Frühwarnsystem bei Herzinsuffizienz im Test

Sensoren in implantierten Geräten können als Frühwarnsysteme vor einer drohenden Exazerbation der Herzinsuffizienz genutzt werden. Ein nicht-invasives Sensorsystem mit selbstlernender Analyseplattform erwies sich den Implantaten in dieser Funktion als ebenbürtig.

Herzinsuffizienz

Hintergrund

In den ersten 90 Tagen nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Herzinsuffizienz besteht ein erhöhtes Risiko einer erneuten Exazerbation und Rehospitalisierung. Studien bei Patienten mit implantierbaren Sensorsystemen (implantierbare Cardioverter/Defibrillatoren [ICD], biventrikuläre Schrittmacher oder pulmonalvaskuläre Sensorimplantate) haben gezeigt, dass angeschlossene Telemonitoringsysteme dazu genutzt werden können, eine Verschlechterung der Herzfunktion frühzeitig zu erkennen. Eine umgehend eingeleitete Behandlung der entsprechenden Patienten konnte in vielen Fällen eine Exazerbation und die Hospitalisierung verhindern.

Tragbare Sensoren

Für Patienten, die keine Implantate haben, gibt es bislang keine Systeme, die eine bevorstehende Exazerbation der Herzinsuffizienz so rechtzeitig vorhersagen könnten, dass eine Hospitalisierung vermieden werden kann. Die plötzliche Gewichtszunahme als Indikator für eine sich verschlechternde Herzfunktion setzt zu spät ein, um eine Hospitalisierung zu verhindern. Tragbare, nicht-invasive Sensorsysteme wurden bereits erprobt, funktionierten jedoch aus technischen Gründen nicht zuverlässig. Nun wurde ein neues, vielversprechendes System geprüft und die Ergebnisse der Studie in der Fachzeitschrift Circulation Heart Failure veröffentlicht [1].

Neues Frühwarnsystem

Das neue System besteht aus einem speziellen Einmalpflaster, in das ein wiederverwendbares elektronisches Sensormodul gesteckt wird. Der Sensor registriert und speichert Herzfrequenz, Herzrhythmus, Atemfrequenz, Temperatur sowie Aktivität, Bewegung, Schlaf und Körperposition des Patienten. Die aufgezeichneten Daten überträgt der Sensor jede Minute über Bluetooth auf ein Android Smartphone. Das Smartphone sendet die Daten an eine cloudbasiertes selbstlernende Analyseplattform. Das maschinelle Lernen des Programms beruht auf einem ähnlichkeitsbasierten Modell (similiarity-based model [SBM]) das auf der Grundlage einer mehrtägigen Sammlung der Patientendaten individuelle Muster erkennt, Abweichungen von diesen Mustern analysiert und sie bei Überschreitung bestimmter personalisierter Grenzwerte meldet.

Zielsetzung

Das Ziel der Studie bestand darin festzustellen, mit welcher Genauigkeit eine durch maschinelles Lernen personalisierte Analyseplattform anhand der Daten eines tragbaren Sensors bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine Exazerbation vorhersagen kann und ob es als Frühwarnsystem dienen kann.

Methoden

Die Beobachtungsstudie wurde mit Patienten (≥ 18Jahre) durchgeführt, die aufgrund einer akuten Exazerbation ihrer Herzinsuffizienz stationär behandelt worden waren. Zum Zeitpunkt der Entlassung erhielten die Patienten das Pflaster und das Sensormodul und wurden in der Handhabung des Systems inklusive der Bluetooth Verknüpfung zum Smartphone geschult. Die Analyseplattform war so programmiert worden, dass sie die übermittelten Daten der ersten 72 Stunden nach der Entlassung nutzte, um die individuellen Parameter-Muster für einen stabilen Zustand des Patienten zu erkennen und als personalisiertes Baselinemuster für die spätere Detektion und Analyse von Abweichungen zu verwenden. Der Zeitraum wurde gewählt, weil man davon ausging, dass der Zustand des Patienten so kurz nach der Entlassung am besten sei.

Beobachtungszeitraum

In dieser Studie wurde beobachtet, ob das System tatsächlich eine Rehospitalisierung aufgrund der Herzinsuffizienz vorhersagen kann. Die Ärzte, die über eine Einweisung der Patienten entschieden, wussten nicht, welche Daten das System erhoben hatte und zu welchen Ergebnissen das Analyseprogramm gekommen war. Der Beobachtungszeitraum betrug mindestens 30 und höchstens 90 Tage. Als Endpunkt wurde die Rehospitaliserung aufgrund einer Exazerbation der Herzinsuffizienz definiert. Aufgezeichnet wurden auch Hospitalisierungen aufgrund anderer nicht-traumatischer Ursachen, Besuche in Notaufnahmen und die Todesfälle. Begleiterkrankungen und Medikation der Patienten bei der Entlassung wurden ebenfalls dokumentiert.

Ergebnisse

Einhundert Patienten (Durchschnittsalter 68,4 ± 10,2 Jahre, 98% männlich) wurden in die Studie aufgenommen. Unter einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) litten 74 Teilnehmer und unter einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFp [preserved]EF) 26 Teilnehmer. Die Compliance der Teilnehmer war hoch: 87 Patienten arbeiteten über 30 Tage mit. In Zeitraum zwischen den Tagen 30 und 90 konnten 13 Teilnehmer die Studie nicht vollenden (Tod, andere Gründe) nicht fortführen. Folglich konnten 74 Teilnehmer über 90 Tage beobachtet werden.

Warnung 6 Tage vorher

Im Beobachtungszeitraum von insgesamt 90 Tagen gab es 35 ungeplante Hospitalisierungen (keine Traumata). Davon erfolgten 24 Einweisungen aufgrund einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Die Analyseplattform konnte Vorläufer einer Exazerbation der Herzinsuffizienz mit einer Sensitivität von 76-88% und einer Spezifität von 85% erkennen. Die mediane Zeit zwischen dem Alarm der Analyseplattform und der Einweisung ins Krankenhaus betrug 6,5 Tage (4,2-3,7 Tage).

Fazit

In der Studie konnte das nicht-invasive Sensorsystem eine drohende Exazerbation der Herzinsuffizienz frühzeitig vorhersagen. Seine Leistungsfähigkeit und Genauigkeit waren dabei implantierbaren Systemen ebenbürtig. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse empfehlen die Autoren die klinische Effektivität und Generalisierbarkeit dieses kostengünstigen Frühwarnsystems in weiteren Studien zu prüfen.

Autor:
Stand:
04.04.2020
Quelle:

Stehlik, Schmalfuß, Bozkurt et al. (2020): Continuous Wearable Monitoring Analytics Predict Heart Failure Hospitalization – The LINK-HF Multicenter Study. Circ Heart Fail 2020; 13:e006513. DOI: 10.1161/CIRCHEARTFAILURE.119.006513

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