
Hintergrund
In den letzten Jahrzehnten stieg die Verschreibung von blutdrucksenkenden Medikamenten und Cholesterinsenkern stetig an und wird mit Blick auf die aktuellen Leitlinien auch weiterhin verstärkt verschrieben werden. Bevor es jedoch zur Einnahme von Medikamenten kommen muss, kann auch ein gesunder Lebensstil erheblich zur Prävention von Herzerkrankungen beitragen, und ist auch unter medikamentöser Therapie zu empfehlen.
Meist tritt die Veränderung des Lebensstils erst bei der Diagnosestellung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus ein. Hierzu gehören Gewichtsverlust, ein Anstieg an körperlicher Aktivität sowie ein verminderter Alkoholkonsum und die Rauchentwöhnung.
Die Frage inwieweit eine präventive medikamentöse Therapie den Lebensstil beeinflusst ist bislang noch unklar. Patienten die eine präventive Pharmakotherapie beginnen, haben meistens eine bessere Einschätzung über ihr kardiovaskuläres Risiko als Menschen ohne präventive Therapie und pflegen meist auch einen gesünderen Lebensstil. Die wahrgenommene Effektivität einer Pharmakotherapie kann ein Ansporn für einen gesunden Lebensstil sein, der wiederum eine Prävention für weitere Erkrankungen ist. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die ihren ungesunden Lebensstil durch die Einnahme von Medikamenten kompensieren möchten und somit die Effektivität einer präventiven Pharmakotherapie senken.
Zielsetzung
Die finnische Beobachtungsstudie untersucht inwieweit der Beginn einer blutdruck- oder lipidsenkenden Therapie den Lebensstil der Patienten verändert. Führt der Beginn einer präventiven Therapie zu einem gesünderen Lebensstil oder ersetzt die Pharmakotherapie diesen.
Methodik
Die Studienteilnehmer mussten in dieser Beobachtungsstudie im Zeitraum von 2000-2013 alle vier Jahre einen Fragebogen ausfüllen. In die Auswertung eingeschlossen wurden Studienteilnehmer die mehr als zwei konsekutive Fragebögen ausgefüllt haben und älter als 40 Jahre waren. Zu Beginn durfte keine kardiovaskuläre Erkrankung diagnostiziert sein. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen unterschieden. Eine Gruppe stellt die Teilnehmer dar, die zwischen der ersten und zweiten Befragung mit einer präventiven Pharmakotherapie begonnen haben. Die andere Gruppe setzt sich aus Teilnehmer zusammen, die bis einschließlich der zweiten Befragung keine präventive Pharmakotherapie begonnen haben.
Als Faktoren für einen gesunden Lebensstil wurden folgende Parameter in den Fragebögen abgefragt: Größe, Gewicht, körperliche Aktivität, durchschnittlicher wöchentlicher Alkoholkonsum und Raucherstatus. Mithilfe der Angaben wurde der BMI (kg/m2) berechnet.
Ergebnisse
Insgesamt wurde in die Analyse der Beobachtungsstudie 41.225 Teilnehmer eingeschlossen.
Patiententencharakteristika:
- 84% der Studienteilnehmer waren weiblich und hatten ein mittleres Alter von 52 ± 7,2 Jahren.
- 8.837 Teilnehmer (10,8%) gehörten zur Gruppe, die eine präventive Pharmakotherapie zwischen der ersten und zweiten Befragung begonnen hatten; 26.914 Probanden (32,9%) nahmen die präventive Medikation bereits bei Studienbeginn ein und 46.021 Teilnehmer (56,3%) hatten keine präventive Therapie begonnen.
- Im Median begann die präventive Pharmakotherapie 1,7 Jahre (Interquartilsabstand (IR): 0,9-2,7 Jahre) nach der Baseline und im Median 2,4 Jahre (IR: 1,3-3,3 Jahre) vor der zweiten Befragung.
- Die Diagnose einer kardiovaskulären Erkrankung erhielten:
o 318 Teilnehmer (3,6%), die eine präventive Pharmakotherapie neu begonnen hatten
o sowie 477 Probanden (1,8%) die bereits bei Baseline eine präventive Medikation hatten
o und 48 (0,1%) der Teilnehmer ohne präventive Pharmakotherapie.
Änderung des Lebensstils:
- Insgesamt stieg der BMI über die Jahre bei allen Studienteilnehmern an. Personen, die eine präventive Pharmakotherapie mit blutdruck- bzw. lipidsenkenden Medikamenten begonnen hatten, nahmen jedoch häufiger zu (Unterschied der Veränderung: 0,19; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,16-0,22) und ihre körperliche Aktivität verringerte sich (-0,09 metabolisches Äquivalent Stunde/Tag; 95%-KI: -0,16 bis -0,02) im Vergleich zu Personen ohne präventive Pharmakotherapie (Odd Ratio: 1,08; 95%-KI: 1,01-1,17).
- Hingegen nahm die durchschnittliche Alkoholaufnahme bei den Teilnehmern unter präventiver Pharmakotherapie vs. den Teilnehmern ohne eine solche Therapie ab (-1,85 g/Woche; 95%-KI: -3,67 bis -0,14). Bei Teilnehmern, die in beiden Befragungen den Konsum von Alkohol angaben, (n= 7.014 mit präventiver Pharmakotherapie und n = 37.297 ohne präventive Pharmakotherapie) war der korrigierte Unterschied der Veränderung für den wöchentlichen Alkoholkonsum -1,67 g (95%-KI: -3,72 bis 0,39).
- Die Prävalenz des Rauchens tendierte in allen Gruppen nach unten. Jedoch haben Raucher, die eine präventive Pharmakotherapie begannen, häufiger mit dem Rauchen aufgehört als Raucher ohne Therapie. (korrigierte Odds Ratio für aktuelle Raucher zwischen Initiatoren vs. Nicht-Initiatoren: 0,74; 95%-KI: 0,64-0,85).
Fazit
Der Beginn einer präventiven medikamentösen Therapie mit blutdrucksenkenden Medikamenten und Cholesterinsenkern beeinflusst den Lebensstil der Patienten. Jedoch nicht alle Lebensstiländerungen sind positiv. Patienten unter medikamentöser Therapie sollten verstärkt ermutigt werden körperlich aktiv zu sein, ihr Gewicht zu reduzieren und mit dem Rauchen aufzuhören. Ein gesunder Lebensstil sollte für die Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen immer empfohlen werden, unabhängig davon ob blutdruck- und lipidsenkende Medikamente verschrieben werden.