
Hintergrund
Die Hauptursache für einen kardiogenen Schock ist das durch einen ausgedehnten Myokardinfarkt ausgelöste Pumpversagen. Als Komplikation tritt der kardiogene Schock bei etwa 10 % der Infarktpatienten auf, führt zu einer hochgradigen Störung der Organperfusion und erhöht die Mortalitätsrate von < 10 % bei einem unkomplizierten Infarkt auf ca. 50 %. Entscheidend für den Therapieerfolg des kardiogenen Schocks nach einem Infarkt ist die schnelle Revaskularisation. Weitere überlebenswichtige Maßnahmen sind die Optimierung der Organdurchblutung mittels inotroper und vasoaktiver Wirkstoffe sowie je nach Fall auch der Einsatz mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme, schockspezifischer Maßnahmen und einer lungenprotektiven Beatmung [1].
Weibliche Patienten in der Kardiologie
Es ist bereits länger bekannt, dass Frauen bei einem Herzinfarkt eine schlechtere Prognose haben als Männer. Woran das liegt, ist hingegen noch nicht geklärt. Einige Studien gaben Hinweise darauf, dass Frauen nicht die gleiche intensive Versorgung bei einem Infarkt erhalten wie Männer. Andere Studien zeigten auf, dass die Langzeitprognose bei Frauen trotz gleicher Behandlung schlechter sei. Ein dänisches Wissenschaftlerteam um Dr. Sarah Holle vom Universitäts-Hospital Kopenhagen hat in einer retrospektiven Studie untersucht, welche geschlechtsspezifischen Unterschiede es beim kardiogenen Schock infolge eines Herzinfarkts gibt. Die Studie wurde im Rahmen des ESC Acute CardioVascular Care 2022, einem wissenschaftlichen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) vorgestellt [2,3].
Zielsetzung
In der Studie wurden untersucht, welche Unterschiede es zwischen Behandlung und Überleben eines kardiogenen Schocks nach Herzinfarkt bei Frauen und Männern gibt.
Methoden
In die Studie eingeschlossen wurden alle Erwachsenen, die im Zeitraum von 2010 – 2017 in eines von zwei hochspezialisierten Zentren für die Behandlung von kardiogenen Schocks eingewiesen worden waren. Die Daten zu den Charakteristika der Patienten, zur Behandlung und zur 30-Tage-Mortalität wurden den Patientenakten entnommen. Die Daten zur Langzeitmortalität stammten aus dem nationalen dänischen Patientenregister (Danish National Patient Registry).
Ergebnisse
Insgesamt flossen die Daten von 1.716 Patienten mit kardiogenem Schock infolge eines Herzinfarkts in die Studie ein. Davon waren 438 (26 %) Frauen. Das Durchschnittsalter der Frauen lag bei 71 Jahren, das Durchschnittsalter der Männer bei 66 Jahren. Die Frauen litten häufiger unter Hypertonie und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) als die Männer. Bevor sie in das spezialisierte Zentrum eingewiesen wurden, waren Frauen signifikant häufiger in ein lokales krankenhau gebracht worden (41 % der Frauen vs. 30 % der Männer). Die Männer hingegen erlitten vor der Ankunft im Krankenhaus signifikant häufiger einen Herzstillstand (25 % der Frauen vs. 48 % der Männer).
Behandlung des kardiogenen Schocks
Bei Eintreten des Schocks wiesen Frauen und Männer vergleichbare klinische Parameter (Blutdruck, Herzfrequenz, Plasma-Laktat, und linksventrikuläre Ejektionsfraktion) auf. Der Anteil der Frauen, die eine mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung erhielten, war signifikant kleiner (19 % der Frauen vs. 26 % der Männer). Bei den Frauen wurden auch signifikant weniger minimal-invasive oder chirurgische Verfahren zur Revaskularisation eingesetzt (83 % der Frauen vs. 88 % der Männer) und die Patientinnen wurden signifikant seltener beatmet (67 % der Frauen vs. 82 % der Männer).
Kurz- und Langzeitüberleben
Kurz- und Langzeitüberleben der Patientinnen waren signifikant geringer als die der Männer. Dreißig Tage nach dem Ereignis lebten nur 38 % der der Frauen im Vergleich zu 50 % der Männer. Nach 8,5 Jahren waren noch 27 % der Frauen und 39 % der Männer am Leben. Die multivariate Analyse zeigte, dass weibliches Geschlecht unabhängig von anderen Faktoren, wie Alter oder Herzstillstand mit einem geringeren Einsatz mechanischer Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme und schlechteren Kurz- und Langzeitüberlebensraten assoziiert waren.
Fazit
Studienautorin Holle ist der Ansicht, dass ein Grund für das im Vergleich zu Männern schlechtere Überleben der Frauen nach einem kardiogenen Schock in einer verzögerten Diagnose und Behandlung des Ereignisses liegt. Tatsächlich zeigen Frauen mit akuten Herzproblemen häufiger unspezifische Symptome, wie Kurzatmigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Fatigue, und Schmerzen im Rücken, Kiefer oder Hals als Männer. „Das ist möglicherweise ein Grund, warum mehr Frauen als Männer in unserer Studie zuerst in ein lokales Krankenhaus statt in ein spezialisiertes Zentrum eingewiesen wurden“, erläutert sie in einer Pressemitteilung der ESC. Wenn die andere, eher unspezifische kardiale Symptomatik bei Frauen besser bekannt wäre, könnten möglicherweise Diagnostik und Therapie möglicherweise schneller erfolgen, folgert Holle.
Forderung nach genderspezifischen Studien
Einen weiteren Grund für die schlechteren Outcomes bei Frauen sieht Holle darin, dass Leitlinien häufig auf Studien beruhen, in die in erster Linie Männer eingeschlossen waren. Sie fordert mehr Forschung dazu, ob Frauen und Männern mit kardiogenem Schock möglicherweise von unterschiedlichen Therapieansätzen profitieren.