Alzheimer: ApoE2 schlägt ApoE4

Die drei verschiedenen Genotypen des Apolipoprotein E-Genotyps stehen in unmittelbarem Zusammenhang zur Ablagerung von Beta-Amyloid. Der positive Einfluss von ApoE2 scheint den negativen Einfluss von ApoE4 auszugleichen. Liegt hierin ein neuer Therapieansatz?

Apolipoproteintest

Hintergrund

Das humane Apolipoprotein E (ApoE)-Gen ist auf Chromosom 19 lokalisiert und zeigt einen Polymorphismus. Es kommen drei wichtige Allele vor: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Die entsprechenden Proteine unterscheiden sich in lediglich einer Aminosäure, haben aber dennoch sehr unterschiedliche Einflüsse auf die Träger. ApoE2 spielt eine wichtige Rolle bei Atherosklerose und ApoE4 bei Demenz vom Alzheimer-Typ. ApoE3 gilt als Normalform und tritt bei 64% der Bevölkerung homozygot auf.

ApoE4-Genotyp erhöht Alzheimer-Risiko

Zwei Allele bestimmen den Genotyp. In Mitteleuropa ist der Genotyp ApoE3,3 mit 60% am häufigsten vertreten, gefolgt von ApoE3,4 mit 20-25%. Weitere Genotypen sind ApoE2,3 (ca. 13%), ApoE4,4 (ca. 1,7%), ApoE2,4 (ca. 1,3%) und ApoE2,2 (ca. 0,5%).

Der ApoE-Genotyp gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Alzheimer-Demenz. Träger des ApoE4-Genotyps haben ein höheres Risiko für die Ablagerung von Beta-Amyloid im Gehirn. Beim Genotyp ApoE4,4 besteht das Risiko, bereits 10 Jahre früher an Alzheimer zu erkranken. Das sehr seltene AllelE2 scheint hingegen protektive Eigenschaften zu haben.

Zielsetzung

Ein Team um Philip Insel von der Lund University in Schweden untersuchte, ob das E2-Allel in bei gleichzeitigem Vorliegen des E4-Allels (Genotyp ApoE2,4) einen protektiven Effekt gegen die Akkumulation von Beta-Amyloid hat. Weiterhin untersuchten die Forscher, wie sich Alter und ApoE-Genotyp auf die Ablagerung von Beta-Amyloid und die kognitive Funktion auswirken [1].

Methodik

In der Studie wurden Daten der multizentrischen A4-Studie (Anti-Amyloid Treatment in Asymptomatic Alzheimer Disease) mit 6.943 Teilnehmern ausgewertet. In die Studie wurden Teilnehmer eingeschlossen, die keine kognitiven Einschränkungen zeigten (beurteilt mit PACC [Preclinical Alzheimer Cognitive Composite]), deren ApoE-Genotyp bekannt war und die eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit dem Glukose-Analogon F-18 FDG erhalten hatten. Das 18F-FDG-PET ist seit vielen Jahren in der Demenzdiagnostik etabliert und kann die neuronale Aktivität erfassen. Ein quantitativer Parameter zur Abschätzung der FDG-Aufnahme ist SUV (standardisierte Uptake Value), in der Studie als SUVR (standardisierte Uptake Value Ratio) angegeben.

Ergebnisse

Insgesamt gingen 4.432 Teilnehmer in die Studie mit ein, deren mittleres Alter bei 71,4 Jahren lag. 59,4% der Studienteilnehmer waren weiblich. 1.594 Teilnehmer wiesen mindestens ein ApoE4-Allel auf.

Beta-Amyloid-Pathologie

Ein Drittel der Patienten war mit einer SUVR ≥ 1,10 positiv. Die höchste SUVR und damit die am stärksten ausgeprägte Beta-Amyloid-Pathologie zeigte sich bei homozygoten ApoE4,4-Trägern (SUVR 1,31), danach folgten die ApoE3,4-Träger (SUVR 1,18). Beim Genotyp ApoE2,4 lag die SUVR bei 1,11. Dieser Unterschied zu den anderen Gruppen war signifikant. Teilnehmer mit den Genotypen ApoE2,2, 2,3 oder 3,3 wiesen eine Beta-Amyloid-Last unterhalb des pathologischen Bereiches auf.

Der positive Einfluss des ApoE2-Allels zeigte sich auch unter Berücksichtigung des Alters. Die Beta-Amyloid-Last erhöhte sich in der ApoE2,4-Gruppe nur halb so schnell wie in den Gruppen mit Genotyp ApoE3,4 (+ 0,012 SUVR) und ApoE4,4 (+ 0,011 SUVR).

Kognitiver Status

Im kognitiven Status, in dieser Studie gemessen mit dem PACC, zeigten sich keine Unterschiede zwischen den unterschiedlichen ApoE-Genotypen. Die Autoren sehen dies als Zeichen dafür, dass der Einfluss von ApoE4 auf den kognitiven Status in Gänze durch die Ablagerung von Beta-Amyloid vermittelt wird.

Fazit

Die Studienergebnisse weisen auf einen protektiven Einfluss des ApoE2-Allels gegen die Akkumulation von Beta-Amyloid bei Trägern des ApoE4-Allels (Genotyp ApoE2,4) hin. Die Autoren sehen die Ergebnisse positiv im Hinblick auf die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien gegen Alzheimer. Die Funktion von apoE2 könnte durch die Entwicklung biochemisch ähnlicher Wirkstoffe nachgeahmt werden. So könnte der verminderte Abbau von Beta-Amyloid bei Trägern des ApoE4-Allels verstärkt werden.

„Ein solcher Behandlungsansatz ist attraktiv, da E4-Träger etwa zwei Drittel der Patienten mit einer Demenz vom Alzheimer-Typ ausmachen. Diese Strategie könnte eine frühe Therapieoption darstellen, da viele E4-Träger Beta-Amyloid bereits im frühen mittleren Alter akkumulieren“, so das Fazit der Autoren.

Autor:
Stand:
10.11.2020
Quelle:

Insel et al. (2020): Association Between Apolipoprotein E ε2 vs ε4, Age, and β-Amyloid in Adults Without Cognitive Impairment. JAMA Neurology, DOI: 10.1001/jamaneurol.2020.3780

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