfaktor, da sich nicht jeder solch ein Produkt leisten kann oder will. Grundsätzlich besteht aber für gesetzlich Versicherte der Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die eine Kostenerstattung ermöglichen könnten. Bis Stand März 2021 war aber noch keine DiGA für Arrhythmiediagnostik in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Den Einzug in die klinische Praxis haben Wearables zur Rhythmusdokumentation aber bereits geschafft.

Therapeutische Konsequenzen

Telemedizinische Behandlungskonzepte werden in der Medizin immer zahlreicher. Viele Wearables sind bereits zertifizierte Medizinprodukte und könnten im Rahmen ihrer Zweckbestimmung genutzt werden. Jedoch fehlen aktuell noch Standards für die telemedizinische Übermittlung der Daten und die Integration in die Patientenakte. Im Zuge der COVID-Pandemie wurde im Rahmen des TeleCheck-AF-Projektes europaweit ein Arzt-initiiertes, aber Patienten-zentriertes Rhythmusmonitoring mittels PPG-App etabliert. Der Einsatz von Wearables in der klinischen Routine fand ebenfalls vermehrt statt.

Rechtliche Rahmenbedingungen & Haftung

Eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen über die Vergütung und rechtliche Sicherheit des Arztes und des Patienten fehlen bisher noch. Es liegt jedoch bereits eine Gesetzesvorlauge vor, die vorsieht die erforderlichen Gesundheitsdaten des Patienten in eine nutzbare elektronische Patientenakte zu integrieren. Dies würde relevante Risiken maßgeblich minimieren. Weiterhin unterscheiden sich die haftungsrechtlichen Anforderungen zwischen der klassischen Medizin und der Telemedizin nicht. Der Arzt muss aufgrund seiner Fachkenntnisse erkennen können, ob die übermittelten Arrhythmiedaten des Wearables korrekt sind und die Datenübertragung vollständig erfolgreich war. Werden Daten von Wearables außerhalb ihrer Zweckbestimmung verwendet, liegt ein Off-label-Use vor.

Die allgemeinen Regeln des Datenschutzes sind anzuwenden. Der Arzt ist dann in der Rolle des Verantwortlichen, wenn er Wearables auf seine Anweisung hin und unter seiner Kontrolle einsetzt. Findet die Verwendung durch Initiierung des Patienten statt, beginnt die Verantwortlichkeit durch den Arzt erst dann, wenn er die Daten empfängt und in die ärztliche Behandlung mit einbezieht.

Zusammenfassung

Das Positionspapier der DGK zeigt, dass die Verwendung der Daten eines Wearables bei Arrhythmien viele Vorteile aber auch Nachteile mit sich bringt. Als vorteilhaft erweist sich dabei, dass sie ohne oder mit nur weniger Hardware Arrhythmien aufzuzeichnen und als Eventrekorder zum systematischen oder opportunistischen Vorhofflimmerscreening verwendet werden können, was die Diagnose von Arrhythmien mit einer hohen Spezifität und Sensitivität beschleunigen kann. Der Patient wird damit stärker in die Diagnostik mit eingebunden und ein kontinuierliches Rhythmusmonitoring wird ermöglicht. Als nachteilig zeigt sich, dass Wearables meist kostenintensiv für den Anwender sind, wenn keine Erstattung durch die Krankenkassen erfolgt und auch die Vergütung des behandelnden Arztes ist bislang nicht geklärt. Patienten müssen in der Anwendung von Wearables geschult werden und compliant sein, um ein erfolgreiches Screening auf Arrhythmien zu gewährleisten, da eine unkontrollierte Nutzung zu großen und nicht mehr überschaubaren Datenmengen für den Arzt führt. Die Datenverarbeitung und Sicherheit der Daten sind dabei für den Patienten nicht immer transparent.

Autor:
Stand:
24.08.2021
Quelle:

Veltmann C. et al. (2021): Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien, Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Der Kardiologe; DOI: https://doi.org/10.1007/s12181-021-00488-3

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