
Hypertonie gehört zu den Hauptrisikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bei Gesunden und auch einem Teil der Hypertonie-Patienten, den sogenannten Dippern, fällt der Blutdruck nachts im Schlaf um ≥10% ab. Als Non-Dipper bezeichnet man Hochdruck-Patienten, bei denen der Blutdruck nachts nicht ausreichend abfällt. In einigen Fällen steigt der Blutdruck nachts sogar an. Eine aktuelle Auswertung der Daten einer prospektiven Langzeitstudie [1] zeigt nun, dass der nächtliche Blutdruckwert eine höhere prognostische Aussagekraft hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse hat als Messwerte, die tagsüber erhoben wurden. Bislang wurde nicht eindeutig festgestellt, ob eine therapeutische Anpassung der Einnahmezeiten antihypertensiver Medikamente Herz-Kreislauf-Ereignissen durch nächtlichen Bluthochdruck besser vorbeugen kann, als die übliche Einnahme tagsüber.
Ziele der Studie
Die Autoren der Studie untersuchten, ob eine abendliche Einnahme antihypertensiver Medikamente den nächtlichen Blutdruck besser kontrollieren und das kardiovaskuläre Risiko senken kann.
Teilnehmer mit normalem und hohem Blutdruck
Ein Team um Ramón Hermida an der Universität Vigo führte die prospektive Multicenterstudie im Rahmen des Hygia Projekts in Galizien (Nordspanien) mit Normotonikern und Hypertonikern durch. In den Jahren 2008 bis 2015 rekrutierten die Autoren der Studie 18.731 Personen für die Langzeitbeobachtung. 653 Personen wurden im Verlauf der Studie aufgrund inadäquater Datenerhebung oder unbefriedigender Zusammenarbeit wieder ausgeschlossen, sodass 18.078 Personen auswertbare Daten für die Studie lieferten. 15.674 der Teilnehmer litten an Bluthochdruck. Bei fast zwei Dritteln der Hypertonikern (9.709 Personen) war der Bluthochdruck bislang nicht behandelt worden. Im Rahmen der Studie wurden die therapienaiven, hypertonischen Teilnehmer antihypertensiv eingestellt. Zusätzlich zum Blutdruck wurden Daten zu weiteren relevanten Risikofaktoren und Begleiterkrankungen wie Alter, Geschlecht, Ernährungszustand (BMI), Blutzucker, Blutfette, Nierengesundheit, Rauchen usw. erhoben.
Unterschiedliche Einnahmezeiten
Die Hypertonie-Patienten wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe nahm die Medikamente nur tagsüber ein, die andere sollte zumindest einen Blutdrucksenker abends kurz vor dem zu Bett gehen zu sich nehmen. Der Blutdruck der Teilnehmer wurde zu Beginn der Studie sowie bei allen Nachuntersuchungen, die mindestens einmal jährlich stattfanden, mehrmals gemessen. Bei jeder Konsultation im Rahmen der Studie wurde der Blutdruck in der Praxis dreimal gemessen. Zusätzlich wurde der Verlauf des Blutdrucks jeden Teilnehmers nach jeder Konsultation über einen Zeitraum von 48 Stunden aufgezeichnet. Hierzu händigte man den Teilnehmern ein ambulantes Blutdruckmesssystem aus, das den Blutdruck automatisch alle 20-30 Minuten maß. Auf diese Weise wurden die circadianen Schwankungen des Blutdrucks der Patienten über Jahre aufgezeichnet. Alle kardiovaskulären Ereignisse während des Studienzeitraums wurden dokumentiert.
Besonders gefährlich: Nächtlicher Hochdruck
Im Studienzeitraum kam es bei 2.311 Personen (12,8% der Teilnehmer) zu einem kardiovaskulären Ereignis, bei etwas mehr als der Hälfte dieser Personen (insgesamt 1.209 Personen / 6,7% der Teilnehmer) hatte das Ereignis schwerwiegende Folgen (Herztod, Infarkt, koronare Revaskularisation, Herzversagen, Schlaganfall). Von den schwerwiegenden Ereignissen waren vor allem ältere, multimorbide Patienten männlichen Geschlechts betroffen.
Erwartungsgemäß zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses und einem erhöhten systolischen Blutdruck. Teilnehmer, die bei der Erstuntersuchung einen systolischen Blutdruck von ≥ 135 mmHg aufwiesen hatten ein um 34% erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis. Bei Teilnehmern mit einem nächtlichen systolischen Blutdruck > 120 mmHg stieg das Risiko sogar um 62%. Teilnehmer ohne kardiovaskuläre Probleme wiesen hingegen einen um im Durchschnitt etwa 9 mmHg niedrigeren systolischen Blutdruck im Schlaf auf, als die Patienten, bei denen kardiovaskuläre Ereignisse auftraten.
Einnahme vor dem Schlafengehen
Im Vergleich der beiden Einnahme-Gruppen zeigte sich, dass die Einnahme zumindest eines blutdrucksenkenden Präparats abends das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses für die Patienten um die Hälfte verringern konnte. Dieser Vorteil blieb auch nach der Bereinigung der Auswertung um sämtliche weitere Risikofaktoren und Begleiterkrankungen bestehen.
Fazit
Die Studie bestätigt, dass eine Hypertonie im Schlaf mit einem deutlich erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden ist. Die Einnahme von zumindest einem Blutdrucksenker abends kurz vor dem zu Bett gehen kann dieses Risiko deutlich verringern. Die Autoren empfehlen daher bei Hypertonie Patienten auch die Blutdruckwerte im Schlaf zu ermitteln (zum Beispiel über 48 oder 24 Blutdruckmessungen). Wenn dabei ein erhöhter Blutdruck nachts bzw. kein physiologischer Blutdruckabfall im Schlaf um ≥ 10% festgestellt wird, sollte der Medikationszeitplan angepasst werden und mindestens ein Blutdrucksenker erst abends eingenommen werden.