Strahlenbelastung bei perkutaner Koronarintervention

Die Strahlenexposition während einer perkutanen Koronarintervention an deutschen Kliniken ist verschieden, hat aber im Allgemeinen in den letzten zehn Jahren signifikant abgenommen, obwohl sich die Bestrahlungszeit durch komplexere Verfahren verlängert hat, wie eine qualitätssichernde Studie zeigte.

PCI

Hintergrund

Die perkutane Koronarintervention (percutaneous coronary intervention [PCI]) wird als Erstlinientherapie zur koronaren Revaskularisation bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (acute coronary syndrom [ACS]) und stenosierender koronarer Herzkrankheit (KHK) eingesetzt. Nachteilig bei dieser Therapieoption ist die potenziell schädliche Exposition der Patienten gegenüber ionisierender Strahlung, die zum Beispiel zu Krebs, Hautschäden, Kataraktbildung und Schwangerschaftskomplikationen führen kann. Die Strahlenbelastung bei einer PCI ist dabei deutlich höher als bei der rein diagnostischen Katheterisierung und die Indikation zur PCI und deren Komplexität haben in den letzten Jahren zugenommen.

Kenntnisse über die tatsächliche Strahlendosisbelastung sowohl für Patienten als auch für die interventionellen Kardiologen sind daher essenziell. Bislang verfügbar sind lediglich Strahlendosisdaten aus kleinen Studien mit begrenzten Patientenzahlen.

Zielsetzung

Die PROTECTION VIII-Studie (PROcedural radiaTion dose Exposure in percutaneous Coronary intervenTION) setzte sich daher zum Ziel zu ermitteln,

a) wie hoch die aktuelle Strahlenbelastung ist,

b) wie hoch die Belastung der ionisierenden Strahlung während einer PCI im letzten Jahrzehnt in Kliniken in Deutschland war

c) welche Prädiktoren für eine erhöhte Strahlenbelastung es gibt.

Methodik

Die retrospektive Studie verwendete anonymisierte Daten des bundesweiten Qualitätssicherungsprogramm für Herzkatheter und PCI in Deutschland und umfasst alle PCI-Verfahren nach diagnostischer Koronarangiographie im Zeitraum von 2008 bis 2018. Das Dosisflächenprodukt (dose area product [DAP]) und die Bestrahlungszeit wurden analysiert und die effektive Dosis (ED) mittels Formel ED = DAP*k mit dem Umrechnungskoeffizienten k=0,0022 mSv/cGy*cm2 geschätzt. Prädiktoren, die mit einer klinisch relevanten Erhöhung der Strahlendosis (ED ≥ 1 mSV) assoziiert sind, wurden mittels multivariater linearer Regressionsanalyse ermittelt.

Ergebnisse

Das Qualitätssicherungsprogramm erfasste Daten von 3.704.986 Patienten aus 860 Katheterlaboren in Deutschland, die sich einer PCI unterzogen hatten.

Patientencharakteristika

Das mittlere Alter lag bei 70 Jahren (Interquartilsabstand (IQR): 60-77 Jahre) und 30,0 % der Patienten waren Frauen. Bei 37,5 % der Patienten lag als Indikation für die PCI ein chronisches Koronarsyndrom (stabile Angina pectoris) vor, bei 33,2% eine instabile Angina pectoris bzw.  ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt (N-STEMI) und bei 18,5 % ein STEMI.

Änderung der Strahlendosisbelastung über die Zeit

Das mediane DAP aller PCIs lag bei 4.203 cGy*cm2 (IQR: 2.313-7.300) mit einer geschätzten medianen ED von 9,2 mSv (IQR: 5,1-16,1). Vergleicht man dabei das mediane DAP aus dem Jahr 2008 mit 4.811 cGy*cm2 (IQR: 2.530-8.394) und dem Jahre 2018 mit 3.070 cGy*cm2 (IQR: 1.722-5.299) und einer geschätzten medianen ED von 6,7 mSv (IQR: 3,8-11,7) zeigte sich, dass sich das DAP in diesen zehn Jahren um 36% signifikant (p<0,001) reduziert hatte. Die mediane Bestrahlungszeit nahm von 2008 mit 8,8 min (IQR: 5,5-14,3) um 11% bis 2014 mit 9,8 min (IQR: 6,1-15,7) leicht, aber signifikant zu (p<0,001).

Variabilität der Strahlendosisbelastung

Es zeigte sich weiterhin, dass das DAP eines jeden einzelnen Patienten davon abhing, in welcher Klinik er behandelt wurde. Zwischen den Katheterlaboren konnte eine signifikante 5,3-fache Variabilität festgestellt werden, wobei das niedrigste mediane DAP innerhalb des 95%-Konfidenzintervalls bei 1.137 cGy*cm2 lag und das höchste bei 5.997 cGy*cm2(p<0,001). Ein Rückschluss auf die Gesamtanzahl der durchgeführten PCIs an den Kliniken kann jedoch nicht gefunden werden, da die Zahl der Eingriffe pro Klinik keinen Einflussfaktor auf eine verringerte DAP oder Reduktion der Dosisvariabilität hatte.

Es zeigte sich in Subgruppenanalysen aber, dass die Indikation für die PCI eine Rolle für das DAP spielt. Das geringste mediane DAP mit 3.075 cGy*cm2 und einer ED von 6,8 mSv wurde bei der stabilen Angina pectoris gefunden und das höchste mit 3.309 cGy*cm2 und einer ED von 7,3 mSv beim akuten Koronarsyndrom aufgrund einer instabilen Angina pectoris oder eines NSTEMI. Auch zwischen den Geschlechtern konnten signifikante Unterschiede gefunden werden. So hatten Männer ein um 38 % erhöhtes DAP während der PCI im Vergleich zu Frauen (p<0,001).

Unabhängige Prädiktoren

Aufgrund der berücksichtigten hohen Patientenzahl wurden fast alle Variablen als statistisch signifikante Prädiktoren für die Strahlendosis identifiziert. Legte man die klinische Signifikanz auf eine geschätzten ED von ≥ 1 mSV fest (entspricht einem absoluten DAP-Effekt von 455 cGy*cm2) konnten patientenspezifische Prädiktoren wie männliches Geschlecht (+1.342 cGy*cm2), CABG (+1.010 cGy*cm2) oder Herzinsuffizienz (+499 cGy*cm2) identifiziert werden. Zudem auch prozedurbedingte Prädiktoren wie eine Stentimplantation in einem verschlossenen Gefäß (+1.366 cGy*cm2), in einer ostialen Läsion (+773 cGy*cm2) oder der linken Hauptkoronararterie (+515 cGy*cm2) sowie eine Mehrgefäß-PCI (+1.468 cGy*cm2).

Fazit

Die Studie zeigte auf, dass die Strahlendosis in den letzten zehn Jahren signifikant gesunken ist, obwohl die Komplexität der PCI-Verfahren zunahm, wie die Zunahme der Bestrahlungszeit zeigte. Die Abnahme der Strahlendosis kann auf technische Verbesserungen in den Katheterlaboren zurückgeführt werden. Die große Variabilität zwischen den einzelnen Kliniken unterstreicht jedoch die Notwendigkeit der weiteren Reduzierung der Strahlendosis. Hierbei sind nicht nur die interventionellen Kardiologen gefragt, sondern auch die Kliniken, die auf die Implementierung optimaler Technologien und notwendige Modernisierungen achten müssen.

Autor:
Stand:
14.02.2022
Quelle:

Stocker T. et al (2022): Trends and predictors of radiation exposure in percutaneous coronary intervention: the PROTECTION VIII study. EuroIntervention. DOI: 10.4244/EIJ-D-21-00856

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