
Hintergrund
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass ungesundes Schlafverhalten das kardiovaskuläre Risiko erhöhen kann. Zu den ungesunden Schlafgewohnheiten zählt man eine Schlafdauer <7 und >9 Stunden täglich, Insomnie, Schnarchen und eine exzessive Tagesmüdigkeit. Darüber hinaus haben die sogenannten Eulen unter den Menschen, deren innere Uhr eher auf Nachtaktivität eingestellt ist, ein etwas höheres kardiovaskuläres Risiko als die geborenen Frühaufsteher, auch Lerchen genannt.
Konzertiertes Zusammenspiel
Schlafverhalten und -gewohnheiten beeinflussen sich in der Regel gegenseitig. In vorangegangenen Studien zu den Auswirkungen von Schlafverhalten und kardiovaskulärer Gesundheit wurden bestimmte Schlafverhaltensweisen meist isoliert beobachtet. Das konzertierte Zusammenspiel der Schlafgewohnheiten blieb meist unberücksichtigt. Der einzige Zusammenhang, der bislang gezielt untersucht wurde, war die zu kurze Gesamtschlafdauer infolge von Insomnie, die auch mit dem höchsten kardiovaskulären Risiko verbunden war.
Genetische Veranlagung
Mittlerweile ist allgemein anerkannt, dass sowohl Lebensstilfaktoren als auch die genetische Veranlagung des Individuums zur Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen beitragen. Bei Studien zu den Effekten des Schlafverhaltens auf die kardiovaskuläre Gesundheit blieb die genetische Prädisposition der Individuen jedoch bislang unberücksichtigt. In einer großangelegten prospektiven Studie wurden nun die Auswirkungen von fünf ungesunden Schlafverhaltensweise vor dem Hintergrund der genetischen Veranlagung der Individuen betrachtet und ausgewertet[1,2].
UK-Biobank
Die Daten für die Studie stammten aus der UK Biobank, einer nationalen prospektiven Kohortenstudie mit einer umfangreichen Proben- und Datensammlung. Über 500.000 Teilnehmer im Alter von 40-69 Jahren wurden in den Jahren 2006-2010 für die UK-Biobank rekrutiert. Zusätzlich zu verschiedenen medizinischen Baseline-Untersuchungen und wurden alle Teilnehmer bei der Aufnahme in die UK-Biobank genetisch typisiert. Die UK-Biobank ist mit anderen medizinischen Datenbanken verlinkt, sodass die gesundheitliche Entwicklung der Teilnehmer erfasst werden kann. Die Daten der UK-Biobank stehen der nationalen und internationalen epidemiologischen Forschung zur Verfügung.
Zielsetzung
Die Studie hatte zum Ziel, die quantitativen Zusammenhänge zwischen Schlafverhalten und genetischer Prädisposition für die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen aufzuzeigen.
Methoden
Die Daten der Studienteilnehmer stammten aus der UK-Biobank. Personen mit bekannter Herz-Kreislauf-Erkrankung wurden ebenso ausgeschlossen wie Personen, für die die benötigten Datensätze nicht vorlagen. Als primärer Endpunkt wurde die Inzidenz einer kardiovaskulären Erkrankung definiert. Die koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfälle wurden als Haupt-Teilendpunkte eingestuft, die zusätzlich separat erfasst wurden.
Bewertung des Schlafs
Die Informationen über das Schlafverhalten der Teilnehmer wurden über Fragebögen erhoben. Das Schlafverhalten wurde anschließend mit einem Punktesystem von 0-5 bewertet. Je höher der erzielte Punktwert war, als desto gesünder galt der Schlaf. Folgende Schlafverhaltensweisen wurden als gesund betrachtet und mit je einem Punkt bewertet:
- Chronobiologischer Frühaufsteher
- Tägliche Gesamt-Schlafdauer 7-8 Stunden
- Keine oder sehr seltene Insomnie
- Kein Schnarchen
- Keine oder seltene Tagesmüdigkeit
Genetischer Risikoscore
Das genetische kardiovaskuläre Risiko der Probanden wurde anhand von 74 unabhängigen Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) und 10 SNPs, die erwiesenermaßen in einem signifikanten Zusammenhang mit der koronaren Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfällen stehen, bewertet. Nach der Analyse der genetischen Profile wurden die Probanden je nach Scoring-Ergebnis einer genetischen Hochrisikogruppe, eine Gruppe mit intermediärem und einer Niedrigrisikogruppe zugeordnet.
Ergebnisse
In die Studie wurden insgesamt 385.292 Teilnehmer inkludiert. Während eines Beobachtungszeitraums von im Median 8,5 Jahren wurde die Inzidenz von 7280 kardiovaskulären Erkrankungen dokumentiert. Davon waren 4.667 Erkrankungen an KHK und 2.650 Schlaganfälle.
Schlechter Schlaf als Risiko
Personen mit einem als gesund bewerteten Schlaf (5 Punkte von 5) hatten im Vergleich zu Teilnehmern, deren Schlafverhalten als ungesund eingestuft wurde (0-1 Punkte) ein um etwa 35% geringeres kardiovaskuläres Risiko (Hazard Ratio [HR] 0,65; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,52–0,81). Das Risiko für eine KHK (HR 0,66; 95% CI 0,56–0,78) oder einen Schlaganfall (HR 0,66; 95% CI 0,58–0,75) war bei der Gruppe mit dem 5-Punkte Schlaf um je 34% gegenüber den Probanden mit dem ungesunden Schlafverhalten reduziert.
Gene und Schlaf
Das höchste kardiovaskuläre Risiko wurde bei den Probanden mit einem hohen genetischen Risiko in Verbindung mit einem ungesunden Schlafverhalten festgestellt. Sie wiesen ein rund zweieinhalbmal höheres kardiovaskuläres Risiko (HR 2,54; 95%CI 1,80-3,57) auf, als Personen mit niedrigem genetischen Risiko und gesundem Schlaf.
Fazit
Die Autoren führen rund 10% der kardiovaskulären Ereignisse in der Gesamtkohorte auf einen schlechten Schlaf zurück. Einen Beweis für solch einen einfachen kausalen Zusammenhang liefert die Beobachtungsstudie jedoch nicht, wie die Autoren selbst einräumen.