DGIM 2022: Herzinsuffizienz: Wünsche für das Ende früher ansprechen

In der Kardiologie ist Palliativmedizin kein breit vertretenes Thema. Doch auch hier macht es Sinn, frühzeitig über Verfügungen hinsichtlich des Lebensendes nachzudenken. Das gilt vor allem bei chronischer Herzinsuffizienz.

Lebensende

Die chronische Herzinsuffizienz ist die gemeinsame Endstrecke kardialer Erkrankungen. Das gilt für ischämische Herzerkrankungen ebenso wie für Arrythmien, Vitien, Chemotherapeutika-induzierte Herzerkrankungen  oder Speicherkrankheiten und andere mehr, betonte Professor Dr. Christian Pott, Leitender Oberarzt der Kardiologie an der Schüchtermann-Klinik Bad-Rothenfelde bei Osnabrück. Die Prognose bei chronischer Herzinsuffizienz ist genauso ungünstig wie bei malignen Erkrankungen, erläuterte er anlässlich des Internistenkongresses 2022: Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei Erstdiagnose einer Herzinsuffizienz liegt bei 37%, die 1-Jahres-Mortalitätsrate bei terminaler Herzinsuffizienz bei 90%.

Keine klare Definition

In den Leitlinien der Fachgesellschaften – national wie international – gibt es keine klare Definition, wann bei Herzinsuffizienz eine palliative Situation eintritt. Pott geht davon aus, dass dies der Fall ist, wenn keine kausal wirkende Therapie mehr verfügbar ist. Dazu gehören neben der Pharmakotherapie auch interventionelle und operative Maßnahmen bis hin zur Herztransplantation.

Sterben hat sich verändert

Früher war der Tod bei einer Herzinsuffizienz in der Mehrzahl der Fälle ein schneller. Es kam zur ventrikulären Tachykardie mit rascher Pulslosigkeit („Sekundentod“). Das ist heute anders, betonte Pott: Die terminal herzinsuffizienten Patienten versterben im Low-Output mit Leberversagen, Nierenversagen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, erleben die Folgen der hydropischen Dekompensation mit Ödemen und Atemnot und erhalten womöglich noch bis zuletzt Schocks über den ICD (Abkürzung für engl. Implantable Cardioverter Defibrillator).

ICD im Sterbeprozess

Der ICD verhindert den früher häufigen plötzlichen Herztod. Das ist in der palliativen Situation nicht immer ein segensreicher Effekt. Während die Deaktivierung von verschiedenen Schrittmachern in der Regel in der Sterbephase nicht notwendig ist, weil die schwachen elektrischen Impulse meist nicht stören, können ICD-Schocks schmerzhaft und belastend sein, stellt die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) chronische Herzinsuffizienz fest [2]. „Der sterbende Patient wird regelrecht durchgeschockt“, meinte Pott. Ein würdiger und ruhiger Tod ist das nicht. Eine rasche Deaktivierung des ICD ist möglich mit Hilfe der Platzierung eines Magneten auf dem Thorax. Dauerhaft wird ein ICD erst durch die Deaktivierung mit dem Programmiergerät abgeschaltet.

Leitlinienempfehlungen zu ICD-Deaktivierung

Die NVL chronische Herzinsuffizienz betont, dass für die Deaktivierung des Geräts die Zustimmung des Patienten oder eine entsprechende Patientenverfügung vorliegen muss, die genau diese Situation beschreibt [2]. Es reicht nicht, dass in der Patientenverfügung eine Reanimation oder der Einsatz von Gerätemedizin allgemein abgelehnt wurde. Empfohlen wird, diese Probleme bereits vor Implantation des ICD und bei jeder Kontrolluntersuchung wieder anzusprechen. Im Rahmen der Nationalen Versorgungsleitlinie wurden Patientenblätter erstellt, die das Gespräch und die gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Patienten erleichtern können.

Advanced Care Planning – über letzte Dinge sprechen

Nicht nur im Falle eines ICD sollte das Gespräch über Maßnahmen am Lebensende gesucht werden. Dringend empfohlen wird, mit allen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz frühzeitig Gespräche zu möglichen Verläufen der Krankheit und zu Krisenszenarien anzubieten. So kann das gewünschte Vorgehen besprochen werden. Angeregt werden sollte, für den Fall der Nichteinwilligungsfähigkeit eine Person zu bevollmächtigen. Bei Menschen mit Krebserkrankungen führte ein solches Advanced Care Planning unter anderem dazu, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase eher die präferierte Behandlung erhielten und aufwändig Therapien ebenso wie Intensivaufenthalte und Notfallaufnahmen verringert werden konnten. Diese Erfahrungen sollten auch Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz zu Gute kommen.

Autor:
Stand:
06.05.2022
Quelle:
  1. Prof. Dr. Christian Pott: „Palliativmedizin in der Kardiologie“, 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2022, 1. Mai 2022.
  2. NVL Chronische Herzinsuffizienz, Langfassung – 3. Auflage, Version 3 vom 30.9.2021, AWMF-Registernummer nvl-006

 

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