
Hintergrund
Der benigne periphere paroxysmale Lagerungsschwindel (BPPV) ist der häufigste organisch bedingte Schwindel. Die Attacken gehen stets mit einer gerichteten Bewegungswahrnehmung einher, die sich meist in Form eines Drehschwindels und seltener als ein Gefühl des Hin- und Herschwankens äußert. Die überwiegend kurzen Attacken treten kopfbewegungsabhängig auf und können von vegetativen Symptomen wie Übelkeit oder Schweißausbrüchen begleitet sein. Tinnitus oder Hörstörungen treten – im Unterschied zu Morbus Menière – nicht auf.
BPPV entsteht durch die spontane oder traumatische Ablösung der Utrikulusotolithen („Ohrsteinchen“), die eigentlich fest im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs verankert sind. Wandern die Otolithen nach ihrer Ablösung in die Bogengänge, werden dadurch die Gleichgewichts-Sinneszellen aktiviert und an das Gehirn eine Drehbewegung vermittelt – obwohl sich der Körper eigentlich in Ruhe befindet. Traumatische Auslöser oder Innenohrerkrankungen können zur Ablösung führen, in mehr als der Hälfte der Fälle wird aber keine auslösende Ursache gefunden und der BPPV ist idiopathisch. Degenerative Prozesse im Alter scheint eine Rolle zu spielen, da die meisten Fälle bei Personen im 6. und 7. Lebensjahrzehnt auftreten. BPPV ist üblicherweise selbstlimitierend, durch Befreiungsmanöver kann die Erholung deutlich beschleunigt werden.
Rezidive treten bei ca. der Hälfte der Patienten auf, in 80% innerhalb des ersten Jahres nach dem Indexereignis. Studien haben gezeigt, dass Patienten mit BPPV häufig erniedrigte Vitamin-D-Spiegel haben und eine verminderte Knochendichte aufweisen.
Zielsetzung
Ein Team aus Südkorea um Seong-Hae Jeong untersuchte erstmals prospektiv die Wirkung einer Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung auf die Rezidivrate bei Patienten mit BPPV [1].
Methodik
Die multizentrische randomisierte Studie wurde zwischen Dezember 2013 und Mai 2017 an acht Kliniken in Südkorea durchgeführt. Patienten mit bestätigtem BPPV wurden in eine Interventions- und in eine Beobachtungsgruppe randomisiert (n = 518 und n = 532), nachdem sie erfolgreich mittels Befreiungsmanöver therapiert worden waren.
Der primäre Endpunkt war die jährliche Rückfallrate (ARR). Patienten in der Interventionsgruppe erhielten Vitamin D (400 I.U. zweimal täglich), wenn der Vitamin-D-Spiegel unter 20 ng/ml lag. Weiterhin erhielten sie Calcium (500 mg zweimal täglich). Die Medikation wurde von den Studienteilnehmern über ein Jahr hinweg eingenommen. Bei den Patienten der Beobachtungsgruppe wurden die Vitamin-D-Spiegel im Rahmen des Follow-ups nicht erneut bestimmt.
Ergebnisse
Die jährliche Rückfallrate lag in der Interventionsgruppe bei 37,8% und in der Beobachtungsgruppe bei 46,7% (0,83 gegenüber 1,1 Rezidive pro Personenjahr; Inzidenz ARR 0,76; p < 0,001). Der Vitamin-D-Spiegel stieg bei den Patienten der Interventionsgruppe innerhalb von zwei Monaten von 13,3 ± 3,9 auf 24,4 ± 7,7 ng/ml. Auch nach einem Jahr bewegten sich die Vitamin-D-Spiegel der Patienten in diesem Bereich (p < 0,001). Die errechnete Anzahl der notwendigen Behandlungen (NNT, Number Needed to Treat) lag bei 3,7.
Fazit
In Anbetracht der Studienergebnisse kann die Supplementierung von Vitamin D und Calcium bei Patienten mit wiederkehrenden BPPV-Attacken erwogen werden, insbesondere bei gleichzeitig erniedrigten Vitamin-D-Spiegeln.
„Ein Vitamin-D-Mangel ist in Deutschland nicht selten, daher ist es insbesondere bei BPPV-Patienten mit häufigen Rezidiven oder nach unzureichendem Erfolg der Befreiungsmanöver sinnvoll, die Vitamin-D-Blutspiegel zu untersuchen und bei erniedrigten oder grenzwertigen Spiegeln eine Supplementierung zu beginnen“, so Professor Dr. med. Christoph Helmchen, Leiter der Schwindelambulanz UKSH Lübeck [2].