Lilie und Kröte bei diastolischer Herzinsuffizienz

Was klingt wie Zutaten aus Harry Potters Zaubertrankbuch, ist das Ergebnis akribischer wissenschaftlicher Forschung nach antifibrotischen Substanzen, die das Potenzial haben, gegen das fibrotische Remodeling bei einer diastolischen Herzinsuffizienz zu wirken.

Chinesische Kröte

Hintergrund

Weltweit leiden über 30 Millionen Patienten an einer diastolischen Herzinsuffizienz. Die myokardiale Fibrose der Herzwände als Reaktion auf den kardialen Stress ist eines der Kennzeichen der Erkrankung. Die fortschreitende Fibrosierung beeinträchtigt die diastolische und später auch die systolische Funktion des Herzens zunehmend, führt zu kardialen Komorbiditäten und erhöht die Mortalität der Patienten. Anders als bei einer systolischen Herzschwäche gibt es „für eine diastolische Funktionsstörung des Herzens bislang keine Therapie.“, wie Professor Dr. Dr. Thomas Thum am Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) erklärt [1].

Antifibrotische Stoffe gesucht.

Im Focus des multidisziplinären EU-Förderprojektes FIBROTARGETS stehen Stoffe, die das Potenzial haben, das fibrotische kardiale Remodeling bei einer diastolischen Herzinsuffizienz abzubremsen. Im Rahmen des Projekts und in Zusammenarbeit mit der Stanford University und der Harvard Medical School Boston identifizierten die Forscher um Thum Lycorin, einen Wirkstoff der Belladonna-Lilie, und Bufalin, ein Gift der Chinesischen Kröte, als potenzielle Therapeutika und haben die beiden Stoffe nun in ersten Untersuchungen überprüft. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift „Circulation“ veröffentlicht [2].

Zielsetzung

Die Forscher hatten zum Ziel, Kandidatensubstanzen für die Entwicklung neuer Therapeutika zur Behandlung der kardialen Fibrose auf der Basis natürlich vorkommender Stoffe zu identifizieren und auf ihre Wirksamkeit und Toxizität in vitro und vivo zu überprüfen.

Methoden

Die Wissenschaftler wählten 480 chemisch interessante Substanzen aus mehr als 150.000 natürlich vorkommenden Stoffen aus. Diese Substanzen wurden mit humanen kardialen Fibroblasten (humane cardial fibroblasts [HCF]) inkubiert. Zuerst wurde in vitro geprüft, welche Substanzen die Proliferation von HCF ausreichend hemmen(> 75%) und ob diese Inhibition dosisabhängig ist. Die fünf Stoffe, die diese Kriterien erfüllten (Bufalin, Gitoxigenin, Geldanamycin, Lycorine, Anisomycin) wurden anschließend in vitro einem Toxizitäts- und einem Spezifitätstest mit unterzogen.

Toxizität und Spezifität

Im Toxizitätstest wurde überprüft, ob die fünf übriggebliebenen Substanzen nicht nur die Proliferation der HCF hemmen sondern in den effektiven Dosen auch zum Absterben der Zellen führen. Eine hohe Zelltoxizität in vitro hätte zum Ausschluss der entsprechenden Substanz geführt. Um darüber hinaus sicher zu stellen, dass die Substanzen ausschließlich die Proliferation der HCF hemmen und nicht etwa die von Kardiomyozyten, wurden sie anschließend mit Kardiomyozyten (cell line HL-1) inkubiert. Der Spezifitätstest führte zum Ausschluss von Anisomycin. Die präventive und therapeutische antifibrotische Wirkung von Gitoxigenin, Geldanamycin, Bufalin und Lycorin sowie die Toxizität dieser Stoffe wurde anschließend in vivo überprüft.

Ergebnisse

Die Substanzen wurden zunächst in Mausmodellen mit einer Angiotensin II induzierten Hypertonie und kardialen Fibrose getestet. Die Tests auf Wirksamkeit und Toxizität fanden in einem präventiven und einem therapeutischen Setting statt. Die Stoffe Gitoxigenin und Geldanamycin schieden aufgrund ihrer Toxizität aus. Bufalin und und Lycorin hingegen erwiesen sich im Mausmodell als wenig toxisch, hatten sowohl einen präventive als auch therapeutische antifibrotische Effekte und verbesserten die diastolische Funktion der Modelle. Verträglichkeit und Wirksamkeit von Bufalin und Lycorin konnten anschließend in einem zweiten Tiermodell, bei salzsensitiven hypertensiven Dahl-Ratten bestätigt werden.

Fazit

Bufalin und Lycorin haben sich in vitro als spezifisch antifibrotische und wenig toxische Substanzen erwiesen. Diese Ergebnisse konnten in zwei Tiermodellen bestätigt werden. In vivo kam es unter den beiden Stoffen auch zu einer Verbesserung der diastolischen Funktion. Die Autoren sehen ihre Arbeit als Grundstein für weitere prospektive präklinische und klinische Studien zum möglichen Einsatz der beiden Substanzen bei der Therapie und Prävention fibrotischer Herzerkrankungen an.

Autor:
Stand:
10.02.2020
Quelle:
  1. Zorn (2020): Naturstoffe gegen Fibrose und diastolische Herzschwäche entdeckt. Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover 22.01.2020.
     
  2. Schimmel, Jung, Foinquinos (2020): Natural Compound Library Screening Identifies New Molecules for the Treatment of Cardiac Fibrosis and Diastolic Dysfunction. Circulation DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.119.042559
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