
Die frühzeitige intravenöse Thrombolyse (IVT) ist die entscheidende Behandlung nach einem ischämischen Schlaganfall (acute ischemic stroke [AIS]). Aber was ist, wenn der Patient im Gehirn ein Aneurysma hat? Man schätzt, dass etwa zwei Prozent der Bevölkerung eine solche Erweiterung eines Gehirngefäßes aufweisen. Bislang galt ein unrupturiertes intrakranielles Aneurysma (UIA) als relative Kontraindikation für die IVT, weil man befürchtete, dass das Aneurysma durch die Thrombolyse reißen und die Ruptur eine schwere Hirnblutung (intracranial hemorrhage [ICH]) verursachen könne.
Bislang keine Studien
Allerdings waren bislang keine Daten aus Studien verfügbar, um diese Befürchtung zu untermauern oder sie zu entkräften. Ärzte am Universitätsklinikum Helsinki haben nun im Fachmagazin Neurology erstmals Daten zu Komplikationen nach intravenöser Thrombolyse bei Schlaganfallpatienten mit nicht rupturiertem Aneurysma über einen Zeitraum von 15 Jahren aus einem finnischen Stroke-Center veröffentlicht [1].
Zielsetzung
Das Ziel der Studie war es, festzustellen, ob eine IVT bei einem AIS zu einer Ruptur eines UIA mit folgender ICH führen kann.
Methoden
Die prospektive Kohortenstudie wurden mit den Patienten durchgeführt, die im Zeitraum von 2005 bis 2019 in einem finnischen Schlaganfallzentrum behandelt wurden. Um Menschen mit UIAs unter den Schlaganfallpatienten zu identifizieren, wurden radiologische Berichte und Akten aus dem Archiv des finnischen Gesundheitsregisters mit den Patienten-Daten abgeglichen. Nach der Thrombolyse wurden die Patienten per Angiogramm oder anderen bildgebenden Verfahren gezielt auf ICHs und Aneurysmen untersucht. Als primärer Endpunkt wurde eine Hirnblutung aufgrund einer Ruptur des UIAs definiert, die noch im Krankenhaus stattfand und auf die IVT zurückgeführt werden konnte. Sekundäre Endpunkte waren alle Hirnblutungen, die sich im Krankenhaus ereigneten.
Ergebnisse
Während der 15jährigen Studienperiode wurden insgesamt 3.953 Schlaganfall-Patienten mit einer IVT behandelt. Bei 132 dieser Patienten (3,3%) konnten insgesamt 155 UIAs festgestellt werden. Hiervon waren 141 UIAs sackförmig und 14 spindelförmig. Der durchschnittliche Durchmesser der UIAs lag bei 4,7 ± 3,8 mm; 18,7% wiesen ein Durchmesser von ≥ 7 mm und 9, 7 % von ≥ 10 mm auf. Von den 141 sackförmigen Aneurysmen riss kein einziges infolge der IVT. Drei Patienten (2,3%) mit weiträumigen spindelförmigen Aneurysmen in der Basilararterie erlitten 27 und 43 Stunden sowie 19 Tage nach der IVT eine tödliche Ruptur. Alle drei waren nach der IVT mit Antikoagulanzien behandelt worden. Bei 18,9 % aller AIS-Patienten trat eine Hirnblutung auf (95% Konfidenzintervall [CI] 12,9 - 26,2%), bei 8,3% war diese symptomatisch (CI 4,4 – 13,8%).
Fazit
Die Autoren sind der Ansicht, dass eine IVT bei AIS-Patienten mit sackförmigen UIAs, selbst bei UIAs ≥ 10 mm, sicher ist. Eine Antikoagulation nach einem AIS könnte hingegen bei Patienten mit großen spindelförmigen UIAs im posterioren Versorgungsgebiet das Risiko von Rupturen und Blutungen erhöhen. Der federführende Autor Dr. Jyri Juhani Virta, MD, PhD, of the University of Helsinki äußerte sich in einer Pressemitteilung erfreut über die Studienergebnisse:
„Diese Ergebnisse sind aufregend, denn sie erweitern die Population derer, die eine thrombolytische Therapie, die Patienten mit AIS vor dem Tod oder Behinderungen bewahren kann, erhalten dürfen.”
Die Autoren räumen jedoch auch ein, dass die geringe Zahl der Patienten mit großen Aneurysmen eine Limitation der Studie darstellt.