
Hintergrund
Bei der chronischen Herzinsuffizienz (heart failure [HF]) handelt es sich um eine fortschreitende kardiale Erkrankung, die zu Beginn immer symptomlos abläuft (Stadium A). Erst in späteren Stadien kommt es zu asymptomatischen kardialen Dysfunktionen (Stadium B) bis hin zur deutlichen symptomatischen Herzinsuffizienz (Stadien C-D), die meist durch erhöhte Konzentrationen an natriuretischen Peptiden (BNP und NT-proBNP) im Blut nachgewiesen werden kann. Die Einteilung der vier Stadien erfolgt anhand der Klassifikation der American Heart Association (AHA)/American College of Cardiology (ACC).
Die Prävention einer HF erfolgt ausschließlich durch eine frühe Identifikation und Kontrolle von Risikofaktoren. Diese Risikofaktoren können auch zu einer koronaren Herzerkrankung führen sowie zu einer HF mit einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF). Viele HF-Patienten mit LVEF hatten keine vorherigen vaskulären Erkrankungen und doch ist ihre Prognose schlecht.
Allgemein wurden die Vorstufen einer HF bisher lediglich in älteren Menschen untersucht. Daten zur Häufigkeit der HF-Vorstufen (Stadien A und B) in jüngeren Populationen liegen nicht vor.
Zielsetzung
Das Ziel dieser deutschen monozentrischen Studie war es herauszufinden, wie hoch das Risiko in der Allgemeinbevölkerung ist eine Herzinsuffizienz zu entwickeln und welche Faktoren zu Grunde liegen.
Methodik
Bei dieser Studie handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) und des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie des Universitätsklinikums Würzburg mit dem Namen STAAB (Characteristics and Course of Heart Failure Stages A–B and Determinants of Progression).
In die Kohortenstudie eingeschlossen wurden 5.000 zufällig ausgewählte Einwohner der Stadt Würzburg im Alter von 30-79 Jahren, bei denen keine Herzinsuffizienz vorlag. Eine Stratifizierung nach Alter (Verhältnis: 10:27:27:27:10 für die Altersgruppen 30-39, 40-49, 50-59, 60-69 und 70-79 Jahre) und Geschlecht (Verhältnis 1:1) fand statt.
Die Probanden unterzogen sich einer medizinischen Untersuchung mit Messung des Blutdrucks und einer Anthropometrie sowie einer Blutabnahme zur Messung des Glukosespiegels und des Biomarkers NT-proBNP. Zusätzlich wurde ein Echokardiographie durchgeführt. Es erfolgte eine Eingruppierung der Probanden in die verschiedenen HF-Stadien anhand der AHA/ACC-Klassifikation.
Nach Einschluss der ersten Hälfte der Probanden erfolgte eine Zwischenauswertung (Derivationsgruppe). Die Ergebnisse wurden durch die zweite Hälfte der Probanden dann validiert (Validierungsgruppe).
Ergebnisse
Derivationsgruppe:
- In dieser Gruppe wurden 2.473 Probanden analysiert. Hiervon waren 51% weiblichen Geschlechts.
- Die Verteilung in die einzelnen Altersgruppen war 10%/28%/25%/27%/10%.
- Einteilung der Stadien nach AHA/ACC-Klassifikation:
• 42% der Probanden konnten dem Stadium A zugeordnet werden und diese hatten die folgende Verteilung in die Altersgruppen: 18%/30%/45%/55%/57%. Die standardisierte Prävalenz betrug 39,2% (95%-Konfidenzintervall (KI): 37,3%-41,2%).
• Eingeordnet in Stadium B wurden 17% der Teilnehmer mit einer Verteilung von 13%/13%/16%/20%/33% in die Altersgruppen. Die standardisierte Prävalenz betrug 17,7% (95%-KI: 16,0%-19,3%).
- Einfluss von Risikofaktoren auf die Entwicklung einer HF:
• Probanden mit einer strukturellen Herzerkrankung (HF-Stadien A und B) waren älter (58 vs. 63 Jahre, p < 0,001) und häufiger Frauen (42% vs. 57%, p < 0,001). Die Gesamtanzahl der Risikofaktoren war ebenfalls erhöht (1,8 vs. 2,1 Risikofaktoren, p < 0,001) im Vergleich zu Probanden ohne strukturelle Herzerkrankung.
• Keine Unterschiede zwischen den Gruppen konnten für weitere potenzielle Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und Komorbiditäten gefunden werden.
• Probanden der Stadien A und B hatten häufiger eine verminderte Nierenfunktion und die Werte für Albumin, LDL-Cholesterin und Hämoglobin waren vermindert. Hingegen waren die Werte von HbA1c, Nüchternglukose und NT-proBNP höher.
- Von den 430 Studienteilnehmer im Stadium B hatten 299 Teilnehmer auch Risikofaktoren, die sie für Stadium A qualifizieren (im Folgenden B&A genannt).
- Teilnehmer mit Stadium B aber nicht Stadium A waren gegenüber den B&A-Probanden jünger, häufiger Frauen und hatten häufiger einen Sinusrhythmus.
- Das überwiegende Kriterium für die Klassifizierung in Stadium B war eine linksventrikuläre Dilatation (p < 0,001).
Validierungsgruppe:
- Die Validierungsgruppe bestand aus 2.492 Teilnehmern.
- In das Stadium A wurden 43% der Teilnehmer klassifiziert, in Stadium B 22% und in Stadium C weniger als 1%.
- Die Erkenntnisse aus der Derivationsgruppe konnte in der Validierungsgruppe bestätigt werden.
Fazit
Diese deutsche Studie zeigt, dass die Prävalanz von HF-Vorstufen, Stadien A und B der AHA/ACC-Klassifikation, über alle Altersgruppen hoch ist und mit steigendem Alter ansteigt. Personen mit einem hohen Risiko eine Herzinsuffizienz zu entwickeln müssen bereits in jüngeren Altersgruppen gescreent und identifiziert werden. Nur so kann eine erfolgreiche primäre HF-Prävention stattfinden.Weiterhin konnte in dieser Studie eine Subpopulation identifiziert werden, die strukturelle Herzerkrankungen ohne Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz aufweisen. Sie werden in Stadium B klassifiziert ohne Merkmale von Stadium A aufzuweisen. Diese bisher unbekannte Subpopulation sollte weiter untersucht werden um neue Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz zu entdecken, vornehmlich in jungen Frauen.