
Hintergrund
Weltweit werden pro Jahr mehr als eine Million Herzschrittmacher implantiert. Sie stellen nach wie vor die effektivste Therapie symptomatischer Bradykardien oder Asystolien dar. Die bisher üblichen transvenösen Systeme bestehen aus einem unterhalb des Schlüsselbeins subkutan platzierten Aggregat, das über ein bis drei Elektrodenkabel mit dem Myokard verbunden ist. In den meisten Fällen handelt es sich um ein gut funktionierendes System. Bei etwas mehr als 12% der Patienten kommt es jedoch innerhalb von sechs Monaten nach der Implantation zu Komplikationen, wie beispielsweise Elektrodendislokation, Elektrodendefekten, Elektrodenperforation, Pneumothorax, Venenthrombose, Taschenhämatom nach der Implantation des Aggregats und systemischen Infektionen.
Moderne kabellose Systeme
Aufgrund der Komplikationen durch die Verkabelung wurde schon früh über kabellose Schrittmachersystem nachgedacht. Wesentliche Hindernisse für die Entwicklung stellten lange Zeit die Energieversorgung und die Größe des Schrittmachers dar. Diese Probleme konnten mittlerweile gelöst werden. Die modernen Miniaggregate werden via Katheter komplett in den rechten Ventrikel eingeführt und an der Wand des rechten Ventrikels verankert. Eines dieser Systeme, das kabellose Micra-Schrittmachersystem der Firma Medtronic, wurde 2016 von der US Food and Drug Administration zugelassen.
Verringerung der Komplikationsrisiken
Bei den kabellosen Systemen entfallen naturgemäß die Komplikationsrisiken, die mit der Verkabelung und der subkutanen Implantation der Aggregate verbunden sind. In der Micra-CED-Studie (Micra Continued Evidence Development) wurde nun überprüft, ob die Komplikationsrate des kabellosen Micra-Schrittmachersystems unter Praxisbedingungen tatsächlich niedriger ist als die konventioneller transvenöser Schrittmacher Systeme. Die Ergebnisse der Studie wurden von Dr. Jonathan Piccini vom Duke University Medical Center in Durham bei der virtuellen Jahrestagung 2020 der Heart Rhythm Society (HRS) vorgestellt.
Zielsetzung
Ziel der Studie war es, die Komplikationsrate beim Einsatz des kabellosen Micra-Schrittmachersystems mit der Komplikationsrate von konventionellen transvenösen Systemen unter Alltagsbedingungen in der klinischen Routinepraxis zu vergleichen.
Methoden
Zur Auswertung kamen Daten der staatlichen US-Krankenversicherung Medicare für US Bürger im Alter von über 65 Jahren. Einbezogen wurden die Daten von Patienten mit Schrittmacher-Indikation.
Insgesamt wurden die Daten von 15.408 Patienten ausgewertet. 5.746 dieser Patienten hatten einen kabellosen Micra Schrittmacher erhalten und 9.662 ein konventionelles transvenöses System. In die Analyse flossen das Schrittmachersystem, die Komplikationen nach Implantation, das Alter des Patienten und Daten zu Komorbiditäten ein. Der Nachbeobachtungszeitraum nach der Implantation betrug sechs Monate.
Ergebnisse
Die Patienten der Micra-Gruppe waren im Schnitt drei Jahre jünger als die Patienten mit den konventionellen Schrittmachern (79,7 vs. 82,0 Jahre). Allerdings litten die Patienten in der Micra-Gruppe häufiger Begleiterkrankungen wie KHK, COPD und Niereninsuffizienz. Der Charlson Comorbidity Index betrug 5,1 in der Micra-Gruppe und 4,6 in der Vergleichsgruppe (P < 0.0001); die Micra-Gruppe war also im Schnitt kränker als die Vergleichsgruppe. Die Akutkomplikationsrate innerhalb der ersten 30 Tage unterschied sich bei den beiden Gruppen kaum. Dabei kam es bei den transvenösen Systemen häufiger zu Komplikationen durch die Geräte (2,5% vs. 1,2%). Wohingegen beim Micra-System häufiger Probleme an der Punktionsstelle (1,2% vs. 03%) und Perikardergüsse/kardiale Perforationen (0,8% vs. 0,4%) auftraten.
Komplikationsrate nach sechs Monaten
Am Ende der sechsmonatigen Nachbeobachtung war das Komplikationsrisiko des kabellosen Micra-Systems jedoch mit 66% signifikant niedriger als das der transvenösen Schrittmachersysteme (Hazard Ratio 0,34; 95% Konfidenzintervall 0,28-0,43, p < 0,001). In der Micra-Gruppe betrug die Komplikationsrate 3,3% und In der Gruppe mit transvenösen Herzschrittmachern 9,4%. Unerwartet hoch war dabei die Pneumothorax-Rate mit 5,4% in der Gruppe mit den konventionellen Schrittmachern. In der Micra-Gruppe mussten innerhalb des Nachbeobachtungszeitraums darüber hinaus weniger Revisionen vorgenommen werden. Dieser Unterschied zu den konventionellen Systemen war jedoch nicht signifikant. Die Gesamtmortalität war in beiden Gruppen fast identisch.
Fazit
Die Präsidentin der Heart Rhythm Society (HRS) Dr. Andrea Russo vom Cooper University Hospital, Camden, USA bewertet die Ergebnisse der Studie und die kabellosen System so: „Die Ergebnisse bezüglich der Komplikationen sind im Vergleich zu konventionellen Systemen viel günstiger und werden sich wahrscheinlich bei längerer Nachbeobachtung noch verbessern, denn die Kabel tendieren dazu, im Laufe der Zeit störungsanfällig zu werden.“ Russo weist auch darauf hin, dass der Einsatz kabelloser Systeme zurzeit auf eine rein ventrikuläre 1-Kammer-Stimulation limitiert sei.