Stent und OP gleichwertig bei Karotisstenose

Stent und Operation senken das Langzeit-Schlaganfallrisiko durch eine Karotisstenose. Sie sind aber mit einem prozeduralen Schlaganfallrisiko verbunden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Eingriffe soll gleich sein. Für diese Annahme fehlte bislang jedoch die Evidenz.

Stenose

Hintergrund

Karotisstenosen mit einem Verschlussgrad von ≥ 50 % verursachen ca. 15 % aller zerebralen Ischämien in Deutschland. Die Prävalenz von ≥ 50%igen Karotisstenosen in der Bevölkerung liegt bei ca. 4,2 %. Zu den Symptomen einer Karotisstenose gehören transitorische ischämische Attacken (TIA), die mit vorübergehenden Schlaganfallsymptomen, z. B. Sehstörungen oder Lähmungen einhergehen. Es gibt jedoch auch ≥ 50%ige Karotisstenosen, die keine Symptome verursachen und meistens im Rahmen eines Gefäßscreening entdeckt werden. Sowohl ein Karotis-Stent (carotid artery stenting [CAS]) als auch eine offene Karotis-Endarteriektomie [CEA), können das Risiko für einen Schlaganfall durch die Karotisstenose senken – allerdings um den Preis einer kurzfristigen Erhöhung genau dieses Risikos nach den Eingriffen.

Risiko-Nutzen-Abwägung

Aufgrund des kurzfristig erhöhten Schlaganfallrisiko nach CAS oder CEA diskutieren Fachkreise weltweit, ob und wann eine Intervention bei asymptomatischen Karotisstenosen erfolgen sollte. Nach deutschen Registerdaten beträgt das Risiko für asymptomatische Patienten, einen periinterventionellen Schlaganfall mit bleibender Behinderung zu erleiden oder zu versterben für beide Methoden bei 0,7 % [2,3].

Neue breit angelegte Langzeitstudie

Aufgrund zu kleiner Teilnehmerzahlen in bisherigen randomisierten Studien konnte keine ausreichende Evidenz für und wider CAS oder CEA bei asymptomatischer Karotisstenose erbracht werden. Mit dem Second Asymptomatic Carotid Surgery Trial (ACST-2) konnten Forscher um Professor Dr. Alison Halliday vom Nuffield Department of Population Health der Universität Oxford nun die Gleichwertigkeit der beiden Methoden mit hohen Fallzahlen belegen [4].

Zielsetzung

Das Ziel der Studie bestand darin, eine große Anzahl von asymptomatischen Patienten mit hochgradiger Karotisstenose für die Behandlung mit CAS oder CEA zu randomisieren und die Ergebnisse im Kontext vorausgegangener Studien zu prüfen.

Methoden

ACST-2 wurde als internationale randomisierte Multicenter-Studie CAS vs. CEA bei asymptomatischen Patienten mit Karotisstenose durchgeführt. Für die Teilnahme kamen Patienten mit uni- oder bilateraler schwerer Karotisstenose ≥ 60 % in Frage, bei denen der behandelnde Arzt und der Patient einen Eingriff befürworteten. Die Patienten wurden entweder für CAS oder CEA randomisiert. Nachuntersuchungen fanden einen Monat nach dem Eingriff und danach über im Mittel 5 Jahre jährlich statt. Alle Ereignisse innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff wurden als prozedural gewertet.

Ergebnisse

Die Studie lief vom 15. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2020. In dieser Zeit wurden in 130 Zentren 3.625 Patienten in eine CAS-Gruppe (n=1811) und eine CEA-Gruppe (n=1814) randomisiert. Rund 1 % der Teilnehmer (CAS n=15; CEA n=18) erlitt einen prozeduralen Schlaganfall, der zu schweren Behinderungen oder zum Tod führte. Bei etwa 2 % traten prozedurale Schlaganfälle ohne bleibende Behinderung auf. Die Rate schwerer Schlaganfälle (tödlich oder mit Behinderung) über fünf Jahre betrug in beiden Gruppen ca. 2,5 %. Bei der Betrachtung aller vorangegangenen CAS-versus-CEA-Studien mit der aktuellen Studie war das nicht-prozedurale Schlaganfallrisiko bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten ähnlich. Die Nachbeobachtung der ACST-2-Studie wird fortgesetzt, um weitere Langzeitdaten zu erhalten.

Fazit

Nach Ansicht der Autoren hat die Studie ausreichende Evidenz über die protektive Wirksamkeit und Gleichwertigkeit der beiden Methoden zumindest über einen Zeitraum von 5 Jahren erbracht. Der Pressesprecher der der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) Prof. Dr.  Hans-Christoph Diener kritisiert am Studiendesign von ACST-2 jedoch, dass ein Vergleich mit einer optimalen konservativen Behandlung fehlt, da die konsequente Umsetzung von Lebensstiländerungen und eine medikamentöse Therapie der Gefäßrisikofaktoren möglicherweise einen Verzicht auf den Eingriff erlaubt hätte. Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN kommentiert die Studie so: „Schwere Komplikationen sind heute bei fachgerechter Durchführung beider Methoden selten, …“ Und fährt fort: “Wir haben nun eine gute Evidenzlage beim Vergleich von CAS und CEA bei asymptomatischer Karotisstenose, können aber keine Empfehlung für das eine oder andere Verfahren ableiten.“

Autor:
Stand:
06.10.2021
Quelle:
  1. Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin - Gesellschaft für operative, endovaskuläre und präventive Gefäßmedizin e.V. (DGG) (2020): S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose. AWMF-Registernummer: 004-028
  2. DGN (2021): Therapie verengter Halsschlagadern zur Schlaganfallprophylaxe: Operation und Stent sind gleichwertig. Pressemitteilung
  3. Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG). Karotis-Revaskularisation (QS KAROTIS). Bewertung
  4. Halliday, Bulbulia, Bonati et al. (2021): Second asymptomatic carotid surgery trial (ACST-2): a randomised comparison of carotid artery stenting versus carotid endarterectomy. Lancet; S0140-6736(21)01910-3 DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01910-3
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