
Hintergrund
Hypertonie gehört zu den bedeutendsten Gesundheitsproblemen in modernen Gesellschaften. In Europa liegt die Prävalenz von Hypertonie bei steigender Tendenz derzeit zwischen 30-45 %. Bis zum Jahr 2025 soll der Blutdruck bei bis zu 60 % der Bevölkerung zu hoch sein. Dabei können bis 25 % der Herzinfarkte direkt auf Bluthochdruck zurückgeführt werden. Schätzungsweise 40 % aller kardiovaskulären Todesfälle sollen in Verbindung mit Hypertonie stehen. Studien belegen, dass die zunehmende körperliche Inaktivität in der Bevölkerung zum Anstieg der Hypertonie-Prävalenz beiträgt und auch, dass regelmäßige Bewegung und Sport hohem Blutdruck vorbeugen und die Blutdruckwerte bei bestehender Hypertonie effektiv absenken kann. Sport zur Prävention einer Hypertonie ist vor allem Patienten mit Risikoprofil, wie zum Beispiel bei Übergewicht, einem Elternteil mit Hypertonie, sowie Frauen mit einer Schwangerschaftshypertonie anzuraten. [1]
Bisherige Trainingsempfehlungen
Bewegung und Sport werden als präventive und therapeutische Maßnahmen gegen Bluthochdruck bereits in den bestehenden Leitlinien empfohlen. Bislang berücksichtigten die Leitlinien jedoch nicht die Höhe des Ausgangsblutdrucks. Die Empfehlung lautete vielmehr einheitlich, moderaten aeroben Ausdauersports, wie Joggen, Walken, Schwimmen oder Radfahren, etwa 30 Minuten an 5 -7 Tagen in der Woche auszuüben. Zusätzlich zum Ausdauer-Basisprogramm wurde mitunter auch ein Krafttraining 2-3mal die Woche empfohlen.
Neues Konsensuspapier
Ein neues Konsensuspapier der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Vereinigung für Präventive Kardiologie (EAPC) empfiehlt nun erstmals angepasste Trainingsprogramme für spezifische Zielgruppen. Die Empfehlungen basieren auf der Auswertung von 34 Meta-Analysen zur Wirkung von aerobem Ausdauersport sowie dynamischem und isometrischem Krafttrainings auf die Blutdruckwerte verschiedener Patienten- und Risiko-Gruppen. Bei einem dynamischen Krafttraining wird die Muskellänge verändert, wohingegen beim isometrischen (statischen) Training eine Muskelspannung bei weitgehend gleichbleibender Muskellänge aufgebaut wird (z. B. Handstand). [2]
Training nach Blutdruckhöhe
Ein europäisches Forscherteam um Prof. Dr. Henner Hanssen von der Abteilung für präventive Sportmedizin und Systemphysiologie an der Universität Basel nahm die Auswertung vor. Auf der Grundlage ihrer Analyse entdeckten die Wissenschaftler, dass eine stärkere Senkung des Blutdrucks zu erreichen ist, wenn man das Training daran anpasst, ob die jeweilige Person unter einer Hypertonie leidet, hochnormalem oder normalem Blutdruck hat. Folgende Empfehlungen gaben die Forscher:
- Hypertonie Patienten (≥ 140/90 mmHg): Aerobes Ausdauertraining wie Wandern, Joggen, Radfahren oder Schwimmen. Hier sind Blutdrucksenkungen von -4,9 bis -12 mmHg systolisch und -3,4 bis -5,8 mmHg möglich.
- Personen mit hochnormalem Blutdruck (130-139 / 85-89 mmHg): Dynamisches Krafttraining wie Gewichtheben, Kniebeugen oder Liegestützen. Hierbei könnte der systolische um -3,0 bis -4,7 mmHg und der diastolische Blutdruck um -3,2 bis -3,8 mmHg gesenkt werden.
- Personen mit normalem Blutdruck (unter 130/84 mmHg): Isometrisches Krafttraining. Hierdurch ist eine Blutdrucksenkung von -5,4 bis -8,3 mmHg systolisch und -1,9 bis -3,1 mmHg möglich. Da diese Empfehlung auf nur drei Meta-Analysen beruht, sollten weitere Studien prüfen, ob durch das isometrische Training in dieser Gruppe tatsächlich eine stärkere Blutdrucksenkung erzielt werden kann als durch Ausdauersport.
Fazit
Das neue Konsensuspapier gibt einen Überblick über die aktuelle Evidenzlage hinsichtlich der blutdrucksenkenden Wirkung von körperlichem Training. Es bestärkt die bereits bestehenden Empfehlungen, Sport als wichtige Maßnahme zur Prävention und Therapie von Hypertonie einzusetzen. Erstmals differenziert das Papier jedoch verschiedene Zielgruppen und darauf angepasste Trainingsarten. Damit das Training nachhaltig wirkt, muss es regelmäßig – wie die Medikamenten-Einnahme – am besten täglich durchgeführt werden. Das größte Problem bleibt jedoch die Akzeptanz und die Umsetzung des Sportprogramms als Prävention und Therapie von Hypertonie. Die Autoren raten dazu, auf die Komorbiditäten, besonderen Bedürfnisse und Möglichkeiten jedes einzelnen Patienten bei der Verordnung eines Trainingsprogramms einzugehen und ihn immer wieder zu motivieren, Sport zur Blutdrucksenkung zu nutzen.