
Hintergrund
Die Reaktionsfähigkeit und das Sehvermögen lassen mit dem Alter nach. Deswegen eilt älteren Autofahrern ein schlechter Ruf voraus. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Senioren ab einem bestimmten Alter zu einem Fahreignungstest verpflichtet werden sollen. Der ADAC beruft sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die zeigen, dass ältere Menschen nicht häufiger Unfälle mit Personenschäden verursachen als Menschen jüngerer Altersgruppen [1]. Im Gegenteil, Senioren verursachen sogar seltener solche Unfälle und sind eher Gefährdete als Gefährder. Der Automobilclub rät dennoch dazu, regelmäßig die eigene Fahrtauglichkeit kritisch zu hinterfragen und überprüfen zu lassen.
Verpflichtender Demenztest bei japanischen Senioren
In Japan sind fast 29% der Bevölkerung über 64 Jahre alt. Hier überlässt man in Sachen Fahrtauglichkeit bei Senioren nichts mehr dem Zufall: Im März 2017 wurde eine Gesetzesänderung eingeführt, die kognitive Screeningtests für ältere Autofahrer ab dem 75. Lebensjahr vorschreibt. Bei einem entsprechenden Ergebnis folgt eine ärztliche Untersuchung. Bei Anzeichen einer Demenz wird den Betroffenen die Fahrerlaubnis entzogen. Ob diese Gesetzesänderung Auswirkungen auf die Unfallstatistik hat, untersuchte eine Studie. Die Ergebnisse wurden im „Journal of the American Geriatrics Society“ veröffentlicht [2].
Senioren als Gefährder und Gefährdete im Straßenverkehr
Forscher um den Erstautor Dr. Haruhiko Inada von der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, untersuchten, ob die Gesetzesänderung dazu führte, dass weniger Senioren Autounfälle verursachten und gleichzeitig, ob es dadurch zu mehr Unfällen bei Fußgängern und Fahrradfahrern kam.
Studie vergleicht Unfallzahlen vor und nach Gesetzesänderung
Das Team um Inada wertete bei der Polizei registrierte Unfalldaten im Zeitraum von Juli 2012 bis Dezember 2019 aus, bei denen Personen ab dem 70. Lebensjahr beteiligt bzw. betroffen waren. Somit wurden die Zeiträume vor und nach der Gesetzesänderung erfasst und konnten miteinander verglichen werden. Im Studienzeitraum wurden 602.885 Unfälle mit Senioren als Unfallverursacher und 196.889 Verletzungen bei älteren Fußgängern und Fahrradfahrern registriert.
Weniger Autounfälle, steigende Unfallzahlen bei Fußgängern und Radfahrern
Nach Einführung der verpflichtenden kognitiven Tests für Senioren ging die Zahl der durch sie verursachten Autounfälle zurück – bei männlichen Fahrern. Gleichzeitig stieg die Zahl von im Straßenverkehr verletzten Senioren. Hier waren Frauen häufiger betroffen als Männer. Scheinbar wollten betroffene Senioren also weiter mobil bleiben, durften sie nicht mehr Auto fahren, stiegen sie auf das Fahrrad um oder waren zu Fuß unterwegs. Insgesamt ereigneten sich nach Einführung der Gesetzesänderung 3.670 weniger Autounfälle mit Personenschäden bei Fahren über 75 Jahren (95%-Konfidenzintervall [KI] -5.125 bis -2.104), die Zahl der Unfälle im Fuß- und Radverkehr nahm um 959 (95%-KI 24 bis 1.834) zu.
Senioren im Straßenverkehr aufklären und schützen
Insgesamt scheint es durch die Gesetzesänderung in Japan zu einer Verlagerung des Unfallgeschehens gekommen zu sein. Dennoch hat die Gesamtzahl der Unfälle deutlich abgenommen. Die Studienergebnisse zeigen auch, dass ältere Menschen im Straßenverkehr generell im Fokus von Aufklärungskampagnen und Präventionsmaßnahmen zur Unfallvermeidung stehen sollten – egal ob als Autofahrer, Fahrradfahrer oder Fußgänger.