Angiosarkom

Das Angiosarkom ist ein maligner Tumor des Binde- und Stützgewebes, das von vaskulären oder lymphatischen Endothelzellen ausgehend als Hämangiosarkom oder Lymphangiosarkom vorkommt.

Angiosarkom Milz

Definition

Weichteilgewebetumoren. Die rasch wachsenden aggressiven Sarkome entwickeln sich aus bindegewebigen Strukturen – vorwiegend der Kutis und Subkutis – und manifestieren sich als Hämangiosarkom (ausgehend von den Endothelzellen der Blutgefäße) oder als Lymphangiosarkom (ausgehend von den Endothelzellen der Lymphgefäße). Bevorzugte Prädilektionsstellen sind Haut, Bindegewebe, Mamma, Leber und Milz. Angiosarkome der Haut präsentieren sich zunächst als rötlich-livide Flecken, die später knotig werden und schließlich geschwürig zerfallen. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen und histo-pathologischem Befund. Therapie der ersten Wahl ist die radikale Exzision des Tumors mit ausreichendem Sicherheitsabstand, gefolgt von Strahlen- und ggf. Chemotherapie. Die Prognose ist oft ungünstig, die Mortalität hoch [1].

Ätiologie

Bei den Angiosarkomen werden primäre und sekundäre Formen unterschieden. Primäre Angiosarkome betreffen vor allem den Kopf und die therapie-naive Brust. Sekundäre Angiosarkome entstehen meist in vorbestrahlten Gebieten oder auf dem Boden eines chronischen Lymphödems [2][3].

Praktisch hat sich folgende Einteilung bewährt: [4]

  • Angiosarkom der Kopf- und Gesichtshaut: hochmaligner, von Blutgefäßen ausgehender Tumor im Kopfbereich, betroffen sind meist ältere Menschen zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr, Männer erkranken doppelt so häufig wie Frauen.Angiosarkom der radio-naiven Brust: nur bei Frauen, vor allem zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr
  • Angiosarkom nach therapeutischer Radiatio: strahleninduziert, meist in thorakalen und abdominellen Bestrahlungsfeldern
  • Lymphödem-assoziiertes Angiosarkom (Stewart-Treves-Syndrom): häufig mit chronischen Lymphödemen der Beine oder mit ödematös geschwollenen Armen assoziiert, insbesondere nach Operation eines Mamma-Karzinoms mit Nachbestrahlung, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
  • Kaposi-Sarkom (Sonderform): multifokale angioproliferative Neoplasie, primär in der Haut, sekundär weiterer Organbefall, spontan oder im Rahmen einer HIV-Infektion auftretend, als ursächlich wurde das humane Herpesvirus Typ 8 (HHV8) identifiziert (siehe AIDS)
  • epitheloides Angiosarkom (Sonderform): betrifft bevorzugt die tiefen Weichteile und mehrheitlich Männer
  • Hämangioendotheliom (Sonderform): niedrig maligner (borderline) Tumor, lokaldestruierendes Wachstumsmuster, metastasieren äußerst selten (wenn, dann in die regionären Lymphknoten), werden heute als low-grade bzw. intermediär-maligne kutane Gefäßtumoren klassifiziert [3].

Epidemiologie

Rund ein Prozent aller Karzinomerkrankungen sind Sarkome. Angiosarkome gehören zu den eher seltenen Vertretern dieser Gruppe. Sie machen etwa ein bis zwei Prozent aller Weichteilsarkome und fünf Prozent aller malignen kutanen Karzinome aus. 2017 erkrankten 2.099 Frauen und 2.262 Männer neu an einem Weichteilkarzinom. Ausgehend von den insgesamt 4.361 Neuerkrankungen pro Jahr, müsste der Anteil der Angiosarkome rund 40 bis 80 Fälle betreffen. Die aktuelle Leitlinie „Kutane Angiosarkome – Update 2021“ gibt den Anteil mit schätzungsweise 40 bis 50 Neudiagnosen pro Jahr an [3][5].

Mit einem Geschlechterverhältnis von 2:1 erkranken in Deutschland etwa doppelt so viele Männer wie Frauen an einem Angiosarkom [3].

In den meisten Fällen betreffen Angiosarkome die Haut. 60 Prozent aller kutanen Angiosarkome finden sich an den oberflächlichen Weichteilen im Kopf-Hals-Bereich, bevorzugt an der Kopfhaut. Das Durchschnittsalter des typischen oberflächlich-kutanen Angiosarkoms wird mit 65 bis 70 Jahren angegeben. Ältere Menschen erkranken überwiegend an high-grade Angiosarkomen wie dem klassischen Angiosarkom am Kopf, dem Lymphödem-assoziierten Angiosarkom, dem Angiosarkom nach Bestrahlung der Haut und dem epitheloiden Angiosarkom. Die primären Angiosarkome der radion-aiven Mamma der Frau und das Angiosarkom der tiefen Weichteile und Organe betreffen indes meist jüngere Menschen (inklusive Kinder und Adoleszenten) [3].

Ursachen

Die Ursachen von Angiosarkomen unterscheiden sich nach ihrer Ätiologie.

Primäre Angiosarkome der Haut betreffen etwa zu zwei Drittel den Kopf-Hals-Bereich, gefolgt von Unterarm und Unterschenkel. Die Gründe dafür sind bislang nicht abschließend entschlüsselt. Diskutiert wird der Einfluss von UV-Strahlung, Karzinogenen und Fremdkörpern (z. B. Tattoo-Farbstoffe) [3][6].

Das sekundäre strahleninduzierte Angiosarkom wird durch ionisierende Strahlen verursacht (im Mittel mehr als 5–6 Jahre postradiatio). Heute stellt es vor allem im Rahmen der modernen brusterhaltenden Mammakarzinom-Therapie (BET) ein Problem dar. Früher dominierten radiogene Angiosarkome eher abdominal, zum Beispiel nach einer Radiatio von Zervix, Ovarien und Uterus. Das Risiko der Strahlen-Exposition kann von anderen Faktoren verstärkt werden, zum Beispiel einem Lymphödem oder disponierenden Gendefekten (speziell DNA-Reparaturgene wie BRCA1 und BRCA2) [3].

Persistierende Lymphödeme sind eine weitere bekannte Ursache der Angiosarkome. Betroffen sind insbesondere Frauen nach radikaler Mastektomie mit axillärer Lymphknotendissektion bei Zustand nach Mammakarzinom und langjährigem Lymphödem. Die Latenz des Lymphödem-assoziierten Angiosarkoms (auch als Stewart-Treves-Syndrom bezeichnet) liegt bei 10 bis 15 Jahre postoperativ. Diese Variante macht etwa fünf Prozent aller Angiosarkome aus und ist heute kaum noch zu finden. Alle anderen Lymphödeme gehören zwar zu den prädisponierenden Faktoren, wirken sich aber nur sehr selten als begünstigender Faktor eines Angiosarkoms aus [3].

Weitere mögliche Ursachen können arteriovenöse Fistelanlagen darstellen, zum Beispiel am Dialyse-Shunt-Arm nach Nierentransplantation und entsprechender Immunsuppression. Wie genau sich die Immunsuppression beim Angiosarkom auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt; von einer Relevanz ist aber auszugehen [2][3].

Beim hepatischen Angiosarkom ist ein kausaler Zusammenhang mit Arsenik (Arsen(III)-oxid), anabolen Steroiden und Vinylchlorid erwiesen. Nur noch von historischem Interesse sind die früher häufig beobachteten Angiosarkome nach einer Thoriumdioxid-Exposition (Thorotrast) – ein in den 1930er-Jahren verwendetes Kontrastmittel in der Radiologie [3][6].

In seltenen Fällen können Angiosarkome – speziell der tiefen Weichteile – mit hereditären familiären Syndromen wie der Neurofibromatose NF1 oder dem Maffucci-Syndrom assoziiert sein. Hiervon sind meist schon Kinder betroffen. Angiosarkome im Rahmen eines Klippel-Trénaunay-Syndroms oder kindlichen Hämangioms stellen absolute Raritäten dar [3][6].

Das Kaposi-Sarkom nimmt eine Sonderrolle bei den Angiosarkomen ein. Diese Form ist regelhaft mit dem humanen Herpesvirus 8 (HHV8) assoziiert. Es tritt spontan oder im Rahmen einer HIV-Infektion auf. Für alle anderen Angiosarkome konnte HHV8 als Ursache ausgeschlossen werden [3][6].

Pathogenese

Die Pathogenese der unterschiedlichen Weichteilgewebetumoren ist nicht einheitlich und im Detail nicht abschließend verstanden. Bei etwa 30 Prozent dieser Tumore sind spezifische molekulare Aberrationen nachweisbar. Beim Angiosarkom liegen der endothelialen Wucherung komplexe genomische Störungen zugrunde. Beim strahleninduzierten Angiosarkom sind MYC- und FLT4-Amplifikationen sowie grundsätzliche Störungen des RAS- und des AKT/mTOR-Signalweges nachgewiesen [4].

Histologie

Der histopathologische Befund der kutanen Angiosarkome ist bei allen Ursachen ähnlich. Die Tumoren sind unscharf begrenzt und asymmetrisch. Sie wachsen oft diffus infiltrativ und diskontinuierlich – bevorzugt in der Dermis –, können aber auch subkutanes Fettgewebe, den darunterliegenden Skelettmuskel oder Faszien invadieren.

Abhängig vom Differenzierungsgrad werden gut und schlecht differenzierte Angiosarkome unterschieden – obschon der Grad der Differenzierung für die Prognose relativ unerheblich ist. Prognostisch bedeutsam sind die Epitheloidzelldifferenzierung und Tumornekrosen [2].

Histopathologisch werden folgende Formen unterschieden: [7]

  • hochdifferenziert (lymph-/hämangiom-ähnlich)
  • klassisch (sieb-, netz- oder schwammartig)
  • pleomorph/anaplastisch
  • intravaskulär
  • spindelzellig (kaposiform)
  • granularzellig
  • epitheloidzellig

Symptome

Das klinische Erscheinungsbild der Angiosarkome ist heterogen. Eins haben jedoch alle Formen gemeinsam – sie verursachen lange Zeit keine subjektiven Symptome wie Blutungen, Schwellungen oder Schmerzen. Wenn der Tumor angiozentrisch und angiookklusiv wächst (besonders charakteristisch für die epitheloiden Angiosarkome), sind im Spätstadium therapeutisch kaum beherrschbare Ischämieschmerzen gefürchtet [3][8].

Angiosarkom der Haut (ohne Lymphödem)

Kutane Angiosarkome können sich vielgestaltig zeigen. Sie finden sich bevorzugt im Kopf- und Hals-Bereich älterer Menschen. Mitunter sind kontusiforme rötlich-livide Flecken oder Plaques an sonnenexponierter Haut oder am unterschiedlich dicht behaarten Kapillitium die einzigen klinischen Früh-Anzeichen. Zuweilen sind die Maculae von einem düsterroten sich abhebenden, frisch eingebluteten Randsaum umgeben (so als würde Tinte auf einem Löschblatt aufgesaugt werden). Die Effloreszenzen können großflächig verteilt sein und singulär oder multifokal auftreten.

Hinweis: Ein wichtiges klinisches Zeichen beim kutanen Angiosarkom liefert das sogenannte „head-tilt“-Manöver. Der Befund ist positiv, wenn sich der Tumor nach kurzer Kopftieflage (20 Sekunden) füllt und sichtbar wird.

Ödematöse Schwellungen und Hämatome im Gesichtsbereich, knotige Plaques, plattenartige Tastbefunde und ulzerierte blutende Tumoren sind lokale Spätstadien und kennzeichnen meist eine Rezidiv-Situation. Das Rezidiv selbst (2/3) und die Metastasierung (1/3) – in erster Linie in die Lunge – führen im Krankheitsverlauf häufig zu pulmonalen Beschwerden und später zu unkontrollierbaren Blutungen (oft mit letalem Ausgang) [3].

Aufgrund der uncharakteristischen Symptome sind Fehldiagnosen häufig. Dazu gehören: [3][8]

  • unklare inflammatorische Gesichtsdermatose
  • unklare persistierende Rosazea
  • rezidivierendes oder „atypisch persistierendes“ Erysipel
  • Urtikaria, Flush, Affekthyperämie, psychogene Gesichtsrötung
  • Granuloma eosinophilicum faciale
  • Lupus erythematosus
  • posttraumatisches Hämatom, Kontusion
  • nekrotisierender Zoster
  • Arteriitis temporalis

Angiosarkom der radionaiven Brust

Das Angiosarkom der radionaiven Brust (ausschließlich bei Frauen); manifestiert sich mehrheitlich zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Es macht nur einen Anteil von ein bis zwei Promille aller Mammakarzinome aus. Klinisch imponiert eine tastbare umschriebene Gewebeverdichtung, Anzeichen an der Hautoberfläche können fehlen [3].

Eine diagnostische Verwechslungsgefahr besteht vor allem mit der knotigen Mastopathie und Lipomen [8].

Angiosarkom nach therapeutischer Radiatio

Das Angiosarkom der bestrahlten Brust zeigt zunächst eine uncharakteristische Hautsymptomatik mit hämatomartigen, kontusiformen Erythemen im Strahlengebiet. Der eigentliche Tumor ist erst später tastbar.

Klinisch (und vor allem histologisch) müssen die atypischen vaskulären Läsionen (AVL) nach Radiatio abgegrenzt werden. Diese benignen Hautläsionen sind meist als kleine, zystisch wirkende Knötchen (< 1 cm) erkennbar. Ihr Erscheinungsbild ist im Gegensatz zum Radiatio-assoziierten Angiosarkom nicht hämorrhagisch, sondern rosafarben bis glasig [3].

Lymphödem-assoziiertes Angiosarkom (Stewart-Treves-Syndrom)

Stewart und Treves beschrieben das nach ihnen benannte Syndrom erstmals 1948 bei Frauen mit Mammakarzinom nach Mastektomie und axillärer Lymphonodektomie bei persistierenden Lymphödemen. Insgesamt handelt es sich hierbei um eine eher seltene Komplikation bei langjährigen Verläufen (4–27 Jahre); betroffen sind nur etwa 0,45 Prozent der Patienten [8].

Das Lymphödem-assoziierte Angiosarkom sollte diagnostisch in Betracht gezogen werden, wenn sich innerhalb des – meist derb tastbaren – Lymphödems düstere kontusiforme Maculae präsentieren [3].

Mögliche Fehldiagnosen sind: [8]

  • Venenstauung
  • Lymphgefäßektasien bei Lymphödem
  • Hämatom, Trauma
  • Hypodermitis

Diagnostik

Angiosarkome sind aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit leicht mit anderen dermatologischen Erkrankungen zu verwechseln. Das erschwert und verzögert die Diagnose häufig und ungünstige Krankheitsverläufe werden begünstigt. Bei Verdacht auf ein Angiosarkom sollten nach den diagnostischen Basisinstrumenten (Anamnese und klinische Untersuchung) bildgebende Verfahren sowie eine Tumorbiopsie und Histopathologie folgen. Die Endotheldifferenzierung mittels Immunhistochemie ist obligat und insbesondere beim schlecht differenzierten Angiosarkom unverzichtbar. Die zahlreichen genetischen Aberrationen spielen in der Diagnostik derzeit nur eine untergeordnete Rolle [3].

Bildgebung

Bei der Angiosarkom-Diagnose sind bildgebende Verfahren wie die Lymphknotensonographie, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) unerlässlich. Zudem kann eine PET-CT Untersuchung wertvolle Zusatzinformationen liefern (unter anderem die Ausdehnung im Weichteilmantel der Haut zur OP-Planung).

Die Bildgebung dient vornehmlich der Ausbreitungsdiagnostik. Angiosarkome metastasieren (Angabe in absteigender Häufigkeit) vornehmlich in:

  • Lymphknoten
  • Lunge
  • Leber
  • Milz

Eine Fernmetastasierung präsentiert sich klinisch fast immer mit pulmonalen Symptomen, zum Beispiel mit Husten, Hämoptysen, Kurzatmigkeit, Pleuraergüssen und Pneumothorax. [3][6]

Histopathologie und molekulare Diagnostik

Aufgrund der uncharakteristischen Symptomatik und des oft schicksalhaften Verlaufs sollte bereits bei geringstem Angiosarkom-Verdacht biopsiert werden, ggf. mehrfach im fraglichen Areal. Auch wenn das kutane Angiosarkom üblicherweise oberflächlich ist, sollte die Biopsie bis ins subkutane Fettgewebe reichen.

Angiosarkomzellen formen meist gefäßartige Strukturen – neigen jedoch dazu, keine gegebenen Strukturen zu beachten. Vielmehr bilden sie häufig eigene dissezierende, bizarre Netzwerke mit Anastomosen. Anders als bei der Sonderform des Kaposi-Sarkoms sind die Netzwerke histologisch auffallend blutleer. „Multilayers“, Atypien und Mitosen der Endothelien runden das Bild ab (mitunter auch nur diskret vorhanden). Typisch ist das sogenannte „Fische im Bach Zeichen“, dessen Namen auf in das Lumen abgeschilferte Endothelzellen zurückgeht [3].

Immunhistochemie

Angiosarkome exprimieren typischerweise CD31 (platelet endothelial cell adhesion molecule, PECAM) und CD34 (human hematopoietic progenitor antigen). Diese Färbungen sind bei der Diagnosesicherung wegweisend – obgleich ein geringer Prozentsatz der Angiosarkome CD31-negativ ist. Weiterhin hilfreich sind die lymphatischen Endothelzellmarker D2-40 (Podoplanin), LYVE-1 und PROX-1. Eine deutliche Positivität von Ki-67 und Nekrosen haben sich als ungünstige histologische Prognosefaktoren erwiesen.

Ergänzend werden entwicklungsbiologisch relevante Transkriptionsfaktoren als Angiosarkom-Marker genutzt – insbesondere in diagnostisch schwierigen Situationen, zum Beispiel bei aberranter Koexpression von Zytokeratinen. Dazu gehören ERG (avian V-Ets erythroblastis virus E26 oncogene homolog), der aktuell als spezifischster und sensitivster Gefäßmarker gilt, und Fli-1(friend leukemia integration 1 transcription factor), der sich durch eine Sensitivität von nahezu 100 Prozent auszeichnet.

Im strahleninduzierten Angiosarkom finden sich zusätzlich diverse genetische Schäden.

Beim prognostisch ungünstigen epitheloiden Angiosarkom dominieren Rasen großer epitheloider Zellen. Dazwischen befinden sich dünne, blutgefüllte Schlitze und Spalten. Die Ähnlichkeit mit epithelialen Tumoren ist groß. Wichtige Nebenkriterien sind Nekrosen und Einblutungen. Epitheloide Angiosarkome sind zu mehr als 30 Prozent Zytokeratin-positiv; beweisend sind dann CD31, Fli-1 und ERG.

Ergebnisse der immunhistologischen Untersuchungen zur Differenzierung sind gemäß der Leitlinie im Befundtext mitzuteilen. Neben den TNM-relevanten Angaben zum Grading soll der histologische Befundtext ebenso Angaben zum Ausmaß des Tumors (mm/cm) und – soweit erfasst – zur Invasionstiefe bzw. Tumordicke sowie zu Mitosen und Nekrosen beinhalten [3][8].

Therapie

Die Therapie der ersten Wahl ist die radikale Exzision des Tumors mit ausreichend Sicherheitsabstand. Im Anschluss soll ziemlich rasch eine adjuvante Radiotherapie und ggf. eine Chemotherapie eingeleitet werden. Ein ausschließlich operatives oder alleiniges radiotherapeutisches Vorgehen wird im Hinblick auf die erhöhte Sterblichkeit nicht empfohlen [3].

Operation

Die chirurgische Intervention ist frühzeitig mit einer R0-Resektion anzustreben. Leider verhindert das multifokale bis springende Wachstum („skip lesions“) mitunter, die R0-Situation an allen Rändern klinisch und histologisch sicher zu bestimmen.

Sollte bei größeren Defekten kein primärer Verschluss möglich sein, wird eine Deckung per Transplantation von Spalthaut empfohlen. Plastisch-chirurgische Verfahren wie Rotations- und andere Lappen sollen nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Vor der Deckung empfiehlt es sich, den histo-pathologischen Befund abzuwarten, auch wenn das ein vorübergehendes Offenlassen des Defekts bedeutet.

Über den Einsatz radikaler und ultraradikaler Vorgehensweisen hin zur Amputation von Gliedmaßen wird kontrovers diskutiert [3].

Adjuvante Radiatio

Wenn irgend möglich, ¬ist ein multimodales Behandlungskonzept mit primär chirurgischem Vorgehen, gefolgt von einer unmittelbaren adjuvanten Radiatio, anzustreben. Die Strahlentherapie sollte im Hautbereich immer mit „weiten“ circa 3–5 cm großen Sicherheitsabständen um den Defekt erfolgen.

Die heute eingesetzten Bestrahlungstechniken umfassen moderne intensitätsmodulierte Photonentechniken, Elektronenstehfelder oder bildgeführte Brachytherapieverfahren [3].

Primäre Radiochemotherapie

Bei primär inoperablen Angiosarkomen kommt eine definitive Radiotherapie, ggf. in Form einer kombinierten Radio-/Chemotherapie, in Betracht.

Die Gabe einer Chemotherapie neoadjuvant, simultan oder post-radiotherapeutisch – insbesondere von Taxanen wie Paclitaxel und Docetaxel – verbessert die Prognose.

Eine neo-adjuvante Chemotherapie (NAC) kann in Sondersituationen erwogen werden, beispielsweise zum funktionellen Organerhalt in palliativer Intention, etwa bei peri-orbitalem Sitz des Angiosarkoms mit Risiko des Augenverlustes [3].

Vorgehen bei Rezidivtumoren

Bei Rezidivtumoren soll eine partielle Verkleinerung (Debulking) oder eine erneute R0-Resektion diskutiert werden, evtl. gefolgt von einer normo- und hyperfraktionierten Radiatio oder einer bildgeführten lokalen Brachytherapie vor und mit medikamentöser Systemtherapie [3].

Medikamentöse Therapie nicht operabler Angiosarkome oder metastasierter Tumoren

Bei persistierenden lokoregionären, ausgedehnten Angiosarkomen ist die Prognose meist infaust. Deshalb wird der Wert einer Operation jüngst in Frage gestellt. Ferner werden im Hinblick auf neue Substanzen eine primäre Chemotherapie bzw. gezielte Therapie und außerdem eine sekundäre Dauerchemotherapie bzw. gezielte adjuvante Therapie (maintenance therapy) diskutiert.

Die medikamentöse, adjuvante Erhaltungstherapie – auch nach OP und Radiatio – mit wenig-toxischen, niedrig dosierten metronomen Substanzen könnte zukunftsweisend sein. Noch ist der Wert medikamentöser adjuvanter Maßnahmen zwar nicht belegt, positive Einzelfallberichte sprechen jedoch für einen möglichen Vorteil [3].

Chemotherapie

Bei nicht-resektablen Befunden bzw. Palliativpatienten existieren neben Einzelfall-Berichten vor allem Erfahrungen mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin und Paclitaxel. Auf Doxorubicin-basierte Schemata sprechen demnach rund ein Viertel der Patienten an. Die Rate ließe sich eventuell sogar durch die zusätzliche Gabe von Ifosfamid verbessern – allerdings bei erheblicher Toxizität [3].

In der ANGIOTAX-Studie erhielten 30 Patienten 80 mg/m2 Paclitaxel an Tag 1, 8 und 15 im 4-Wochen-Schema. Damit wurde ein progressionsfreies Überleben (PFS) von 74 Prozent nach zwei bzw. 45 Prozent nach vier Monaten erzielt [9].

Weitere Studien stützen den Wert und die Gleichwertigkeit von Anthrazyklinen und Taxanen. In einer EORTC Studie zu Paclitaxel mit 32 Patienten konnten Ansprechraten von 62 Prozent (alle Angiosarkome) bis 75 Prozent (Scalp-Angiosarkome) gezeigt werden [10].

Ebenfalls interessant ist eine Untersuchung zur Monotherapie mit Gemcitabin. Bei einer Dosierung von 1000 mg/m2 wöchentlich (Woche 1–3, alle vier Wochen) lag die Komplett- und Teilansprechrate (complete response [CR] und partial response [PR]) bei 68 Prozent [11].

Weitere diskutierte Kandidatensubstanzen der konventionellen Chemotherapie für das Angiosarkom sind Docetaxel, Vinorelbin, Cisplatin sowie Epirubicin [8].

Zweitlinien-Option bei fortgeschrittenen Angiosarkomen

Vor kurzem wurden zwei neue gezielte Therapieformen als Zweitlinien-Option bei fortgeschrittenen Sarkomen zugelassen: die Tyrosinkinase-Inhibitoren Trabectedin und Pazopanib. Beide sind grundsätzlich auch für das fortgeschrittene Angiosarkom anwendbar.

Molekular gezielte bzw. experimentelle medikamentöse Therapie

Unterschiedliche Therapieansätze scheinen konzeptionell attraktiv, sind bislang jedoch nicht an einer ausreichend großen Patientenzahl evaluiert und somit experimenteller Natur. Dazu gehören: [3]

  • „vaskuläres Targeting“ mit Bevacizumab, einem monoklonalen Antikörper gegen VEGF
  • Bevacizumab in Kombination mit Paclitaxel
  • der Multikinaseinhibitor Sorafenib
  • „anti-angiogenetisches Targeting“; untersucht wurde die anti-angiogenetische Dreifachkombination aus Pioglitazon (PPARγ-Agonist), Rofecoxib (Cox-2-Hemmer) und metronom appliziertem Trofosfamid per os (Zytostatikum aus der Gruppe der Alkylanzien). Die zusätzliche Gabe von Interferon-α könnte die Chancen auf ein Ansprechen weiter erhöhen.

Propranolol

Für den in der Therapie der Säuglingshämangiome etablierten Betablocker Propranolol gibt es einzelne positive Fallberichte zur Komplementärmedikation im Rahmen anderer Angiosarkom-Behandlungen sowie Daten aus experimentellen Modellen. Eine generelle Empfehlung kann hier allerdings noch nicht ausgesprochen werden [3].

Elektrochemotherapie

Eine 2016 publizierte Studie untersuchte 19 fortgeschrittene Angiosarkome, die mittels Elektrochemotherapie (ECT) behandelt wurden. Die objektive Ansprechrate lag bei 63 Prozent – also zwölf Patienten – acht davon zeigten eine komplette Remission. Die 1-Jahr-lokale-PFS-Rate (1J-LPFS) lag bei 68 Prozent. Schmerz- und Blutungskontrolle waren bei etwa einem Drittel der Patienten überzeugend [12].

Daten aus einer 2019 publizierten Untersuchung, der sogenannten InspECT Studie (International Network for Sharing Practices in ECT), ergaben vergleichbare Ergebnisse: Bei 20 Patienten mit weit fortgeschrittenen Angiosarkom wurde in 80 Prozent ein objektives Tumoransprechen beobachtet, in der Hälfte dieser Fälle eine komplette Remission. Eine Blutungskontrolle erzielten 13 von 14 Patienten und die durchschnittliche LPFS wurde mit 10,9 Monaten beziffert [13].

Immuntherapeutische Ansätze und Perspektiven

In Einzelfällen führte die intra-läsionale Gabe von rekombinanten Interleukin-2 (rIL2) zu Komplettremissionen [14]. Umfänglichere Berichte gibt es zur Kombination der Injektionen mit einer Strahlentherapie [15][16][17].

Auch wenn die definitive Rolle von rIL2 in Studien noch nicht ausreichend evaluiert ist, deuten die Daten auf eine Rolle des Immunsystems in der Tumorkontrolle hin. In diesem Zusammenhang sind in den letzten Jahren in kleinen Serien und Einzelfällen auch Therapieansätze mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) untersucht worden.

  • 2017 untersuchten Wissenschaftler 106 Angiosarkome. Insgesamt detektierten sie 30,2 Prozent PD-L1-positive Proben – 17,9 Prozent zeigten eine hohe Infiltration von PD-1-positiven Zellen. Interessanterweise war dies mit einer eher günstigeren Prognose assoziiert [18].
  • 2019 wurde eine Fallserie mit sieben Patienten publiziert. Nach zwölf Wochen Therapie mit Pembrolizumab zeigten fünf der Patienten ein objektivierbares Ansprechen und zwei eine Progression [19].

Eine abschließende Bewertung der ICI-Möglichkeiten ist derzeit noch nicht möglich [3].

Nachsorge

Da Angiosarkome sehr selten vorkommen, gibt es zurzeit noch keine validen Daten über den Nutzen regelmäßiger Nachsorgeuntersuchungen. Aufgrund der raschen Progression und der infausten Prognose sind in der Mehrzahl der Fälle individualisierte Nachsorgeintervalle von sechs Wochen bis drei Monaten gerechtfertigt. Abhängig von den Prognoseparametern, dem TNM-Stadium und den typischen Metastasenregionen müssen bildgebende Verfahren wie Sonografie, CT und MRT in das Management einfließen.

Ausgedehnte Tumoren an exponierten Körperstellen können einen erheblichen Leidensdruck verursachen. In diesen Fällen sind eine psychosoziale Beratung und psycho-onkologische Betreuung indiziert, mitunter auch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme [3].

Prognose

Die Prognose ist – trotz Ausschöpfung aller Therapieversuche – bis heute in den meisten Fällen infaust. Das ist auf das diffus infiltrative und diskontinuierliche bis multifokale Wachstum der Tumoren zurückzuführen. Rezidive und Metastasen sind eher die Regel als die Ausnahme.

Solitäre, superfiziell lokalisierte Angiosarkome mit einem Durchmesser von mehr als 5 cm haben eine deutlich bessere Prognose als tiefer gelegene, dickere, flächige oder multizentrische Tumoren. Hohes Alter prädiziert eine verkürzte Überlebenszeit. Histopathologisch wird ein dichtes, inflammatorisches Infiltrat als prognostisch günstiger Faktor eingestuft, ungünstig wirken sich eine hohe Ki-67-Expression, Nekrosen und positive Schnittränder aus.

Die Prognose des Lymphödem-assoziierten Angiosarkoms ist möglicherweise etwas schlechter als die der anderen Varianten.

Besonders düster scheint die Prognose beim therapienaiven Angiosarkom der Mamma zu sein. Gemäß der vorliegenden, wenn auch wenigen soliden Daten ist von einer 90-prozentigen Mortalität binnen zweier Jahre auszugehen. Ähnlich schlecht wird die Prognose beim strahleninduzierten Angiosarkom der Brust beschrieben [3].

Prophylaxe

Es sind keine speziellen Präventionsmaßnahmen bekannt.

Autor:
Stand:
25.02.2022
Quelle:
  1. Brenn, T. (2015): Angiosarkome der Haut. Pathologe 36:70–8; DOI: 10.1007/s00292-014-2002-3.
  2. Reichardt, P., Klein-Weigel, P. (2015): Bösartige Gefäßtumoren (Angiosarkom, Lymphangiosarkom). In: Lehnert H. et al.: SpringerReference Innere Medizin, Springer; DOI: 10.1007/978-3-642-54676-1_342-1.
  3. Vogt, T. et al. (2021): S1-Leitlinie Kutane Angiosarkome - Update 2021. Registernummer 032-056; abgerufen am 26. Juli 2021.
  4. Altmeyer, P. (2018): Angiosarkom (Übersicht). Altmeyers Enzyklopädie; zuletzt aktualisiert am 29. Mai 2018; abgerufen am 26. Juli 2021.
  5. Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD): Krebs der Weichteilgewebe ohne Mesotheliom, ICD-10 C46–C49. Stand 14. April 2021; abgerufen am 26. Juli 2021.
  6. Bayer, A. F. (2019): . Inaugural-Dissertation: Klinische Merkmale und Prognosefaktoren von kutanen Angiosarkomen unter Berücksichtigung von histologischen Parametern. Medizinische Fakultät der Eberhard Karls Universität zu Tübingen; 23. September 2019; abgerufen am 26. Juli 2021.
  7. Kutzner, H., Requena, L. (2015) Gefäßtumoren der Haut. In: Cerroni, L. et al.: Histopathologie der Haut, Springer; DOI: 10.1007/978-3-662-44367-5_36-1.
  8. Vogt, T., Körner, R., Müller, C. S. L. (2012): Maligne Bindegewebstumore – Sarkome. In: Aktuelle Dermatologie 2012; 38(07):248–64; DOI: 10.1055/s-0032-1309902.
  9. Penel, N. et al. (2008): Phase II trial of weekly paclitaxel for unresectable angiosarcoma: the ANGIOTAX Study. J Clin Oncol 2008 Nov; 26(32):5269–74; DOI: 10.1200/JCO.2008.17.3146.
  10. Schlemmer, M. et al. (2008): Paclitaxel in patients with advanced angiosarcomas of soft tissue: a retrospective study of the EORTC soft tissue and bone sarcoma group. Eur J Cancer 2008 Nov; 44(16):2433–6; DOI: 10.1016/j.ejca.2008.07.037.
  11. Stacchiotti, S. et al. (2012): Gemcitabine in advanced angiosarcoma: a retrospective case series analysis from the Italian Rare Cancer Network. Ann Oncol 2012 Feb; 23(2):501–8; DOI: 10.1093/annonc/mdr066.
  12. Guida, M. et al. (2016): Local treatment with electrochemotherapy of superficial angiosarcomas: Efficacy and safety results from a multi-institutional retrospective study. J Surg Oncol 2016 Aug; 114(2):246–53; DOI: 10.1002/jso.24287.
  13. Zhou, G., Mei, Z. (2019): Electrochemotherapy for advanced cutaneous angiosarcoma: A european register-based cohort study from the international network for sharing practices of electrochemotherapy (InspECT)-An invited commentary. Int J Surg 2019 Dec; 72:232–3; DOI: 10.1016/j.ijsu.2019.11.015.
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