
Hintergrund
Bei der Entscheidung ob ein Patient mit schwerer Aortenstenose mittels chirurgischem Aortenklappenersatz (AKE) oder mittels interventioneller Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) behandelt werden soll, sollten neben Patientencharakteristika wie Alter und Lebenserwartung auch Komorbiditäten und somit das Operationsrisiko als auch klinische, anatomische und verfahrenstechnische Faktoren berücksichtigt werden. Die europäischen und US-amerikanischen Leitlinien unterscheiden sich hierbei bei ihren Empfehlungen. Während die amerikanischen ACC/AHA-Leitlinien eine Altersgrenze von <65 Jahren oder eine Lebenserwartung von mehr als 20 Jahren für die AKE nennen, empfehlen die aktuellen europäischen ESC/EACTS-Leitlinien ein Alter von <75 Jahre und ein niedriges Operationsrisiko für den AKE. Hingegen wird bei Patienten mit einem Alter von >75 Jahren oder Patienten bei denen ein hohes Operationsrisiko oder eine Inoperabilität vorliegt die TAVI empfohlen. Für alle andere Patienten sollte die Entscheidung unter Betrachtung individueller klinischer, anatomischer und prozeduraler Charakteristika getroffen werden. Eine individuelle Entscheidung durch das „Herzteam“ empfehlen auch die US-amerikanischen Leitlinien bei Patienten zwischen 65 und 80 Jahren in Abhängigkeit der Lebenserwartung und Klappenhaltbarkeit, die für beide Behandlungsoptionen in Frage kommen.
Während bereits Daten zur Lebenserwartung nach chirurgischer AKE existieren, sind diese limitierend für die Lebenserwartung nach einer TAVI und zur langfristigen Haltbarkeit der TAVI-Prothesen insbesondere bei Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko.
Zielsetzung
Die vorliegende Studie untersuchte die mediane Überlebenszeit nach chirurgischer AKE mit einer Bioprothese bei Aortenstenose in Abhängigkeit des Operationsrisikos und des Patientenalters bei Patienten, bei denen beide Behandlungsmethoden eine Option waren.
Methodik
Patienten wurden anhand des Swedish Cardiac Surgery Register, das Teil des SWEDEHEART-Registers ist, identifiziert. Geeignet waren Patienten im Alter von 60 Jahren oder älter, die eine Aortenstenose aufwiesen und sich einem isolierten AKE mit einer Bioprothese unterzogen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit früherer oder begleitender Herzoperation. Die eingeschlossenen Patienten wurden vor ihrer Operation anhand des EuroSCORE bzw. EuroSCORE II in eine niedriges, mittleres oder hohes Operationsrisiko eingestuft und in Altersgruppen eingeteilt. Anhand von Kaplan-Meier-Kurven wurden die mediane Überlebenszeit und die kumulative 5-Jahres-Mortalität geschätzt. Die Bedeutung des Patientenalters wurde durch eine Cox-Regressionsanalyse bestimmt.
Ergebnisse
Patientencharakteristika
Insgesamt konnten 8.353 Patienten mit Aortenstenose in die Studie eingeschlossen werden.
Das mittlere Alter lag bei 75,1 ± 6,6 Jahren und 48,8% der Patienten waren Frauen. In die Gruppe mit niedrigem Operationsrisiko konnten 7.123 Patienten (85,1%) zugeordnet werden, 942 Patienten (11,3%) in die Gruppe mit mittlerem Risiko und 288 Patienten (3,5%) in die mit einem hohen Risiko. Patienten der Gruppen mit mittlerem bzw. hohem Risiko waren älter, häufiger Frauen und wiesen mehr Komorbiditäten auf als die Patienten mit einem geringen Operationsrisiko. Der mediane Nachbeobachtungszeitraum lag bei 5,2 Jahren (Zeitspanne: 0-17 Jahre).
Überlebensrate in Bezug zum Operationsrisiko
Die 30 Tage-Mortalität lag bei der gesamten Kohorte bei 2,0% (95%-KI: 1,7-2,3%) und stieg erwartungsgemäß mit zunehmenden Operationsrisiko an. So lag diese bei Patienten mit einem geringen OP-Risiko bei 1,2% (95%-KI: 1,2-1,7%) und die mediane Überlebenszeit lag bei 10,9 Jahren (95%-KI: 10,6-11,2 Jahre). Bei Patienten mit mittlerem bzw. hohen OP-Risiko lagen die Werte bei 4,1% (95%-KI: 2,9-5,4%) und 7,3 Jahre (95%-KI: 7,0-7,9 Jahre) bzw. bei 8,3% (95%-KI: 5,1-11,5%) und 5,8 Jahren (95%-KI: 5,4-6,5 Jahre).
Den Ergebnissen entsprach auch die entsprechend steigende Fünf-Jahres-Mortalität die bei der Gruppe mit geringem OP-Risiko bei 16,5% (95%-KI: 15,5-17,4%), bei der Gruppe mit mittlerem OP-Risiko bei 30,7% (95%-KI: 27,5-33,7%) und bei der Hochrisiko-Gruppe bei 43,0% (95%-KI: 36,8-48,7%) lag.
Überlebensrate in Bezug zum Operationsrisiko und dem Alter
Neben dem Operationsrisiko beeinflusste auch das Alter der Patienten die Überlebenszeit (pInteraktion<0,001). So hatten jüngere Patienten mit einem Alter zwischen 60 und 64 Jahren und einem geringem OP-Risiko eine mediane Überlebenszeit von 16,2 Jahren (95%-KI: 15,6 Jahre bis nicht erreicht) und eine kumulative 5-Jahres-Mortalität von 6,8% (95%-KI: 4,4-9,1%), während diese bei Patienten mit einem Alter von ≥ 85 Jahren nur bei 6,1 Jahren (95%-KI: 5,9-6,6 Jahre) bzw. 37,7% (95%-KI: 30,1-43,3%) lag.
Diese Assoziation zeigte sich jedoch nur bei den Patienten mit einem geringen OP-Risiko (Hazard Ratio (HR): 1,30 pro 5-Jahres-Altersanstieg; 95%-KI: 1,23-1,37). Bei Patienten mit einem mittleren (HR: 1,04; 95%-KI: 0,93-1,16) bis hohem OP-Risiko (HR: 1,01; 95%-KI: 0,87-1,18) hatte das Patientenalter keinen signifikanten Einfluss.
Einfluss des Geschlechts
Männer, die einen chirurgischen AKE erhielten, waren im Mittel 74,2 ± 6,6 Jahre, während Frauen ein mittleres Alter von 76,1 ± 6,4 Jahren hatten. Trotzdem war die mediane Überlebenszeit der Männer mit 10,0 Jahren (95%-KI: 9,7-10,2 Jahre) kürzer als die der Frauen mit 10,3 Jahren (95%-KI: 10,1-10,7 Jahre; p=0,004) und war auch unter Berücksichtigung des OP-Risikos verkürzt. Geringes Risiko: 10,5 Jahre (95%-KI: 10,2-11,0 Jahre) vs. 11,3 Jahre (95%-KI: 10,9-11,7 Jahre; p=0,002); mittleres Risiko: 6,6 Jahre (95%-KI: 5,9-7,4 Jahre) vs. 7,9 Jahre (95%-KI: 7,2-8,7 Jahre; p<0,001); hohes Risiko: 5,7 Jahre (95%-KI: 4,3-6,5 Jahre) vs. 5,8 Jahre (95%-KI: 5,5-7,4 Jahre; p=0,10).
Fazit
Wie die schwedische Langzeitstudie zeigt, haben „jüngere“ Patienten im Alter von 60 bis 65 Jahren mit einem geringen OP-Risiko nach einem chirurgischen AKE eine lange Überlebenszeit, die mit steigendem Alter abnimmt. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit den aktuellen Empfehlungen der ESC/AECTS-Leitlinien. Das Alter sollte deshalb bei Patienten mit einem geringen OP-Risiko ein wichtiges Entscheidungskriterium des Herzteams sein, wenn es darum geht, welche Therapieoption durchgeführt werden soll. Bestätigt hat sich auch, dass Hochrisiko-Patienten unabhängig von deren Alter eine TAVI empfohlen werden sollte.